Das Renaissance-Genie Tintoretto feiert 500. Geburtstag

Das Hereinbrechen des Göttlichen durch die Malerei

Schon seine Zeitgenossen waren überwältigt von der ideenreichen Bilderwelt Tintorettos. Zum 500. Geburtstag stellt sein Werk die zeitlose Faszination unter Beweis.

Autor/in:
Von Christoph Scholz
 Tintorettos "Jupiter und Semele" / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Tintorettos "Jupiter und Semele" / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Das "wohl außergewöhnlichste Genie" der Malerei, so nannte ihn Giorgio Vasari, der Künstlerbiograf der Renaissance. "Wunderlich, flink und kühn" sei er gewesen: "Tintoretto", das "Färberlein". Mit diesem Künstlernamen ging der Venezianer Jacobo Robusti in die Kunstgeschichte ein. Doch auch der Familienname Robusti, "der Widerstandsfähige", war nur ein verliehener. Der Vater erhielt ihn für seinen Mut bei der Verteidigung Paduas. Gleichwohl entsprach er ebenso dem zielstrebigen Charakter des kleinwüchsigen Sohnes, der eigentlich Comin hieß. So wenig eindeutig wie der Name ist auch das Geburtsdatum - die Eintragung ging bei einem Brand verloren. Auf den 29. September 1518, also vor genau 500 Jahren, wurde es lange datiert. Die jüngere Forschung geht auch von 1519 aus.

Das Kölner Richard Wallraff-Museum Museum widmete ihm bereits zur Jahreswende eine international beachtete Sonderschau unter dem Titel "A Star was born", kuratiert vom Tintoretto-Experten Roland Krischel. Der im Hirmer-Verlag erschienene Katalog bietet eine hervorragende Hinführung zu Werk, Zeit und Persönlichkeit des Malers auf der Höhe der Forschung. Und Krischel zeigt mit seinen Neuzuschreibungen, wie detektivisch Kunstgeschichte sein kann. Die größte Jubiläumsausstellung richtet Venedig aus, das er zeitlebens kaum verließ und dessen Kirchen und Paläste die meisten Werke beherbergen.

Im Frühwerk sind für Krischel "Ehrgeiz, revolutionäre Kraft und Provokationsgeist" Tintorettos besonders spürbar. Der junge Künstler versuchte, sich gegen Rivalen wie Tizian, Bonifacio oder Bassano durchzusetzen. Tizian soll den begnadeten Lehrling aus Angst vor Konkurrenz nach wenigen Tagen wieder aus seiner Werkstatt gewiesen haben. Seinen Ruf begründet er mit mythologischen Gemälden zu Ovids Metamorphosen, vor allem aber mit dem monumentalen "Sklavenwunder" - virtuos in der Pinselführung und lebendig im Ausdruck. "Die Zeichnung Michelangelos und das Kolorit Tizians", lautete sein Motto an der Werkstattwand. Schwerelos schwebt der Heilige Markus über dem widerspenstigen Sklaven, den er vor der Züchtigung bewahrt.

Hereinbrechen des Göttlichen

Tintoretto überbietet herkömmliche Darstellungsmuster, kommt zu extremen Untersichten; seine Figuren drehen und wenden sich, sie fliegen auf oder stürzen ab - und alles erscheint völlig realistisch. Dazu sammelte er Stiche zeitgenössischer Künstler und studierte Komposition und Lichteffekte anhand von Wachsmodellen mit Tuchfetzen, die er in kleinen Bühnenmodellen aufhängte. Landschaften, architektonische Fluchträume und ekstatische Figuren: Alles diente der dramatischen Steigerung seines Hauptthemas: das Hereinbrechen des Göttlichen in die Welt.

Seine Bildpredigten vergegenwärtigen die christliche Heilsgeschichte vom ersten Schöpfungstag bis zum Endgericht. Für seine monumentalen Bilderwelten suchte er immer neue Malgründe. In Madonna del Orto, der Pfarrkirche nahe der Werkstatt, wo er 1594 seine letzte Ruhestätte fand, malte er die Anbetung des Goldenen Kalbes und das Jüngste Gericht, jeweils auf 5,9 mal 14,5 Meter. In der Scuola Grande di San Rocco kann der Besucher über die Länge von zwölf Metern die Kreuzigung Christi prozesshaft nachvollziehen. Sie ist Teil des imposanten Bilderzyklus von insgesamt 56 Gemälden, der Tintoretto zwischen 1564 und 1588 schuf. Ganze zwölf Mal bildet er das Abendmahl ab. Zu seinen Hauptwerken gehören auch die Darstellung der Heiligen Markus, Bartholomäus und Hieronymus in der Markus-Kathedrale in Korcula in Kroatien.

Glaubenszeugnisse

Seine Werke sind Zeugnisse des eigenen Glaubens. Dem heiligen Rochus stiftet er ein Votivgemälde als Dank dafür, dass seine Familie von der Pest verschont blieb - der seinerzeit 45.000 Venezianer zum Opfer fielen. Die Kinder halfen ihm in der Werkstatt bei der Bewältigung der immensen Arbeit. Maßgeblich war sein Sohn Domenico bei der Umsetzung des väterlichen Entwurfs zum «Paradies» im Dogenpalast tätig. Mit 7 Mal 20 Metern galt das Wandgemälde im Saal des Großen Rates als größtes Ölgemälde seiner Zeit.

Der Tribut des unermüdlichen Tatendrangs des Malwütigen zeichnet sich im Selbstporträt von 1586 ab: ein eindrückliches Alters-Selbstportrait in Frontalansicht vor dunklem Grund, das heute im Pariser Louvre hängt. Der bedeutende Porträtist überlebte es nur wenige Jahre. Der Einfluss seines Werks reicht über den Barock bis in die Moderne. Für Jean-Paul Sartre war er gar der "erste Filmregisseur".


Quelle:
KNA