Fuldaer Bischof Algermissen zieht zum 75. Geburtstag Bilanz

"Skandal der Kirchenspaltung aufheben"

Seit 2001 ist Heinz Josef Algermissen Bischof von Fulda. Doch nun naht das Ende seiner Amtszeit, da er an diesem Donnerstag 75 Jahre alt wird. Sein Rücktrittsgesuch liegt bereits beim Papst. Im Interview zieht Algermissen bereits eine Bilanz.

Bischof Heinz Josef Algermissen / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Heinz Josef Algermissen / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Sie feiern an diesem Donnerstag ihren 75. Geburtstag und erreichen damit die Altersgrenze, bei der Bischöfe laut Kirchenrecht dem Papst ihren Amtsverzicht anbieten müssen. Haben Sie Ihr Rücktrittsgesuch schon abgeschickt, und wenn ja, wann?

Bischof Heinz Josef Algermissen (Bischof von Fulda): Das Schreiben liegt schon längere Zeit in Rom beim Heiligen Vater. Abgeschickt habe ich es bereits Mitte September 2017.

KNA: Wann rechnen Sie damit, dass der Papst Ihren Rücktritt annimmt?

Algermissen: Sicher weiß ich nur, dass am Tag meines Geburtstags der Rücktritt nicht angenommen wird. Dann entscheidet der Heilige Vater zeitnah zum Geburtstag den Tag meiner Emeritierung.

KNA: Nach Ihrer Emeritierung kommt es zu einer Sedisvakanz - einer Zeit im Bistum ohne Bischof. Während der Vakanz wird ein Diözesanadministrator die laufenden Geschäfte führen. Diese Zeit hat im Bistum Mainz beim Wechsel von Kardinal Lehmann zu Bischof Kohlgraf 15 Monate gedauert...

Algermissen: Die Wahl des Nachfolgers eines Bischofs ist ein umfangreiches, komplexes Verfahren. Selten geht es schneller als in zehn bis zwölf Monaten.

KNA: Sie haben kürzlich geschrieben, die Abkehr vom Gottesglauben sei zu einer "geistigen Signatur" der Gegenwart geworden. Leben wir in einem Zeitalter der Gottesferne?

Algermissen: Es gibt auf jeden Fall eine starke Entwicklung hin zu einer Kirchenferne. Die kirchliche Sozialisierung ist heute eher die Ausnahme. Es gibt einerseits eine strukturelle Kirchenkrise, weil wir die Tatsache, dass wir keine Volkskirche mehr sind, innerlich noch nicht verkraftet haben. Andererseits ist es auch eine fundamentale Krise des Glaubens an einen Gott, der an unserem eigenen Leben wirklich anteilnehmen möchte, vor dem viele sich aber verschließen. Praktischer Atheismus und Materialismus nehmen zu und fordern uns heraus.

KNA: Hat daran nicht auch die Kirche Mitschuld, die ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, weil sie nach wie vor in Konfessionen gespalten ist?

Algermissen: Ja. Ein Grund für den Unglauben dieser Welt ist sicher, dass die Kirchen nicht eins sind, sondern aufgespalten in Konfessionen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Kirche im Ökumenismusdekret als "Zeichen und Werkzeug für die Einheit der ganzen Menschheit" beschrieben, "denn Christus, der Herr, hat eine einige und einzige Kirche gegründet". Von daher stellt sich die bedrängende Frage, wie die Kirche ihre Sendung wahrnehmen kann, wenn die Christen untereinander nicht eins sind und der Skandal der Kirchenspaltung fortbesteht.

KNA: Mit einer "versöhnten Verschiedenheit" von katholischer Kirche und reformatorischen Kirchen wollen Sie sich nicht abfinden?

Algermissen: Nein, überhaupt nicht. Das kann nur ein Zwischenergebnis sein, bestenfalls eine erste Halbzeit. Aber wenn das das Ende des Spiels wäre, wäre es für mich wie eine Bankrotterklärung.

KNA: Welcher nächste konkrete Schritt zur kirchlichen Einheit wäre notwendig?

Algermissen: Wenn wir nicht eine geistliche Ökumene suchen, also gemeinsames Gebet und mögliche gemeinsame Gottesdienste benachbarter katholischer und evangelischer Gemeinden, wenn wir uns nicht geistlich näherkommen, wird der Weg zur Einheit sehr schwer. Dazu brauchen wir auch das theologische Gespräch über die zentralen Fragen, die noch offen sind.

KNA: Wird der Druck auf die Kirchen, sich zu vereinen, nicht auch durch das immer selbstbewusstere Auftreten des Islam erhöht?

Algermissen: Ja, das Erstarken des Islam in der westlichen Welt wird letztlich zu einer Beschleunigung der ökumenischen Bemühungen führen müssen. Insofern wäre es noch wichtiger, dass wir auf dem Weg zur Einheit vorankommen, die Spaltung überwinden. Es ist ein großes Problem, dass in der Zeit, da der Islam in unserem Land zahlenmäßig viel stärker geworden ist, die Zahl der Christen, die ihren Glauben praktizieren, signifikant abnimmt. Angst vor dem Islam ist vielfach das unbewusste Eingeständnis der eigenen Glaubensschwäche. Dass Muslime uns "überfremden", ist zu einem Teil die Sorge derer, die selbst nicht mehr ihren christlichen Glauben leben.

KNA: Und falls es nicht zur ökumenischen Einigung und zur "vollen sichtbaren Einheit der Kirche" kommen wird, die sie fordern? Was dann?

Algermissen: Es wird dazu kommen. Weil wir diesen Skandal der Aufspaltung in Konfessionen nicht mehr lange durchhalten. Wesentlich wäre es, wenn wir zu einer Erneuerung des Glaubens sowohl in der evangelischen Kirche als auch in unserer katholischen Kirche fänden.

Das Interview führte Norbert Demuth.


Quelle:
KNA