Herausragende Schau zu Bellini und Mantegna in Berlin

"Das unwahrscheinlichste Traumpaar der Kunstgeschichte"

Die Nationalgalerie widmet zwei Genies der italienischen Renaissance eine einzigartige Schau. Dazu hat sie Meisterwerke aus aller Welt zusammengetragen. Die Ausstellung feierte bereits einen großen Erfolg in London.

Autor/in:
Christoph Scholz
 Berliner Gemaeldegalerie zeigt Ausstellung ueber Mantegna und Bellini / © Juergen Blume (epd)
Berliner Gemaeldegalerie zeigt Ausstellung ueber Mantegna und Bellini / © Juergen Blume ( epd )

Es ist wohl nicht übertrieben, von einem "sensationellen Ereignis" zu sprechen, wie es der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Michael Eissenhauer, am Donnerstag in Berlin tat. Gemeint ist die Ausstellung "Mantegna und Bellini. Meister der Renaissance", die am Montag eröffnet wird und bis zum 30. Juni dauert. Was die Kuratoren in dreijähriger Arbeit an Werken der beiden Meister der italienischen Renaissance aus aller Welt zusammengetragen haben, ist schon einzigartig.

Die Kuratorin Dagmar Korbacher sprach vom "unwahrscheinlichsten Traumpaar der Kunstgeschichte". Die beiden Künstlergenies Andrea Mantegna (um 1431-1506) und Giovanni Bellini (um 1435-1516) waren nicht nur miteinander verwandt, sie standen in einem einzigartigen Verhältnis von Wertschätzung und Wettstreit, von Austausch und Inspiration. Diesem Wechselspiel folgt die Ausstellung. Für die gemeinsame Schau konnten die Staatlichen Museen zu Berlin und die National Gallery auf den größten Bestand an Werken beider Meister außerhalb Italiens zurückgreifen.

"Triumphzug Cäsars"

Und die Briten zeigen sich äußerst großzügig. Erstmals ist Bellinis berühmtes Porträt des Dogen Leonardo Loredan außerhalb von London zu sehen. Spektakulär sind auch die Leihgaben der Royal Collection von Königin Elisabeth II.: drei großformatige Gemälde aus Mantegnas neunteiligem Zyklus "Triumphzug Cäsars". Französische Museen steuerten ebenso Werke bei wie italienische und österreichische, was der Ausstellung einen europäischen Rang verleiht. Hinzu kommen Werke aus Übersee wie "Das Fest der Götter" aus Washington.

Die Ausstellung feierte bereits von Oktober bis Januar einen großen Erfolg in London. Die meisten Werke sind auch in Berlin zu sehen, doch besticht die Nationalgalerie durch großzügige Räumlichkeit, in der sie ihre ganze Pracht entfalten können.

Am augenfälligsten wird die Verbindung beider Künstler in den beiden Versionen der "Darbringung Christi im Tempel". Der in Padua tätige, aufstrebende Maler und Druckgrafiker Mantegna malte seine Version kurz nach der Heirat mit Giovannis Schwester Nicolosia. Das eröffnet ihm den Eintritt in eine der führenden Künstlerfamilien von Venedig.

Leben in Venedig

Bellini wiederum fertigte seine Version Jahre später anhand einer Pause der Konturen des Werkes seines Schwagers an. Dieser war damals schon nach Mantua gezogen, wo er ab 1460 bis zu seinem Tod als Hofmaler der Fürstenfamilie Gonzaga wirkte. Giovanni blieb Zeit seines Lebens in Venedig. In unterschiedlicher Umgebung entwickelten sie eigene Stile, blieben aber auf vielfältige Weise verbunden.

Ihr Interesse galt der innovativen Weltsicht der Renaissance, etwa der Entwicklung der Perspektive oder der Wiederentdeckung der klassischen Antike. Beispielhaft ist Mantegnas monumentaler "Triumphzug Cäsars" für den Herzogspalast in Padua. Er prägte die europäische Kunstgeschichte. Das Kupferstichkabinett widmet der Wirkungsgeschichte eine eigene Präsentation. Der Einfluss des Humanismus – der den Menschen zum Maß aller Dinge erklärte – zeigt sich in der Entwicklung des Porträts - wie bei Mantegnas Wiedergabe von Kardinal Ludovico Trevisan.

Dramatisierung von Leiden und Opfertod Christi

Innovativ sind beide Künstler auch bei der Thematisierung der christlichen Heilsgeschichte. Die Erkenntnisse der Anatomie fließen in die Darstellung des entblößten menschlichen Körpers ein, etwa des Heiligen Sebastian. Mantegna nutzt die Verkürzungen zur Dramatisierung von Leiden und Opfertod Christi – ein zentrales Thema seiner Zeit.

Bellinis Figuren zeichnen sich hingegen durch eine Aura stiller Verinnerlichung aus. Das gilt besonders für seine Heiligendarstellungen in der sogenannten Sacra Conversazione der "Heiligen Unterhaltung". Wie die Darstellungen der Madonna mit Kind sind sie Ausdruck einer neuen, verinnerlichten Frömmigkeit. Bei seiner "Engelspieta" sind es die beiden kindlichen Engel, die in der Beweinung des Leichnams Christi das Mitgefühl des Betrachters ansprechen. Auch die Landschaft wird für Bellini zum atmosphärischen Resonanzraum der inneren Betrachtung, während sie Mantegna eher rational geologisch behandelt.

Mit Mantegna, dem "rigorosen Humanisten", und Bellini, dem "poetischen Interpreten menschlicher Emotionen", bietet die Schau dem Besucher nicht nur Meisterwerke der Kunstgeschichte. Sie eröffnet zugleich einen tiefen Einblick in die Grundlagen der europäischen Kultur.


Andrea Mantegna: Studie fuer eine Beweinung, fruehe 1460er-Jahre / © Juergen Blume (epd)
Andrea Mantegna: Studie fuer eine Beweinung, fruehe 1460er-Jahre / © Juergen Blume ( epd )

Marco Zoppo "Thronende Madonna mit Kind und Heiligen", ca. 1471 und "Das abgeschlagene Haupt Johannes des Taeufers", ca. 1470 / © Juergen Blume (epd)
Marco Zoppo "Thronende Madonna mit Kind und Heiligen", ca. 1471 und "Das abgeschlagene Haupt Johannes des Taeufers", ca. 1470 / © Juergen Blume ( epd )

Giovanni Bellini "Christus am Oelberg", ca. 1458-1460 / ©  Juergen Blume (epd)
Giovanni Bellini "Christus am Oelberg", ca. 1458-1460 / © Juergen Blume ( epd )
Quelle:
KNA