Helfer in Haiti kämpfen weiterhin mit vielen Schwierigkeiten

Chaos in der Karibik

Erst die Naturkatastrophe, dann die Cholera, jetzt der Wirbel um die Präsidentschaftswahlen. Ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti könnten die Arbeitsbedingungen für die Helfer in Haiti chaotischer kaum sein. Wer sich in diesen Tagen bei deutschen Organisationen umhört, spürt eine gewisse Ernüchterung.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Bernd Pastors von der action medeor räumt ein, dass die Hilfswerke in den vergangenen zwölf Monaten an ihre Grenzen gestoßen sind. "Zu glauben, jetzt können wir in Haiti einen Neuanfang machen, war vielleicht zu optimistisch." Und Wolfgang Jamann, Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe, ergänzt: "Das vergangene Jahr hat gezeigt, wie schwierig es für einen "failing state" wie Haiti ist, nach einer derartigen Katastrophe ein halbwegs akzeptables Lebensniveau zu erreichen."



Immer noch leben rund eine Million Menschen in Notunterkünften. Zwischenzeitlich band die Cholera-Epidemie mit rund 4.000 Toten viele Kräfte. Und für Wiederaufbaumaßnahmen fehlt es an grundlegenden Voraussetzungen. Ein Katasteramt, das die Eigentumsverhältnisse auflistet, gibt es beispielsweise nicht. Mancherorts mussten deswegen frisch errichtete Unterkünfte wieder abgerissen werden - weil plötzlich die eigentlichen Besitzer der Grundstücke auftauchten und den bereits fertigen Bauten ihre Zustimmung verweigerten. Zu all den praktischen Problemen gesellt sich ein grundsätzliches Manko. "Uns fehlt es an politischen Ansprechpartnern", klagt etwa Elmar Frank von der Aktion Deutschland Hilft, einem Bündnis, in dem auch die Malteser und Johanniter vertreten sind.



"Jetzt könnte die Stunde der politischen Stiftungen schlagen"

Viele Hoffnungen richteten sich deswegen im vergangenen November auf die Präsidentschaftswahlen. Der von den Geberländern mit 29 Millionen US-Dollar finanzierte Urnengang sollte die Agonie unter der Regierung von Rene Preval beenden. Doch ein Ende des Dramas scheint nicht in Sicht. Der ursprünglich für diesen Montag vorgesehene Amtswechsel verschiebt sich auf unbestimmte Zeit. Stattdessen soll es am 20. März zu einer Stichwahl zwischen den beiden verbliebenen Bewerbern kommen: der Wissenschaftlerin Mirlande Manigat, einer eher spröden Intellektuellen, und dem Musiker Michel "Sweet Micky" Martelly, einem Mann ohne jede politische Erfahrung. Stattdessen versuchen zwei Ex-Präsidenten, wieder ins Geschen einzugreifen. Jean-Claude Duvalier und Jean-Bertrand Aristide, die in der Vergangenheit ihre Heimat um Millionen erleichtert hatten.



"Ich kenne keinen Präsidenten, der seinen Job richtig gemacht hätte", sagt Michael Kaasch von der Berliner Aktion Haiti Care, der wenig Hoffnung auf eine Besserung der Situation hat. Kaasch und andere fordern daher, die politischen Strukturen "von unten" aufzubauen. Etwa, indem Akteure der Zivilgesellschaft wie Bildungsinitiativen und Selbsthilfegruppen vor Ort unterstützt werden. Oder, indem die Hilfsorganisationen selber stärker am Aufbau des Gemeinwesens mitwirken. Doch dieser Weg ist unter den Helfern umstritten. Sie wollen sich nicht dem Vorwurf der Parteilichkeit aussetzen. action medeor-Vorstand Pastors bringt deswegen andere Partner ins Spiel: "Jetzt könnte die Stunde der politischen Stiftungen schlagen."



Doch das ist in den Augen des Journalisten und Haiti-Experten Ulrich Mercker wenig hilfreich. Er kritisiert ein Überangebot an Hilfe aus dem Ausland: "Der Einfluss der internationalen Gemeinschaft ist viel zu groß." Selbst Welthungerhilfe-Vertreter Jamann gesteht zu, dass von den schätzungsweise 16.000 im Land tätigen Organisationen gerade einmal rund 300 bei der Regierung registriert sind und davon 15 bis 20 einen Kooperationsvertrag mit einem der Ministerien geschlossen haben. Abstimmung tut also not. Gerade wenn man bedenkt, dass der langfristige Wiederaufbau noch Jahre dauern wird.