Gemeinden verharren laut Experten an alten Strukturen

"Man kann das Alte nicht loslassen"

Nach Ansicht des Freiburger Pastoraltheologen Bernhard Spielberg halten viele katholische Pfarreien an alten Strukturen fest, statt sich um tragfähige Konzepte für die Zukunft zu kümmern. So hangele man sich dann von Krise zu Krise.

Eine Dorfkirche in Deutschland / © Fotokon (shutterstock)
Eine Dorfkirche in Deutschland / © Fotokon ( shutterstock )

"Man arbeitet sich in erster Linie an alten Pfarrei- und Pfarrerbildern ab, die nicht mehr funktionieren. Das ist schmerzhaft", sagte er im Interview des Portals katholisch.de (Montag).

Ein frustrierender Teufelskreis entstehe dadurch, dass es oft keine Vision und kein Ziel gebe: "Deswegen hat es das Neue so schwer: Man kann das Alte nicht loslassen, wenn nichts Neues in Sicht ist - und nichts Neues anfangen, weil das Alte noch so bestimmend ist."

Zu viel mit internem Umorganisieren beschäftigt 

Die bisherigen Struktur- und Reformprozesse hätten hier versagt, ergänzte der Theologe. Auch weil sie meist "ein beschwichtigendes Moment" hätten: "Allen Beteiligten wird gleich am Anfang versichert, dass sie erst einmal so weitermachen können wie zuvor, bis dann das nächste Pfarrhaus oder die nächste Kirche aufgegeben werden muss. Man hangelt sich also von Krise zu Krise und verunsichert so die Leute."

Neue Strukturen würden nicht mit Leben gefüllt, und man sei vor allem mit internem Umorganisieren beschäftigt. Das binde unnötig Ressourcen, die dann anderswo fehlten:

"Dabei ständen ganz viele Themen auf der To-Do-Liste: Eine Sprache zu finden, die für Zeitgenossen anschlussfähig ist, soziale Herausforderungen, gute Taufen und Hochzeiten, eine Kirche als Dienstleisterin für Menschen statt als Religionsverwaltungsbehörde."

Raum für unterschiedliche Lebens- und Glaubensformen

Die Kirche der Zukunft müsse ein weiter Raum für ganz unterschiedliche Lebens- und Glaubensformen sein, betonte der Experte. Dazu brauche es aber mehr Kreativität, die auch von oben zugelassen und gefördert werden müsse:

"In manchen Diözesen im Westen und Nordwesten Deutschlands hat man da schon Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammengeholt und lässt sie überlegen."

Hinderlich dabei, so Spielberg, sei eine ausgeprägte Bürokratie: "Durch unsere Kirchensteuer und das Staatskirchenrechtssystem haben wir in den letzten Jahrzehnten staatliche Verwaltungsstrukturen und Mentalitätsmuster in die Kirchen getragen, ohne das zu hinterfragen."

"Kirche von der Wurzel her neu begreifen"

Hoffnung machten ihm viele "Gruppen, Vereine und Verbände, die Kirche von der Wurzel her neu begreifen und neu gestalten wollen und das auch umsetzen", fügte der Theologe hinzu.

"Außerdem gibt es natürlich immer noch die ganze kirchliche Infrastruktur aus sozialen Diensten, Schulen und Beratungsstellen, die für die als Gesellschaft in unserem Land Großartiges leistet."

Vatikan-Instruktion zu Pfarreireformen

Das Dokument "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche" wurde am 20. Juli 2020 vom Vatikan veröffentlicht. Herausgeber ist die Kleruskongregation unter Leitung von Kardinal Beniamino Stella (79); sie ist zuständig für Belange der weltweit 414.000 katholischen Priester sowie für Pfarreien, kirchliche Gebühren und Güterverwaltung.

Vatikan in der Nacht (shutterstock)
Quelle:
KNA