In Ghana suchen Kinder in Elektroschrott

Der Müll der Cyber-Welt

Auf einem Müllplatz am Rand von Ghanas Hauptstadt Accra zünden zwei Jungen ein großes Bündel mit Computerkabeln an. Dicker Rauch steigt auf, beißender Brandgeruch verbreitet sich. Hunderte Kinder und Jugendliche verbrennen hier täglich den Abfall der Cyber-Gesellschaft - und gefährden ihre Gesundheit dramatisch.

Autor/in:
Uwe Pollmann
 (DR)

"Wir brennen die Kabel ab, um Kupfer zu gewinnen", sagt der 14-jährige Samuel. Danach liest er mit seinem Freund Koame die Kupferreste aus der schwarzen Asche und stopft sie in einen kleinen Eimer.

Hunderte Kinder und Jugendliche verbrennen hier täglich Kabel oder nehmen Bildschirme auseinander, um das Aluminium daraus zu gewinnen. Überall steigen Rauchschwaden auf und ziehen über das Müllgelände, das mit Computergehäusen, Glas und angebrannten Plastik-Resten übersät ist. Niemand trägt einen Mundschutz. Die Kinder stapfen mit Gummilatschen und kurzen Hosen durch den Abfall der Cyber-Gesellschaft. Viele haben Wunden an Armen und Beinen.

"Manche sind 14 Jahre, manche sind auch fünf oder sechs Jahre", sagt Samuel. "Wir brauchen eben Geld für Schule und Kleidung. Deshalb komme ich auch her." Am Ende des Tages liefern die Kinder ihre Ausbeute bei einem Altmaterial-Händler am Müllplatz ab. Der drückt ihnen mal einen Cedi (50 Cents), mal ein paar mehr in die Hand. Wo das Zeug hingehe, wisse er nicht so genau, sagt der Händler. "Ich verkaufe die Metalle an Fabriken im Hafen in Tema. Eine heißt Western irgendwas. Die kaufen die Metalle aus Computern und Fernsehern, schmelzen sie und verkaufen sie wieder."

Früher Lagunenlanschaft, heute biologisch tot
So einige der 30.000 Menschen im naheliegenden Armenviertel Agbogbloshie leben von diesen Geschäften, sagt der ghanaische Umweltaktivist Mike Anane. Seit Jahren macht er auf die Gefahren und Missstände aufmerksam. "Früher", sagt der 46-Jährige, "war das hier eine großflächige Lagunenlandschaft mit einem Fluss, der ein Stück weiter in den Atlantik mündet." Viele Fischer hätten hier ihren Lebensunterhalt verdient, heute sei das Gebiet biologisch tot.

Die einstige Lagune und der Fluss sind überfüllt mit PC-Gehäusen und den Resten anderer elektronischer Geräte. "Darüber hinaus ist die Gesundheit der Menschen bedroht", sagt Anane. Er spricht von Schnittwunden und Krebserkrankungen.

Die Autoren einer Greenpeace-Studie haben kürzlich festgestellt, dass die jungen Menschen hochgiftigen Dämpfen ausgesetzt sind: Umweltschützer fanden auf dem Müllplatz in Accra große Konzentrationen von Blei, Kadmium und chlorierten Dioxinen. Alles krebserregende Stoffe, die das Nervensystem und das Gehirn belasten.

Täglich kommt neuer Elektroschrott nach Ghana
Umweltaktivist Anane beklagt, dass Ghana mit defekten Elektrogeräten aus Industrieländern überhäuft werde. "Da bieten Niederländer oder Deutsche im Hafen ihre in Containern importierten Computer zum Verkauf an. Sie sagen, sie sind getestet und sehr billig. Ghanaische Händler kaufen das, stellen aber oft fest, dass die nicht mehr funktionieren." Und was sie dann nicht mehr gebrauchen können, lassen sie von Kindern und Jugendlichen abholen. Diese schleppen den Elektromüll mit Handwagen kilometerweit zu den Müllhalden in Accra.

Die meisten Geräte kämen aus den USA, Großbritannien, Deutschland oder den Niederlanden, meint Anane und zeigt einige Gehäuse als Beweisstücke. "US Army" oder "United States Government" steht darauf. Manche Behörden habe er auch schon angerufen. Aber da sage man ihm, man sei nicht verantwortlich. "Dabei gibt es doch eine Baseler Konvention, die die Ausfuhr von gefährlichem Müll verbietet", schimpft der Ghanaer. Doch trotz der Konvention von 1989 kommt täglich neuer Elektroschrott nach Ghana.