Gemischte Reaktionen von Verbänden auf Entlastungspaket

Weiterhin Luft nach oben

In einer Nachtsitzung hat sich die Ampel-Regierung auf ein neues Paket zur Unterstützung der Menschen angesichts steigender Preise geeinigt. Bei den Verbänden stößt das dritte Paket auf gemischte Reaktionen.

Autor/in:
Paula Konersmann und Sabine Kleyboldt
Symbolbild Energiekosten / © gopixa (shutterstock)

Der Deutsche Caritasverband begrüßte die Einigung der Ampelkoalition: "Die sozialen Folgen der politisch verursachten Gasknappheit werden spürbar abgefedert", erklärte der Verband am Sonntag in Berlin. Solidarität sei das Gebot der Stunde.

Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth (dpa)
Eva Maria Welskop-Deffaa, Caritaspräsidentin / © Philipp von Ditfurth ( dpa )

Wie indes die von der Koalition für den Grundbedarf angekündigte Strompreisbremse gelingen solle, sei indes noch nicht überzeugend dargestellt, sagte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Folgen müsse zudem ein Schutzschirm für soziale Dienstleister. "Es nützt den Familien, die höheres Kindergeld bekommen, nichts, wenn die Kitas schließen müssen, weil sie die Heizkosten nicht mehr finanzieren können."

Einmalzahlungen für Rentner und Studierende

Laut Ampelkoalition soll das Paket ein Gesamtvolumen von 65 Millionen Euro umfassen. Studierende sollen demnach eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro erhalten, Rentnerinnen und Rentner in Höhe von 300 Euro. Mit der Einführung des Bürgergeldes sollen die Sätze für Bedürftige auf 500 Euro angehoben werden. Neben der Wohngeldreform ist zudem eine Erhöhung des Kindergeldes ab Jahresbeginn vorgesehen um monatlich 18 Euro für das erste und zweite Kind. Ein Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket ist ebenfalls geplant.

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Montag), das Paket sei „breit gestreut und wird vielen Menschen Vorteile bringen“. "Enttäuscht" zeigte er sich jedoch, dass der Höchstbetrag des Kinderzuschlags um lediglich 21 Euro steigen soll. Denn die einkommensschwachen Nutznießer gäben einen Großteil ihrer Einnahmen für Lebensmittel aus; hier liege die Inflationsrate nicht bei rund sieben Prozent, sondern doppelt so hoch, kritisierte Hilgers.

Kritik an Leistungen für kinderreiche Familien

Der Verband kinderreicher Familien Deutschland (KRFD) nannte es "absolut unverständlich" und "überaus enttäuschend", dass das Kindergeld nur um je 18 Euro für das erste und zweite Kind erhöht werde und alle weiteren Kinder unberücksichtigt blieben. „Das Ausblenden von kinderreichen Familien ist schlichtweg falsch und verdrängt Mehrkindhaushalte aus der Mitte der Gesellschaft“, hieß es. 

Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz (epd)
Diakonie-Präsident Lilie / © Norbert Neetz ( epd )

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie forderte noch zielgenauere Maßnahmen: "So können wir bei Grundsicherungsbeziehenden nicht bis zum ersten Januar auf erste Entlastungen warten. Es muss klar sein: bei niemandem darf das Licht ausgehen oder die Heizung abgestellt werden."

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen sind nach Worten des Vorstandes der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, beim neuen Paket "vergessen" worden. "So schlagen höhere Löhne, Energiekosten und Inflation ungebremst durch", beklagte er.

Maßnahmen nicht passgenau"

Der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland (ABiD) beklagte, den Maßnahmen fehle es an "Passgenauigkeit und Tiefenwirkung". Menschen mit Behinderungen profitierten kaum, da sie "in der Regel unter dem Grundfreibetrag liegen und nicht steuerpflichtig sind". Auch verkenne das Paket "die Bedürftigkeit und den Mehrbedarf von Personen mit Handicap auf das Schärfste“. 

Nach Einschätzung des Sozialverbandes VdK fehlt neben dem Strom- ein Gaspreisdeckel. Zusätzlich müsse die Kindergrundsicherung "schnell und unbürokratisch" kommen, forderte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Kinderzuschlag und Wohngeld dürften "auf keinen Fall miteinander verrechnet werden".

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, zeigte sich entsetzt darüber, dass der bisherige Hartz-IV-Regelsatz erst zu Jahresbeginn 2023 auf voraussichtlich 500 Euro angehoben werden soll. Dies werde, "wenn überhaupt, gerade die Inflation ausgleichen." 

"Enorm wichtiger Schritt"

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD) sprach sich in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag) für ein "Inflationsgeld" für Menschen mit geringen Einkommen aus.

Das Deutsche Studentenwerk begrüßte die Energiepauschale für Studierende als "enorm wichtigen Schritt". "Studienabbrüche aus Geldmangel kann sich auch unsere Gesellschaft nicht leisten", sagte der Generalsekretär des Studentenwerks, Matthias Anbuhl, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Koalition beschließt drittes Entlastungspaket

Die wichtigsten Entscheidungen des dritten Unterstützungspakets in Höhe von mehr als 65 Milliarden Euro:

Energiepauschale für Rentner und Studierende

Rentnerinnen und Rentner sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Studierende und Auszubildende sollen einmalig 200 Euro erhalten. Für Berufstätige war bereits eine Energiepreispauschale von 300 Euro auf den Weg gebracht worden.

Ampel-Koalition will Strompreis für Basisverbrauch vergünstigen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.), neben Omid Nouripour (l), Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, Saskia Esken (r), Bundesvorsitzende der SPD, sowie Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Bundesminister der Finanzen / © Michael Kappeler (dpa)
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, 2.v.l.), neben Omid Nouripour (l), Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, Saskia Esken (r), Bundesvorsitzende der SPD, sowie Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Bundesminister der Finanzen / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
KNA