Warum ein gemeinsames Abendmahl nicht so einfach ist

Harmoniebedürftige Schaumschlägerei?

Der Evangelische Kirchentag ist vorbei. Der Blick geht bereits nach Frankfurt zum Ökumenischen Kirchentag 2021. Und wieder wird über ein gemeinsames Abendmahl von Katholiken und Protestanten diskutiert. Doch ist das auch realistisch?

Priester bei der Eucharistie / © Harald Oppitz (KNA)
Priester bei der Eucharistie / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund sagte der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, bei seiner Bibelarbeit: "Glaubst Du wirklich, Jesus steht an der Tür bei den Evangelischen, und dann setzen die sich zum Abendmahl zusammen und dann sagt Jesus: Nee, mit euch setz ich mich nicht hin. Das können wir uns doch nicht vorstellen, oder?" Er habe, so Marx weiter, die Hoffnung, dass bis zum Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt "doch noch ein paar Signale gesetzt werden können". Ohnehin sei man in der gelebten Praxis an vielen Orten schon weiter, wenn es um die gegenseitige Einladung zu Eucharistie oder Abendmahl gehe.

Dr. Werner Kleine (Referent für Citypastoral in der Katholischen Citykirche Wuppertal und Leiter des Arbeitsfeldes Kommunikation, Dialog, Öffentlichkeit der aktuellen Etappe des Pastoralen Zukunfsweges im Erzbistum Köln): Ja, das habe ich auch so gelesen.

DOMRADIO.DE: Das verwundert viele, die sich schon etwas länger mit diesem Thema beschäftigen. Immerhin hatte der Münchner Kardinal noch 2003 - damals als Bischof von Trier - den Priester Gotthold Hasenhüttl suspendiert, weil er zu einem gemeinsamen Abendmahl nach katholischem Ritus eingeladen hatte. Damals hat das für viel Aufruhr gesorgt. Da hat Marx noch eine andere Haltung gehabt, oder?

Kleine: Das ist eine der vielen Geheimnisse des Glaubens, die in der Gegenwart so wirksam sind. Plötzlich sind da solche Schwenks möglich. Denn theologisch hat sich seitdem substanziell noch nicht so viel geändert. Damals war es ein Riesenskandal. Hasenhüttl wurde von Marx in Trierer Zeiten gemaßregelt. Jetzt hören wir von Marx, dass er große Hoffnungen hege, in Frankfurt etwas tun zu können, was Hasenhüttl vor einigen Jahren schon getan hat.

DOMRADIO.DE: Was spricht denn gegen ein gemeinsames Abendmahl?

Kleine: Wir haben nicht nur völlig unterschiedliche Abendmahlsverständnisse zwischen den Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, und der katholischen Kirche. Wobei man da nochmal differenzieren muss: Lutheraner sind uns im Sakramentenverständnis relativ nahe. Reformierte Christen sind dagegen davon sehr weit weg. Man kann also auch schon bei den evangelischen Christen nicht alle über einen Kamm scheren.

Die protestantischen Kirchen haben da selbst einen Streit gehabt. Ich komme aus Wuppertal. Und dort sind die protestantischen Kirchen sehr ungleich. Und aus meiner Sicht ist diese Auseinandersetzung auch noch lange nicht befriedet.

Viel entscheidender finde ich aber die amtstheologische Frage, die damit verbunden ist. Nach katholischem Verständnis brauchen wir einen Priester, der der Eucharistie vorsteht, der die Vollmacht durch seine Weihe hat, die Eucharistie zu feiern. Das haben evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer nicht. Die sind, was diesen Zustand angeht, nichts anderes als ich das als Pastoralreferent wäre.

Stellen Sie sich vor, ich würde mich sonntags hinter den Altar stellen und das Hochgebet inklusive der Einsetzungsworte beten. Das würde wahrscheinlich auch bei liberalen Katholiken einen Skandal geben. Was bildet der sich jetzt ein? Das wäre zu Recht so.

Da müssen wir ehrlich sein. Wohin wollen wir? Was sind die eigentlichen Themen? Und diese amtstheologische Frage scheint mir das Vordringlichste zu sein. Es scheint mir noch relativ einfach zu sein, einem evangelischen Christen im Einzelfall die Eucharistie zu reichen, wenn er zu dem ‚Ja‘ sagt, was wir als katholische Kirche sagen können. Aber an einem evangelischen Abendmahl teilzunehmen, ist für katholische Christen aus meiner Sicht nach wie vor schwierig, weil da eigentlich Brot und Wein dann doch Brot und Wein bleiben.

DOMRADIO.DE: Was würde denn für ein gemeinsames Abendmahl sprechen?

Kleine: Allgemein gesagt wird immer, dass die Einheit dann befördert würde. Ich persönlich sehe das nicht so. Die Eucharistie ist Quelle, Mitte und Höhepunkt des christlichen Lebens. Wir fangen ja auch etwa in der Taufvorbereitung nicht mit der Eucharistiefeier an. Sondern es ist ein weiter Weg, bis man dann soweit ist, die heilige Kommunion zu empfangen.

Und für mich wäre die gemeinsame Eucharistie, das gemeinsame Abendmahl tatsächlich ein Zielpunkt, auf den wir hinzu laufen würden. Ich habe eine Möglichkeit mit einem reformierten Theologen diskutiert. Es könnte ja so sein: Wir Katholiken öffnen unser Herz für die evangelischen Christen, so sie denn der katholischen Lehre in diesem Punkt zustimmen. Dann können sie das Abendmahl empfangen. Und die evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer empfangen quasi das Weihesakrament.

DOMRADIO.DE: Da wären Frauen mit dabei….

Kleine: Ich weiß, da ist jetzt die Frauenweihe dabei. Das ist ein neues Thema. Aber lassen wir das mal so stehen. Aber für diesen Vorschlag habe ich von evangelischer Seite erheblichen Widerspruch geerntet, weil es ja genau das sei, das dann dem evangelischen Verständnis zuwiderlaufen würde. Genau da ist die verlaufende Grenzlinie zwischen evangelisch und katholisch.

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten an der Basis, Sie haben es mit den Christen in den Gemeinden direkt zu tun. Wie groß ist denn da der Wunsch nach einem gemeinsamen Abendmahl vorhanden?

Kleine: Das Harmoniebedürfnis ist sehr groß. Man möchte sich eigentlich mit diesen doch schwierigen theologischen Themen gar nicht auseinandersetzen. Man möchte es einfach machen. Das ist ja auch das, was man im Hinblick auf den ökumenischen Kirchentag jetzt immer wieder hört: Man macht das dann einfach. Aber was wäre damit gewonnen, wenn wir es dann einfach machen? Ich glaube, dass das nur ein Schauspiel wäre. Die Leute feiern dann zwar gemeinsam ein Abendmahl, aber im Herzen wären sie dann doch völlig unterschiedlich dabei. Mir ist schon klar, dass nicht jede Sonntagsgottesdienstbesucherin und jeder Sonntagsgottesdienstbesucher die ganze katholische Dogmatik mit sich herumschleppt. Aber es gibt doch letzten Endes einen Grundkonsens, dass dieses Brot der Leib Christi ist. Und ich glaube, dass wir da viel theologische Arbeit hätten. Es ist übrigens etwas, was ich bis heute an dem Reformationsjahr 2018 vermisst habe, dass man diese Diskussion nicht offensiv geführt hat. Wir versuchen uns da einer harmoniebedürftigen Schaumschlägerei, ohne in die Tiefe zu gehen. Das wäre es aus meiner Sicht wert, diese Diskussion endlich offensiv und in aller deutlichen Streitbarkeit zu führen.

DOMRADIO.DE: Wird es ein gemeinsames Abendmahl in Frankfurt in zwei Jahren geben? Was ist Ihre Prognose?

Kleine: Ich glaube, dass das schwierig werden wird. Ich glaube aber auch, dass man andere Wege liturgischer Art gehen könnte. Die Orthodoxie zum Beispiel kennt ja den Ritus des Brotbrechens. Ich glaube, dass wir vielleicht einen solchen Ritus übernehmen oder entwickeln könnten, der noch nicht das gemeinsame Abendmahl ist, aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal
Dr. Werner Kleine / © Katholische Citykirche Wuppertal
Quelle:
DR