Herwig Gössl wird neuer Oberhirte von Bamberg

Vom Interimschef zum Erzbischof

Der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl wurde vom Papst zum neuen Erzbischof seiner Diözese ernannt. Nach mehr als 13 Monaten Sedisvakanz hat sich Franziskus für einen Einheimischen entschieden, der seine neue Rolle nicht üben muss.

Autor/in:
Christoph Renzikowski und Maximilian Helmes
Bamberger Dom / © Andreas Zerndl (shutterstock)

Als Herwig Gössl 2014 von seiner Ernennung zum Weihbischof in Bamberg erfuhr, habe das einen "großen Schreck" in ihm ausgelöst. So ist es überliefert. Man weiß nicht, ob es dem Geistlichen in diesen Tagen wieder so ging, als ihm seine Beförderung zum Erzbischof kundgetan wurde. 

Künftiger Erzbischof Herwig Gössl (KNA)
Künftiger Erzbischof Herwig Gössl / ( KNA )

Immerhin ist er inzwischen neun Jahre älter. Und Übung in seiner neuen Rolle hat der 56-Jährige auch schon. Seit gut 13 Monaten leitet Gössl das zweite bayerische Erzbistum kommissarisch.

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Der gebürtige Münchner ist nicht für große Auftritte bekannt und auch nicht für eine Neigung, sich zu exponieren. In den vergangenen Wochen war sein Vorgänger, Alterzbischof Ludwig Schick, in den Medien deutlich lauter und häufiger zu vernehmen als Gössl.

Ein zurückhaltender, spiritueller Mensch

Das könnte an seinem Job als Interimschef liegen. Der nämlich hat laut Kirchenrecht in der bischofslosen Zeit alles zu unterlassen, was den künftigen Amtsinhaber möglicherweise zu Korrekturen zwingen würde. Vielleicht hat es aber auch mit seinem Naturell zu tun: Gössl gilt als jemand, der seine Worte bedächtig wägt, der versucht, nicht anzuecken - ein zurückhaltender, spiritueller Mensch.

So rief Gössl in der Vergangenheit auch zu Verzicht auf, wie an Pfingsten diesen Jahres. "Solange jeder Mensch versucht, für sich rauszuholen, was rauszuholen ist, werden Rivalität, Neid, Eifersucht, Streit und Krieg herrschen, werden wir auch keinen Weg zu einer nachhaltigeren Lebensweise finden.", prangerte er an.

Als Abiturient des Nürnberger Melanchthon-Gymnasiums verfügt er über humanistische Bildung. Gleich nach der Schulzeit trat Gössl 1986 ins Bamberger Priesterseminar ein, die Weihe folgte 1993. Nach einigen Jahren in der Gemeindeseelsorge wurde er 2007 mit einer neuen Aufgabe in der Priesterausbildung betraut.

Wie die Kirche gut in die Zukunft bekommen?

Gössl leitete bereits seit Ende vergangenen Jahres kommissarisch das Erzbistum Bamberg, als sogenannter "Apostolischer Administrator". Das Erzbistum Bamberg sah er bereits damals vor großen Herausforderungen, wie er DOMRADIO.DE im Interview sagte: "Die Frage, wie wir die Kirche gut in die Zukunft bekommen, ist natürlich herausfordernd. Wie sind wir in Zukunft noch als Kirche erkennbar, ohne zu verharren?"

Diese Aufgabe bezeichnete Gössl als einen Spagat auf dem sich die Kirche gerade bewege. Dies verunsichere viele Menschen, sagt er: "Das spüre ich bei uns im Erzbistum. Es ist die Frage, wie es weitergeht. Wir werden immer weniger und spüren, dass sich etwas verändert. Aber wie können wir das gut gestalten? Das sind die Herausforderungen, die ich sehe. Da versuche ich mit ruhiger Hand irgendwie das Schiffchen durch zu steuern."

Konservativ, aber "kein Eiferer"

Als Weihbischof ist Gössl seit neun Jahren für die Caritas zuständig. Der Blick auf den Nächsten sei ihm wichtig, heißt es anerkennend über ihn. Und dass er kein Revolutionär sei, "aber berechenbar"; konservativ, aber "kein Eiferer". In seiner Antrittsrede als neuer Vorsitzender des Bamberger Diözesan-Caritasverbands am 16. Dezember 2014 verurteilt er Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkunft scharf: "Wenn jemand die Unterkunft für Asylbewerber anzündet, zündet er wirklich und wahrhaftig den Stall von Bethlehem an, die Notunterkunft Gottes in dieser Welt bei seiner Menschwerdung."

Auch an anderen Stellen wie in der Weihnachtspredigt 2022 im Bamberger Dom, äußerte sich Erzbischof Gössl eindeutig: "Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben, erst recht nicht unter Christen." 

"Keine Demokratie, aber auch keine Monarchie"

Während des deutschen Reformdialogs Synodaler Weg reihte sich der Bamberger Weihbischof bisweilen auf der Seite der oppositionellen Minderheit ein. So zählte Gössl neben dem Passauer Bischof Stefan Oster 2021 zu einem Quartett, das einen Alternativtext zu Sexualität und Partnerschaft verfasste. Doch diese Stimme drang nicht durch.

So fällt auch seine Bilanz zum Reformprojekt Synodaler Weg gemischt aus. "Wir wollen die kirchliche Lehre nicht in die Tonne treten, sondern weiterentwickeln.", sagte Gössl Ende März 2023. Er habe sehr viele sehr engagierte Christen kennengelernt, denen es ein Anliegen sei, dass Kirche auch in Zukunft ihre Botschaft zu den Menschen bringe. Doch, so schränkt er ein: "Kirche ist keine Demokratie, aber auch keine Monarchie."

Synodaler Weg: "Wir sind noch nicht fertig"

Zwei Jahre später, nach Abschluss des Synodalen Wegs, stellte Gössl fest, insbesondere die Sichtweise auf das Thema Homosexualität habe sich bei vielen Bischöfen im Verlauf der Gespräche verändert. Auch bei der Frage nach der Priesterweihe von Frauen zeigte er sich gesprächsbereit. "Wir sind als synodale Kirche noch auf dem Weg. Wir sind noch nicht fertig", sagte er im März. So müsse die Macht von Bischöfen besser kontrolliert und eingehegt werden.

Klar ist die Haltung des Weihbischofs zum Kirchenasyl. Als das Strafverfahren gegen die fränkische Benediktineräbtissin Mechthild Thürmer wegen des Vorwurfs der Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt eingestellt wurde, dankte er der Ordensfrau ausdrücklich für ihren Einsatz. Beim Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften vorübergehend Asylbewerberinnen und Asylbewerber auf, um eine Abschiebung abzuwenden, weil sie für die betroffene Person eine Bedrohung an Leib und Leben darstellt.

Nicht immer harmonisch

Beim Neujahrsempfang vor knapp einem Jahr im tief verschneiten Hof gab Gössl die Losung aus, es müsse in der Kirche nicht immer harmonisch zugehen. "Da kann man schon auch richtig streiten, entscheidend ist, dass man trotzdem beieinander bleibt und füreinander einsteht." Enttäuschungen und Unterschiede auszuhalten sei anstrengend, Vielfalt könne aber auch als bereichernd erfahren werden.

Ähnlich brachte sich der neue Erzbischof in gesellschaftliche Debatten ein. In einer Predigt vom 25. Februar 2023 zum Thema "Cancel Culture" sagte er, dass Gott kein Schwarz-Weiß-Maler sei. "Er kann mit den verschiedenen Schattierungen des Lebens gut umgehen. Deshalb überspringt er immer wieder die klaren Abgrenzungen, die Menschen ziehen, um sich anderen gegenüber als etwas Besseres darzustellen."

Brückenbauen in bay'rischer "Diaspora"

Mit einer solchen Einstellung sollte es dem neuen Erzbischof nicht schwerfallen, Brücken zu bauen: in der Kirche zwischen auf Veränderung drängenden Kräften und denen, die am Gewohnten festhalten wollen; aber auch nach außen zu anderen. Diese Fähigkeit ist in Franken noch wichtiger als andernorts, denn nirgendwo in Bayern sind die Katholiken so sehr in der Minderheit.

Gegenüber seinen beiden Vorgängern, Ludwig Schick aus Fulda und Karl Braun aus Eichstätt, hat Gössl einen unbestreitbaren Vorteil: Er kennt das Erzbistum Bamberg schon, schließlich ist er hier seit langem daheim. Und kann einfach damit weitermachen, was er schon seit gut 13 Monaten tut. Allerdings mit mehr Befugnissen, denn nun muss er keine Rücksicht mehr auf einen potenziellen Nachfolger nehmen.

Erzbistum Bamberg

Bamberg ist eines von sieben Erzbistümern in Deutschland und nach München zweites Zentrum der katholischen Kirche in Bayern. Das Erzbistum liegt im Norden des Freistaates und umfasst den gesamten Regierungsbezirke Oberfranken, weite Teile Mittelfrankens sowie kleine Regionen von Unterfranken und der Oberpfalz. 

Auf dem Erzbistumsgebiet leben rund 2,1 Millionen Menschen. Dvon 630.000 Katholiken und rund 1,5 Millionen Nichtkatholiken. Das Erzbistum gliedert sich in zehn Dekanate und 35 Seelsorgebereiche, denen jeweils ein Leitender Pfarrer vorsteht, und 359 Pfarreien.

Überwiegend ländliche Gebiete

Grund für diese katholische Minderheitenposition ist die Reformation, die im 16. Jahrhundert in Franken tiefe Spuren hinterließ. Damals schloss sich die Hälfte der Pfarreien dem Protestantismus an.

Geprägt wird die Erzdiözese durch überwiegend ländliche Gebiete wie die Fränkische Schweiz und auf der anderen Seite durch den Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen. Bistumspatrone sind das heilige Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde, die beide im Bamberger Dom begraben sind. Dieser zählt zu den bedeutendsten romanisch-gotischen Bauwerken Deutschlands.

Geschichtliche Highlights

Auf der Frankfurter Reichssynode 1007 hatte König Heinrich II. aus Teilen der Diözesen Würzburg und Eichstätt das neue Bistum gegründet. Unter seinem ersten Bischof Eberhard, dem Kanzler des Königs, wurde es direkt Rom unterstellt. Eine besondere Bedeutung erlangte es bei der Christianisierung der zwischen Main und Regnitz siedelnden Slaven.

Eberhards Nachfolger Suidger wurde 1046 zum Papst gewählt und nahm den Namen Clemens II. an. Als einziger Papst nördlich der Alpen wurde Clemens im Bamberger Dom beigesetzt. Seit der kirchlichen Gebietsreform 1818 gehören die Bistümer Eichstätt, Speyer und Würzburg zur Bamberger Kirchenprovinz.

Personelle Situation

Bis 2022 stand Erzbischof Dr. Ludwig Schick rund 20 Jahre der Erzdiözese als 13. Erzbischof und 75. Bischof vor. 135 aktive Diözesanprieter, 64 Ordenspriester, 35 Ständige Diakone verkünden im Bistum die frohe Botschaft. Unterstützt werden sie dabei von 214 Gemeinde- und  Pastoralreferentinnen und -referenten sowie neun Gemeinde- und Pastoralassisteninnen und- assistenten in der Seelsorge und Verkündigung.

Geschichte des Erzbistums Bamberg

Auf der Reichssynode in Frankfurt, die am 1. November 1007 begann und die von acht Erzbischöfen und 27 Bischöfen besucht war, erwirkte König Heinrich II., der 1014 die Kaiserwürde erlangte, die Gründung des Bistums Bamberg aus Teilen von Würzburg und Eichstätt. Noch auf der Synode wurde Eberhard, des Königs Kanzler, vom Mainzer Erzbischof Willigis zum Oberhirten des neuen Grenzlandbistums geweiht. Ebenfalls noch auf der Synode wurde dem Bistum reiche Schenkungen verbrieft, um es auf eine solide Basis zu stellen.

Bamberger Reiter / © Andreas Zerndl (shutterstock)
Quelle:
DR , KNA