Caritas hält Entlastungen beim Tanken für ungerecht

Lieber in den Nahverkehr investieren

Hohe Tankkosten treffen eher Besitzer spritfressender SUVs. Eine Entlastung an der Zapfsäule käme im Verhältnis kaum den ärmeren Kleinwagen-Fahrern zugute, sagt die Caritas und wünscht sich stattdessen den Ausbau des Nahverkehrs.

Zapfpistole an einer Tankstelle / © Sven Hoppe (dpa)
Zapfpistole an einer Tankstelle / © Sven Hoppe ( dpa )

DOMRADIO.DE: Welche Auswirkungen haben die gestiegenen Energiepreise auf kleinere Gehälter Ihrer Erfahrung nach?

Nicola Buskotte (Sprecherin des Bundesprojekts Stromspar-Check der Caritas): Normale Durchschnittsverdiener geben etwa fünf Prozent ihres Gehaltes für Energie aus. Menschen mit wenig Geld, also die, die unterhalb der Pfändungsfreigrenze von ungefähr 1.300 Euro liegen, haben Energiekosten-Ausgaben von fast rund zehn Prozent. Und das sind noch die Zahlen von 2020.

Mehr Straßenbahn, weniger Auto / © Martin Schutt (dpa)
Mehr Straßenbahn, weniger Auto / © Martin Schutt ( dpa )

Ich würde mal vermuten, dass das nach diesem Winter oder nach dem, was an Preissteigerungen sicher noch kommen wird, deutlich mehr sein wird. Es sind also wirklich existenzielle Probleme, denen sich Menschen mit wenig Geld ausgesetzt sehen.

Es geht dann nicht um die Frage, ob man auf 24 oder nur 21 Grad Raumtemperatur heizt, sondern es geht vielleicht sogar darum, ob die Wohnung überhaupt noch ausreichend geheizt ist oder ob man noch kochen kann und die Kinder eine warme Mahlzeit bekommen. Ich finde, das ist schon ein durchaus gravierender Unterschied.

Stromspar-Check

Der Stromspar-Check ist ein kostenfreies Angebot für Bezieher sozialer Leistungen und niedriger Einkommen. Ausgebildete Stromsparhelfer besuchen die Haushalte, tauschen Energiefresser aus und senken so die Energiekosten durchschnittlich um 172 Euro pro Jahr.

Symbolbild Stromkosten / © Bacho (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Finanzminister Christian Lindner hat in dem Zusammenhang einen direkten Zuschuss auf der Tank-Quittung ins Spiel gebracht, die Grünen ein Energiegeld. Was halten Sie, auch im Sinne der kleineren und mittleren Einkommen, für sinnvoll?

Buskotte: Nur die Hälfte der Menschen, die wenig Geld haben, hat überhaupt ein Auto. Deswegen sehe ich nicht, dass man die Leute am schnellsten dadurch entlasten kann, dass man die Spritpreise senkt.

Man könnte stattdessen zum Beispiel überlegen, den öffentlichen Nahverkehr günstiger zu machen. Das würde zumindest den Menschen helfen, die in großen Städten leben.

Mein Ansatz ist einerseits der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und zudem Idee, die Nutzung von Bus und Bahnen für alle Menschen mit wenig Geld erschwinglicher zu machen. Das fände ich ganz charmant. Denn dann fokussiert sich das nicht immer nur auf die Spritpreise. Denn das ist nach meinem Begriff zu kurzfristig und hat eben keine nachhaltige Wirkung.

DOMRADIO.DE: Aber viele Menschen wohnen ja außerhalb der Städte, um hohe Mieten zu vermeiden. Die hätten dann nicht viel davon, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel in der Stadt billiger wären.

Buskotte: Öffentlichen Nahverkehr oder Busse und Bahnen insgesamt auszubauen, ist natürlich auch ein Thema, was sich die neue Koalition zumindest auf die Fahnen geschrieben hat. Dass sich da was verändern muss, ist eindeutig.

Günstig tanken geht anders / © Oliver Berg (dpa)
Günstig tanken geht anders / © Oliver Berg ( dpa )

Aber Menschen mit geringen Einkommen haben sicher auch nicht den SUV, sondern eher ein kleines Auto. Sie verbrauchen nicht so viel wie die großen schweren Wagen, die dann im Zweifelsfall von dieser Idee von Bundesfinanzminister Lindner eben auch profitieren und an der Stelle eigentlich nicht müssten.

DOMRADIO.DE: Es gibt aber zahlreiche Zusatzleistungen für Geringverdiener: einen erhöhten Heizkostenzuschuss für finanzschwache Haushalte. Dann sollen ab Juli Kinder und Jugendliche in Familien, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, 20 Euro mehr im Monat bekommen. Und auch eine 100 Euro-Sonderzahlung soll es geben. Das sieht ja eigentlich schon danach aus, als ob die Regierung die Belange ärmerer Menschen verstanden hat. Oder was meinen Sie?

Nicola Buskotte, Bundesprojekt Stromspar-Check der Caritas

Die Hälfte der ärmeren Menschen hat gar kein Auto.

Buskotte: Ja, das würde ich auch so sehen. Wobei es so ist, dass zum Beispiel der Anteil für Energie, also die Stromkosten, die ja zum Beispiel auch die Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -bezieher selber zahlen müssen, schon seit zehn Jahren nicht ausreichen.

Also dieser Anteil im Regelsatz für Energie war noch nie gedeckt. Da hat es immer eine Lücke gegeben.

Das heißt, das, was jetzt passiert, ist sozusagen nur ein Nachholeffekt. Ich finde es auch ganz interessant, dass diese Summe von 135 auf 370 Euro für einen Singlehaushalt erhöht wird. Je nachdem wie die Preise steigen. Mal gucken, ob da noch mal was draufgelegt wird, weil es ja offenbar nicht ausreicht. Das ist der neuen Regierung sicher klar geworden.

Das Interview führte Michelle Olion.

Quelle:
DR