Gefängnisseelsorger begrüßen Entwicklung im Fall Mohnhaupt

Der umfassende Horizont der Versöhnung

Die katholischen Gefängnisseelsorger in Deutschland begrüßen die Entwicklung im Fall der früheren RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt. Es sei gut, dass sich die Bundesanwaltschaft so eindeutig positioniert und die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angeregt habe, sagte ihr Vorsitzender Axel Wiesbrock am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) im brandenburgischen Oranienburg.
Strafe sei im deutschen Rechtssystem eben nicht mit Vergeltung gleichzusetzen. Vielmehr gehe es um Sühne und damit um den umfassenden Horizont der Versöhnung.

 (DR)

Mohnhaupt gehörte ebenso wie Christian Klar zur Führungsebene der RAF. Sie war an einer Reihe von mörderischen Attentaten beteiligt, wurde 1982 festgenommen und 1985 zu fünf Mal lebenslänglich und 15 Jahren Haft verurteilt. Vermutlich wird das Oberlandesgericht Stuttgart bis Mitte Februar über die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft entscheiden. Die wichtigste Voraussetzung in diesem Prüfungsverfahren sei, so Wiesbrock, dass kein Rückfall angenommen werden könne. Er sprach sich auch dafür aus, dass Bundespräsident Horst Köhler eine Begnadigung Klars in Erwägung ziehen solle. Der 54-Jährige, der wegen verschiedener tödlicher Anschläge gleichfalls seit 24 Jahren in Haft ist, hat bei Köhler diesen Schritt beantragt. Ein solcher Gnadenakt, so Wiesbrock, bedeute nicht schon Versöhnung, schaffe aber Raum für eine Versöhnung. - Bundesweit gibt es rund 180 katholische Gefängnisseelsorger.

Kritik an Privatisierung
Es sei notwendig, dass sich die Gesellschaft mit dem Gedanken der Reue und Versöhnung auseinandersetze, sagte der Gefängnisseelsorger. Wenn einzelne Politiker heute auf einen strikteren Strafvollzug drängten und eine Abkehr vom Versöhnungsgedanken forderten, gehe das an der menschlichen Dimension vorbei. Das gelte auch für Versuche des Staates, sich durch eine Privatisierung von Haftanstalten - in Hessen gibt es seit gut einem Jahr die erste Einrichtung in privater Hand - dieser notwendigen Aufgaben zu entledigen.

"Es ist Aufgabe des Staates, sich zwischen Täter und Opfer zu stellen und jenen Raum zu ermöglichen, in dem Versöhnung möglich wird", betonte der Gefängnisseelsorger. Wenn Haftanstalten privatisiert würden, führe das über kurz oder lang zu einer deutlichen Vernachlässigung der Bemühungen um Wiedereingliederung in die Gesellschaft. "Eigentlich muss dieser Schritt am ersten Tag nach einer Verurteilung beginnen. Aber unter Verweis auf die Mittelknappheit, die besonders beim Abbau von Personal spürbar ist, wird dieser Bereich immer mehr vernachlässigt." Als richtungsweisend bezeichnete Wiesbrock in diesem Zusammenhang das im Frühjahr 2006 vorgelegte Wort der deutschen Bischöfe zur Gefängnisseelsorge, das den Versöhnungsgedanken betone.

Es widerspreche dem Grundgesetz und der Würde des Menschen, Täter auf immer zu verstoßen, betonte er. Wenn eine Strafe verbüßt und mit Hilfe eines Gutachten festgestellt sei, dass vom Täter keine Gefahr mehr ausgehe, sei die Gesellschaft verpflichtet, die Hand zur Versöhnung zu reichen. Wiesbrock weiter: "Alles andere ist unmenschlich." Gerade die Seelsorger in den Gefängnissen erlebten immer wieder, wie Menschen mit langen Haftstrafen zerbrechen.
"Eine Gesellschaft ist so menschlich oder unmenschlich, wie sie mit Schuldiggewordenen umgeht", mahnte er.

Das bedeute eben nicht, das Leid der Opfer zu vergessen, betonte der Gefängnisseelsorger. Sicher könne eine verfrühte Begnadigung oder eine zu kurze Haftdauer zur Verhöhnung der Opfer führen.
Angesichts der nun 24-jährigen Haft gelte das aber nicht für Mohnhaupt und Klar. Ein Gnadenerweis nach 24 Jahren Haft stelle das Urteil nicht in Frage und widerrufe es nicht, sondern sei ein Akt der Menschlichkeit.