In Gottesdiensten enden alle Corona-Maßnahmen

Kreativität und Achtsamkeit durch Beschränkungen gewachsen

Nach rund drei Jahren enden zum 1. Februar in Nordrhein-Westfalen alle Corona-Maßnahmen in Gottesdiensten. Aber war die Kirche an der ein oder anderen Stelle zu übervorsichtig? Antonius Hamers vom Katholischen Büro zieht Bilanz.

Maskenpflicht: Gottesdienst in Zeiten von Corona / © Julia Steinbrecht (KNA)
Maskenpflicht: Gottesdienst in Zeiten von Corona / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wer sagt, es gibt doch schon seit April letzten Jahres keine Corona-Beschränkungen mehr, der irrt. Manche Pfarrer und Kirchenvorstände haben da ihr Hausrecht durchgesetzt und ihre eigenen Regeln erlassen. War das eigentlich in Ihrem Sinne?

Antonius Hamers, Leiter des Katholischen Büros in Düsseldorf, am 19. Januar 2015 in Mülheim. / © Andreas Otto (KNA)
Antonius Hamers, Leiter des Katholischen Büros in Düsseldorf, am 19. Januar 2015 in Mülheim. / © Andreas Otto ( KNA )

Antonius Hamers (Priester und Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen): Nein, das war es nicht. Das war es jedenfalls dann nicht, wenn es über das hinausgegangen ist, was wir hier auf der Landesebene vereinbart und in den fünf Bistümern abgesprochen haben. Gott sei Dank sind das Ausnahmefälle geblieben.

In der Regel haben sich die meisten Kirchengemeinden an die Vorgaben gehalten, die von der Bistumsseite kamen, die auf nordrhein-westfälischer Ebene abgesprochen waren und die wir hier mit der Staatskanzlei abgesprochen haben.

Wir haben da sehr genau überlegt, welche Regeln sinnvoll sind. Wir haben die Regeln nachgezeichnet, die im öffentlichen Raum galten und insofern konnten diese Regeln absolut verantwortungsbewusst angewandt werden.

DOMRADIO.DE: Wenn sich jetzt immer noch Pfarrer und Kirchenvorstände gegen ihre Vorschläge wenden, kann aber auch das Bistum nichts machen, oder?

Hamers: Das Bistum kann dann schon sehr eindrücklich einfordern, dass diese Regeln abgeschafft werden, weil diese Regeln jetzt keinen Sinn mehr haben. Für die Gläubigen besteht dann die Möglichkeit, in eine andere Kirche zu gehen.

Antonius Hamers

"Ich würde mich jedenfalls nicht mehr mit Maske irgendwo in eine Kirche setzen, zumindest nicht mehr pflichtgemäß"

Wenn das in meiner Heimatgemeinde so wäre, würde ich woanders hingehen. Ich würde mich jedenfalls nicht mehr mit Maske irgendwo in eine Kirche setzen, zumindest nicht mehr pflichtgemäß. Wenn das jemand möchte, wenn jemand meint, dass er sich dann sicherer fühlt, dann soll er das tun. Aber das als generelle Regel für alle vorzugeben, das entbehrt jeder Grundlage.

DOMRADIO.DE: Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn hat damals gesagt als Geschäfte, Schulen, Friseure geschlossen wurden, wir werden einander viel verzeihen müssen. Er hat auch ein Buch dazu geschrieben mit diesem Titel, vielleicht schon damals ahnend, dass es falsche Entscheidungen gibt, zu ängstliche Entscheidungen. Wie denken Sie heute über die Kirchenschließungen, über nicht öffentliche Ostergottesdienste, über nicht öffentliche Christmetten?

Hamers: Es war ein tastendes Vorgehen angesichts der Unsicherheit, vor der wir standen. Etwa als wir uns, die Generalvikare hier, auf der nordrhein-westfälischen Ebene mit der Landesregierung darüber verständigt haben, dass wir auf Gottesdienste verzichten. Das war im März 2020 als die Bundeskanzlerin ihre Ansprache gehalten hat, damals haben wir keine andere Möglichkeit gesehen, als zunächst auch auf Gottesdienste zu verzichten. Das haben wir für genau sechs Wochen getan. Bitter war, das es ausgerechnet die Ostergottesdienste betroffen hat. Das ist alles richtig.

Antonius Hamers (Priester und Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen)

Es gab einige Gemeinden, die es auch da wieder besser wussten. Aber im Grundsatz haben wir durchgehalten, dass wir die ganze Zeit Gottesdienste gefeiert haben.

Aus der heutigen Perspektive heraus kann man natürlich sagen, wenn wir damals Masken gehabt hätten oder gewusst hätten, wie wir uns zu verhalten haben, dann hätten wir damals auch selbstverständlich Gottesdienste feiern können, weil die Infektionszahlen später ja sehr viel höher waren.

Aber aus der damaligen Perspektive heraus war das eine verantwortbare, vielleicht auch sogar die einzig verantwortbare Möglichkeit, die wir ergriffen haben. Wir haben dann auch, als absehbar war, welche Regeln man einhalten kann, wie man sich schützen kann, hier auf der Landesebene unmittelbar mit dafür gesorgt, dass wieder Gottesdienste gefeiert werden können.

Das haben wir dann auch durchgehalten. Es gab einige Gemeinden, die es auch da wieder besser wussten. Aber im Grundsatz haben wir durchgehalten, dass wir die ganze Zeit Gottesdienste gefeiert haben.

DOMRADIO.DE: In Analysen heißt es aber, Corona hätte den Gläubigen gezeigt, dass sie auch ohne Sonntagsgottesdienst ganz gut durch die Woche kommen. Hat Kirche da nicht auch ein bisschen was versäumt? Hätte die Kirche mehr Widerstand zeigen müssen?

Hamers: In der Zeit konnten wir meines Erachtens keinen Widerstand leisten. Danach haben wir uns immer wieder darum bemüht, wie wir verantwortungsvoll Gottesdienst feiern können, wie wir vor allem auch Gottesdienste weiterhin feierlich feiern können und mit der nötigen Würde.

Wir haben zugleich auf die Digitalisierung gesetzt. Wir haben Gottesdienste übertragen, um denjenigen, die krank sind oder die besonders ängstlich sind, die Möglichkeit zu geben auch in ihrer Heimatgemeinde am Gottesdienst teilzunehmen.

Sie haben aber völlig recht, dass einige Leute auf diese Art und Weise sich den Gottesdienstbesuch abgewöhnt haben, dass sie festgestellt haben, zu Hause ist es auch ganz schön. Ich weiß von einigen älteren Leuten, die sagen, wenn ich zu Hause am Fernseher sitze, am Bildschirm, verstehe ich vieles viel besser, als wenn ich in der Kirche sitze. Insofern haben einige Leute da ihre Gottesdienstpraxis umgestellt.

Antonius Hamers (Priester und Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen)

"Wir leiden auch weiterhin darunter, dass viele Menschen einfach nicht mehr kommen (...). Da hat sicherlich die Pandemie wie ein Beschleuniger gewirkt."

Das ist selbstverständlich schade, weil der Gottesdienst natürlich davon lebt, dass wir vor Ort in der Kirche gemeinsam Gottesdienst feiern und dass man auch in einer größeren Gruppe ist.

Aber es ist nun mal so, dass sich das Gottesdienstverhalten insgesamt verändert hat. Wir leiden auch weiterhin darunter, dass viele Menschen einfach nicht mehr kommen und dass es insgesamt ein Trend ist, dass der Gottesdienstbesuch nachlässt. Da hat sicherlich die Pandemie wie ein Beschleuniger gewirkt.

DOMRADIO.DE: Manche Dinge hat die Pandemie aber auch zum Positiven verändert. Die Digitalisierung haben Sie eben schon angesprochen, sie hat einen kräftigen Schub bekommen, Homeoffice wurde gesellschaftsfähig, es gab weniger Verkehr und damit weniger CO2-Ausstoß. Wo sehen Sie im kirchlichen Bereich vielleicht auch etwas Positives?

Hamers: Bei der unglaublichen Kreativität, die in vielen Orten an den Tag gelegt worden ist. Wenn ich alleine an die ganzen Freiluft-Gottesdienste denke, an Formate, an aufsuchende Gottesdienste. Oder wenn ich daran denke, wie es eben auch Unterstützungsleistungen gegeben hat, in denen Menschen sich in den Kirchengemeinden füreinander eingesetzt haben, sowohl auf der caritativen Ebene wie auch auf der liturgischen Ebene. Wie sich darum bemüht worden ist, zum Beispiel die Ostergaben, Osterwasser, Weihwasser oder auch kleine Geschenke zu Menschen zu bringen.

Antonius Hamers (Priester und Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen)

"Kreativität und auch die Achtsamkeit, die in vielen Gemeinden da zum Ausdruck gekommen ist, das würde ich auf jeden Fall als einen großen Vorteil sehen."

Die Kreativität, die da zum Ausdruck gekommen ist, und das Engagement von vielen Leuten, das sehe ich natürlich als einen großen Vorteil.

Ebenfalls ein Vorteil ist, dass in vielen Gemeinden, jedenfalls die Menschen, die sowieso zusammen Gottesdienst feiern, vielleicht auf diese Weise noch mal stärker zusammengerückt sind und vielleicht noch mal ein größeres Interesse füreinander geweckt wurde. Wenn man sich dann gedacht hat, sie ist auch immer mit in die Kirche gekommen, vielleicht kümmere ich mich mal um sie. Vielleicht gehe ich mal hin und schaue danach, was aus der Frau oder dem Mann geworden ist.

Ich glaube, diese Kreativität und auch die Achtsamkeit, die in vielen Gemeinden da zum Ausdruck gekommen ist, das würde ich auf jeden Fall als einen großen Vorteil sehen.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Antonius Hamers

Von der Jurisprudenz gelangte Antonius Hamers zur Theologie und ließ sich zum Priester weihen. Der promovierte Jurist leitet das Katholische Büro Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Gebürtig stammt Antonius Hamers aus dem Sauerland. 

Nach Abitur und Wehrdienst begann er das Studium der Rechtswissenschaften in Köln, welches er in Würzburg fortführte. Sei Referendariat zwischen Erstem und Zweiten Staatsexamen absolvierte Hamers im Freistaat Thüringen, an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und am Europäischen Parlament. 

Pfr. Dr. Antonius Hamers / © Achim Pohl
Pfr. Dr. Antonius Hamers / © Achim Pohl
Quelle:
DR