DOMRADIO.DE: Seit Anfang vergangener Woche gibt es auch von polnischen Beamten Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Sind Sie selbst und die Studierenden, die Sie betreuen, auch davon betroffen?
René Pachmann (Hochschulseelsorger an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder): Ich bin persönlich davon betroffen, weil ich in Frankfurt (Oder) wohne und regelmäßig nach Słubice auf die polnische Seite fahre. Bei den Studierenden merke ich, dass einige ein Problem haben, zu ihren Lehrveranstaltungen zu kommen, die teilweise in Polen und teilweise in Deutschland stattfinden. Wenn es sich um internationale Studierende handelt, dann geht das oft damit einher, dass sie rassistisch kontrolliert werden – das muss man einfach so sagen.
DOMRADIO.DE: Was meinen Sie damit?
Pachmann: Sowohl von den deutschen als auch von den polnischen Beamten werden größtenteils Menschen kontrolliert, die eine dunkle Hautfarbe haben oder ein Kopftuch tragen. Das ist meiner Ansicht nach eine Art von Racial Profiling. Ich habe die Kontrollen auf polnischer Seite an der Grenze zu Beginn beobachtet und dabei bemerkt, dass vor allem Menschen kontrolliert werden, die migrantisch aussehen.
DOMRADIO.DE: Wie reagieren die Studierenden, die Sie aus Ihrer Arbeit in der Hochschulseelsorge kennen, auf die Grenzkontrollen?
Pachmann: Es gibt internationale Studierende, die nicht mehr zu den Lehrveranstaltungen in Polen gehen wollen. Sie pflegen dann auch die Freundschaften nicht mehr, die auf der polnischen Seite entstanden sind, oder gehen einfach nicht mehr zum Essen oder Einkaufen nach Polen. Das beeinträchtigt natürlich auch die Atmosphäre in der Doppelstadt sehr stark, als die sich Frankfurt (Oder) gemeinsam mit Słubice bezeichnet. Bei uns gibt es das Schlagwort "Ohne Grenzen", doch das ist eigentlich schon seit 2023 eine absurde Formulierung. Denn die deutsche Seite kontrolliert die Grenze zu Polen bereits seit zwei Jahren.
DOMRADIO.DE: Wie verändert sich gerade das Klima in der Doppelstadt Frankfurt (Oder) – Słubice?
Pachmann: Ich habe den Eindruck, dass Menschen die Stadt nicht mehr mit Selbstverständlichkeit als eine Doppelstadt wahrnehmen, so wie es eigentlich gewünscht ist. Es gehen die Leichtigkeit des Lebens hier und die Selbstverständlichkeit der offenen Grenzen verloren. Das Motto "Europa ist hier" war etwas, das gerade bei uns immer sehr überzeugt gesagt wurde.
Man hat sich etwa während der Grenzschließungen, die es in der Corona-Pandemie gab, gegenseitig versichert, dass man zusammengehört und sich nicht trennen lässt. Nun merken wir, es braucht keine Pandemie, sondern nur ein wenig Populismus von rechts, damit die Grenzen nicht mehr selbstverständlich offen sind und stark kontrolliert werden.
DOMRADIO.DE: Wie reagiert die Kirche in der Doppelstadt auf diese Situation?
Pachmann: Ganz konkret können wir an dieser Lage nichts ändern, aber wir versuchen unseren Kontakt zur jeweils anderen Seite besonders jetzt gut zu pflegen. Das bezieht sich sowohl auf die kirchlichen Kontakte als auch auf die Beziehungen zu universitären Institutionen auf polnischer Seite. Aber das ist natürlich derzeit insgesamt etwas schwierig.
Es gibt regelmäßig einen deutsch-polnischen Kreuzweg, der grenzüberschreitend stattfindet. Da müssen wir uns als Kirche noch überlegen, wie wir das nun organisieren. Da könnte jetzt natürlich das Engagement nachlassen, weil die Grenze wieder stärker im Fokus ist. Außerdem habe ich Kollegen, die mit dem Auto aus Polen nach Deutschland pendeln und seit Beginn der deutschen Kontrollen 2023 über die vielen Staus an der Grenze klagen. Im Moment ist es schneller, zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Brücke zu überqueren, die unsere Doppelstadt verbindet.
Mir ist aber wichtig zu betonen, dass das nur kleine Alltagsprobleme sind. Existentiell schwierig ist die Situation für die geflüchteten Schutzsuchenden, die an der deutsch-polnischen Grenze zurückgewiesen werden. Das ist leider kaum im Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Das Interview führte Roland Müller.