Hintergründe und Hinweise zum Welttag der Suizidprävention

Was kann man für suizidgefährdete Menschen tun?

In Deutschland sterben jährlich mehr als 10.000 Menschen durch Suizid. Was sind die Ursachen dafür? Gibt es konkrete Anzeichen für Suizidgefährdung? Und was kann jeder und jede einzelne tun, um gefährdeten Menschen zu helfen?

Autor/in:
Christoph Arens
Verzweifelter Jugendlicher / © Celiafoto (shutterstock)
Verzweifelter Jugendlicher / © Celiafoto ( shutterstock )

Wie haben sich die Suizidzahlen in den vergangenen Jahren entwickelt?

Über mehrere Jahrzehnte hinweg haben sich die Suizidzahlen deutlich verringert. 2022 töteten sich in Deutschland 10.119 Menschen selbst; damit stieg diese Zahl erstmals seit mehreren Jahren wieder auf über 10.000. 2023 waren es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr als 10.300. Das bedeutet, dass sich alle 56 Minuten ein Mensch selbst das Leben nimmt, fast 30 pro Tag. Das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten und illegale Drogen zusammen. Die Höchstzahl der Suizide in Deutschland lag 1981 bei 18.825.

Die Zahl der Suizidversuche liegt sicherlich deutlich höher?

Nach Schätzungen des Nationalen Suizidpräventionsprogramms unternehmen jährlich mehr als 100.000 Menschen einen Suizidversuch. Betroffen sind immer auch Angehörige und Freunde.

Die Umrisse einer Hand, sie sich auf eine Glasscheibe stützt, dahinter die unscharfe Silhouette einer Person. / © Harald Oppitz (KNA)
Die Umrisse einer Hand, sie sich auf eine Glasscheibe stützt, dahinter die unscharfe Silhouette einer Person. / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass von jedem Suizid durchschnittlich etwa sechs nahe Verwandte und Freunde betroffen sind. Für Hinterbliebene sei es wichtig, dass über Suizide offen gesprochen werden könne, ohne dass sie befürchten müssten, ausgegrenzt zu werden, betonen Experten. Sie gehen zugleich davon aus, dass viele weitere Menschen aus dem näheren Umfeld von einem Suizid betroffen sein können, darunter Arbeitskollegen, Mitschüler, Ärzte und Therapeuten, aber auch Polizisten, Feuerwehrangehörige sowie Zeugen suizidaler Handlungen.

Welche Gruppen sind von Suiziden besonders betroffen?

In allen Altersgruppen sterben deutlich mehr Männer durch Suizid als Frauen - insgesamt werden rund 70 Prozent der Suizide durch Männer verübt. Zudem wird Selbsttötung zunehmend ein Phänomen des höheren Lebensalters. Fachleute erklären dies damit, dass Verluste sich im Alter häufen. Vor allem ältere Männer suchten in solchen Lebenskrisen dann kaum Hilfe.

Was sind die wichtigsten Ursachen für Suizide?

Für Selbsttötungen sind nach Einschätzung der Experten immer vielfältige Gründe verantwortlich. Weder ein einzelnes Ereignis noch das Vorliegen einer psychischen Erkrankung erklären allein einen Suizid. "Der Suizid ist Endpunkt einer komplexen und krisenhaft erlebten Entwicklung, an deren Ende der Betroffene psychisch nicht mehr in der Lage ist, Hilfe anzunehmen und einen anderen Ausweg für sich zu erkennen", heißt es. Der Verlust des Arbeitsplatzes, wirtschaftliche Bedrohung und Armut, traumatische Erlebnisse, der Verlust nahe stehender Personen, Rückzug und soziale Isolation gelten als Risikofaktoren für einen Suizid.

Was weiß man über Menschen, die einen Suizid planen?

Betroffenen fällt es zumeist schwer, über ihre Suizidgedanken mit einem Arzt oder Therapeuten zu sprechen. Laut Studien haben Menschen vor einem vollendeten Suizid viel häufiger als üblich einen Arzt aufgesucht, der die Gefährdung aber nicht erkannte. Häufig besteht eine Angst darin, nicht ernst genommen zu werden, soziale Kontakte zu verlieren, als psychisch krank bezeichnet zu werden und die Selbstbestimmung durch zwangsweise Behandlung zu verlieren. Außerdem haben nicht wenige die Vorstellung, dass sie niemand verstehen und niemand ihnen helfen könne.

Gibt es konkrete Anzeichen für Suizidgefährdung?

Als Warnzeichen nennt die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention beispielsweise Veränderungen des Äußeren (etwa dunkle Kleidung), sozialen Rückzug, Änderungen von wichtigen Gewohnheiten, Vernachlässigung von Ernährung und Körperpflege, direktes oder indirektes Ansprechen von Suizidgedanken, krisenhafte Zustände (Lebensereignisse) mit Auswirkungen auf Stimmung, Schlaf und Verhalten, risikoreiches Verhalten, Verabschiedungen/Verschenken oder Testament.

Was lässt sich gegen Suizide tun?

Experten fordern seit langem ein Gesetz des Bundestages, das die Suizidvorbeugung auf stabile Füße stellt und auch Geld dafür bereitstellt. So fordert die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention eine zentrale Notrufnummer für suizidale Menschen.

Eines der wirksamsten Mittel ist nach Angaben der Experten - soweit möglich - die Einschränkung der Verfügbarkeit von Suizidmethoden (Waffen, Medikamente, Chemikalien, Absicherung von Bauwerken).

Wichtig sind außerdem niedrigschwellige Behandlungsangebote, eine entsprechende Fortbildung in medizinischen und psychosozialen Berufen, die Förderung der Früherkennung und nicht zuletzt ein gesellschaftliches Klima, in welchem die Suizidproblematik ernst genommen wird.

Wer unterstützt bei psychischen Krisen?

Wer etwa an einer Depression leidet, sollte in jedem Fall professionelle Hilfe suchen. Der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt, der Betroffene an einen Psychotherapeuten oder Psychiater überweisen kann. Wer unsicher ist, kann sich an das Info-Telefon Depression wenden (0800-3344533) oder an die Telefonseelsorge (0800-1110111, 0800-1110222 oder 116123, auch per Chat oder Mail).

Wie kann man Betroffenen von psychischen Problemen helfen?

Wenn Angehörige sich selbst überlastet fühlen, gibt es Selbsthilfegruppen und Beratungsangebote, etwa beim Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe mahnt zudem, sich mit gut gemeinten Ratschlägen zurückzuhalten. Eine Befragung unter Betroffenen ergab, dass scheinbar schlichte Botschaften oft am meisten helfen, zum Beispiel: "Du bist mir wichtig", "ich versuche, diese Krankheit zu verstehen" oder "wir schaffen das zusammen".   

Hilfe bei Suizidgedanken

Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können.

Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.

Die Angebote der Telefonseelsorge haben sich immer weiter spezialisiert / © Markus Scholz (dpa)
Die Angebote der Telefonseelsorge haben sich immer weiter spezialisiert / © Markus Scholz ( dpa )
Quelle:
KNA