Früherer Ratsvorsitzender Schneider wird 75 Jahre alt

Bodenständiger Theologe mit Eigensinn

An der Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland stand er nur vier Jahre. Doch in dieser Zeit hat der frühere rheinische Präses auch eigene Akzente gesetzt. Jetzt wird Nikolaus Schneider 75 Jahre alt.

Autor/in:
Norbert Zonker
Nikolaus Schneider / ©  Autor: Fritz Stark (epd)
Nikolaus Schneider / © Autor: Fritz Stark ( epd )

Der Rheinländer Nikolaus Schneider gilt nicht als Kind von Traurigkeit. Dass er sich in den Jahren seines Ruhestands ausgerechnet intensiv mit Fragen des assistierten Suizids beschäftigen würde, hätte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wohl selbst nicht erwartet.

Doch die Krebserkrankung seiner Frau Anne, die ihn 2014 zum überraschenden Rückzug aus dem Amt motivierte, stieß ihn auch auf das Thema, das er mit seiner genesenen Gattin dann in Talkshows und in Buchform diskutierte. Am 3. September wird der frühere rheinische Präses 75 Jahre alt.

Er blieb immer Pfarrer

Ausgangspunkt für viele Diskussionen war Schneiders Aussage, dass er entgegen seiner eigenen Überzeugung seine Frau unter Umständen zu einer Suizid-Hilfe in die Schweiz begleiten würde - was beiden durch eine erfolgreiche Therapie erspart blieb. Von seiner früheren strikten Ablehnung einer Suizidassistenz rückte er in jüngeren Äußerungen ab. Auch innerhalb der EKD ist die Debatte weitergegangen, ohne dass es bisher eine einheitliche Position gibt.

Für Schneider waren auch in anderen Punkten die jeweiligen Beschlusslagen im Rat der EKD nicht immer bindend, etwa in der Diskussion über die Präimplantationsdiagnostik (PID) - so viel Freiheit nahm er sich, wenn es um die Seelsorge ging.

Kardinal Marx und Nikolaus Schneider (KNA)
Kardinal Marx und Nikolaus Schneider / ( KNA )

Charakteristisch für ihn sind sein Blick auf das konkrete Leben statt auf die abstrakte Norm und seine Zuwendung zu den einzelnen Menschen.

In seinen leitenden Ämtern - als Superintendent des Kirchenkreises Moers seit 1987, als Vizepräses (seit 1997) und schließlich als Präses (seit 2003) der Evangelischen Kirche im Rheinland - blieb er immer Pfarrer. Bereits auf seiner 1977 angetretenen ersten Gemeindepfarrstelle in Duisburg-Rheinhausen erwarb er sich überregionale Bekanntheit und das Image eines sozialpolitisch engagierten Geistlichen. Der Kampf an der Seite der Belegschaft um den Erhalt der dortigen Hütte hat ihn nach Einschätzung vieler Weggefährten geprägt.

Doch der in Duisburg aufgewachsene Sohn eines Stahlarbeiters ist auch ein solider Theologe, der in Wuppertal, Göttingen und Münster studiert hat. Seine Positionen - etwa zum Verbot einer christlichen Judenmission - formulierte er pointiert, aber ohne verletzende Schärfe.

Engagiert in Sachen Ökumene

Seine letzten Amtsjahre hatte Schneider sich ruhiger vorgestellt. Dass ihm 2010 der Ratsvorsitz nach dem überraschenden Rücktritt von Margot Käßmann praktisch zwangsläufig zufiel, war in seiner Lebensplanung nicht vorgesehen. Doch er griff beherzt zu und führte das Schiff der EKD wieder in ruhigere Gewässer.

In der Ökumene trat Schneider verbindlich und diplomatisch auf und suchte das Gemeinsame. Persönlich setzte er sich dafür ein, dass Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschlandbesuch 2011 in das Augustinerkloster in Erfurt als für den Reformator Martin Luther prägenden Ort kam. Er steht für eine "Ökumene der Gaben", bei der die unterschiedlichen Kirchen ihre jeweiligen Stärken in die Christenheit einbringen und voneinander lernen sollen. Zwei in seiner Amtszeit veröffentlichten Texte des Rates der EKD - eine "Orientierungshilfe" zum Thema Familie und ein "Grundlagentext" zum Reformationsgedenken 2017 - führten allerdings auch zu ökumenischen Irritationen.

Logo des Deutschen Fußball-Bundes vor der DFB-Zentrale / © Frank Rumpenhorst (dpa)
Logo des Deutschen Fußball-Bundes vor der DFB-Zentrale / © Frank Rumpenhorst ( dpa )

Schneiders rheinische Kirche hatte ihren Reformprozess unter das Motto "missionarisch Volkskirche sein" gestellt - eine Formulierung, die auch ein persönliches Anliegen Schneiders zum Ausdruck bringt: "Mission bewahrt die Volkskirche vor Unverbindlichkeit - Volkskirche bewahrt die Mission vor Enge und Realitätsverlust", brachte er es einmal auf den Punkt. In seiner Person bringt Schneider diese beiden Pole zusammen.

Das zeigt auch ein Ehrenamt, das er von 2016 bis 2021 ausübte und das sicher nicht für alle ehemaligen Leitenden Geistlichen in Frage käme - als Mitglied und zeitweise Vorsitzender der Ethik-Kommission des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). In seiner Jugend hatte Schneider als Torwart beim VfL Hüttenheim in Duisburg zwischen den Pfosten gestanden. Für Spitzenämter in beiden Bereichen sah er eine Gemeinsamkeit: "Sie müssen vieles zusammenführen, das manchmal nur bedingt zusammenpasst."

Evangelische Kirche in Deutschland (EKD)

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die Gemeinschaft der 20 evangelischen Landeskirchen in der Bundesrepublik. Wichtigste Leitungsgremien sind die EKD-Synode mit ihren Mitgliedern, die Kirchenkonferenz mit Vertretern der Landeskirchen sowie der aus ehrenamtlichen Mitgliedern bestehende Rat. Sitz des EKD-Kirchenamtes ist Hannover.

Synode der EKD / © Norbert Neetz (epd)
Synode der EKD / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
KNA