Geteiltes Echo - Kirchenvertreter begrüßen die Entscheidung

Bewährung für Mohnhaupt

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, die frühere RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt auf Bewährung vorzeitig aus der Haft zu entlassen stößt auf ein geteiltes Echo. Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, die Entscheidung sei "nicht populär, aber sachgerecht". Sie entspreche der "Logik des Rechtsstaates", der bei der Durchsetzung von Sanktionen auch zu den Befristungen stehen müsse, "die Gegenstand eines Urteils gewesen sind". Während Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) die Richter verteidigte, verurteilte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) deren Entscheidung in scharfer Form.

 (DR)

Der rheinische Präses Nikolaus Schneider hat die Entscheidung des Stuttgarter Oberlandesgerichts begrüßt, die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt auf Bewährung aus der Haft zu entlassen. "Menschen dürfen nicht endgültig verurteilt werden", sagte Schneider am Montagabend im WDR. Der Repräsentant der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland betonte, Tätern müsse die Möglichkeit gegeben werden, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren.

Auch die Bischöfin der hannoverschen Landeskirche, Margot Käßmann, hatte die Entscheidung begrüßt. Niemand könne objektiv beurteilen, wann es "ein Genug der Strafe" gebe, sagte sie dem epd. Sie sei dankbar, dass das Strafrecht die Rehabilitation kenne, wenn von den Tätern keine Gefahr mehr ausgehe, sagte Käßmann: "Das ist eine Grundlage unseres Rechtsstaates, die wir schätzen sollten."

Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Ende der Haft gegeben seien, dürfe man im konkreten Fall "keine zusätzlichen Anforderungen nachlegen", sagte Lammert. "Genau hier liegt auch der Unterschied zu einem Begnadigungsverfahren."

Beckstein kritisierte dagegen: "Frau Mohnhaupt ist viel besser weggekommen als manch' anderer Straftäter. Das ist nicht richtig", sagte er. So habe Mohnhaupt nicht zur Aufklärung von Straftaten beigetragen. Deshalb sei die Gerichtsentscheidung für ihn unverständlich.

Beckstein wandte sich auch gegen eine Begnadigung des einstigen RAF-Terroristen Christian Klar. "Wer Gnade will, muss Reue zeigen", sagte der Minister. "Klar muss sich für die Untaten bei den Opfern entschuldigen." Da dies bislang nicht der Fall sei, hoffe er, dass Bundespräsident Horst Köhler dem Gnadengesuch nicht stattgebe.

Auch der SPD-Fraktionsvize Fritz-Rudolf Körper nannte Voraussetzungen für ein erfolgreiches Gnadengesuch Klars. "Er muss sich klar von seinen Taten distanzieren", sagte Körper. Zudem dürfe von Klar keine Gefahr mehr ausgehen.

Für Gehb ist die Freilassung Mohnhaupts eine "Ohrfeige für das Rechtsempfinden der Menschen". Er betonte: "Nach den Buchstaben des Gesetzes ist die Freilassung sicher nicht zu beanstanden. Es bleibt in der Bevölkerung aber ein bitterer Nachgeschmack, wenn eine fünffache Mörderin nach 24 Jahren freikommt." Wenn Mohnhaupt nun von Kerner über Beckmann bis zu Maischberger durch die Talkshows tingele, werde das einen öffentlichen Aufschrei auslösen.

Zypries verteidigte den Richterspruch. Es sei allein den Gerichten überlassen, die Mindestverbüßungsdauer bei lebenslanger Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld festzusetzen, sagte sie und fügte hinzu: "Das halte ich auch für richtig, denn das Gericht kennt den gesamten Sachverhalt am besten und kann deshalb sachgerecht beurteilen, was schuldangemessen ist."

Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hält die Haftentlassung nicht für eine "besondere Gunst": "Frau Mohnhaupt wird nach Recht und Gesetz behandelt, und es ist in dem Sinne auch keine vorzeitige Entlassung, sondern eine Entlassung zu der Zeit, die das Gesetz vorsieht", sagte Baum.

Der Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele befürwortet eine breite Debatte über die Terrororganisation Rote-Armee-Fraktion (RAF). "Nach 30 Jahren sollten wir uns mit dem Geschehen im Deutschen Herbst öffentlich auseinandersetzen", sagte Ströbele. Es gebe viele junge Menschen, die über die damaligen Ereignisse informiert werden wollten und nach Erklärungen suchten. "Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wäre es wichtig und richtig, die vielen offenen Fragen zu klären", unterstrich Ströbele. So seien Anschläge aus den 80er Jahren noch nicht aufgeklärt. Unklar seien auch Vorgänge im Gefängnis Stuttgart-Stammheim. "Dazu können die Verurteilten beitragen", sagte Ströbele.

Auch die Kommentatoren der Zeitungen betonen überwiegend, dass man stolz sein könne auf einen Staat, der nicht Rache übe, sondern auch seinen Feinden gegenüber als Rechtsstaat auftrete. Es gibt aber auch in der Presse negative Stimmen. Hören Sie die domradio Presseschau.

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