Nikolaus Schneider will WM in Katar nicht anschauen

"Fußball ist geldabhängig und korrupt"

Katar steht massiv in der Kritik wegen Verletzungen der Menschenrechte. Seit Langem wird gefordert, die Fußball-WM dort nicht stattfinden zu lassen. Könnte die Unterstützung Katars für die Taliban das Fass zum Überlaufen bringen?

Logo der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar 2022 in Doha / © Nikku (dpa)
Logo der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar 2022 in Doha / © Nikku ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Kritik an der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft in Katar ist ja nicht neu, seit Jahren wird Katar wegen Menschenrechtsverletzungen und vielen Todesopfern auf den WM-Baustellen heftig kritisiert. Hinzu kommt jetzt seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan auch die Kritik an deren Unterstützung durch Katar. Ist es der FIFA egal, was Katar vorgeworfen wird? Wird die WM dort trotzdem stattfinden?

Nikolaus Schneider (früherer Vorsitzender der Ethik-Kommission des Deutschen Fußballbundes und bis 2014 Ratsvorsitzender der EKD): Ich fürchte, dass die WM in Katar stattfinden wird, weil die FIFA da gar nicht mehr herauskommt. In der Tat bin ich der Meinung, dass die Vergabe der WM nach Katar nicht nur unglücklich sondern eigentlich unmöglich war. Wir wissen ja, dass die Spiele doch mehr oder weniger gekauft waren. Das ist wirklich ein durch und durch korrupter Vorgang.

Dann kennen wir die Probleme mit den Menschenrechten, den Arbeitsbedingungen in Katar. Dass Katar immer eine etwas doppelte Rolle gespielt hat, wissen wir auch. Die im Nahen Osten größte Militärbasis der USA ist auch in Katar. Aber Katar hat auch immer gute Verbindungen nach Iran gehalten. Und die Taliban konnten ein Büro in Doha haben. Die Kataris unterstützen auch die Fatah, eine Terrororganisation, und haben wohl auch den islamischen Terror lange finanziert. Also zwielichtig war die Rolle von Katar immer.

Dorthin eine WM zu vergeben, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Das kann man nicht machen. In Bezug auf den Flug des Talibanführers Mullah Abdul Ghani Baradar mit einer katarischen Militärmaschine zurück nach Kabul bin ich mir nicht ganz so sicher, wie scharf man das verurteilen kann. Denn offensichtlich haben die Amerikaner ja die Kataris ermutigt und ermuntert, diese Gesprächsmöglichkeit mit den Taliban zu eröffnen. Sie leisten offensichtlich für die USA damit auch eine gewisse Amtshilfe.

Also ich durchschaue es nicht genug, um es wirklich mit Anlauf verurteilen zu können. Es könnte durchaus sein, dass das Amtshilfe für die Amerikaner oder im weitesten Sinne für den Westen war. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht zynisch werden und Dinge verurteilen, die wir selber angestoßen haben.

DOMRADIO.DE: In Deutschland wird es von Annalena Baerbock oder Armin Laschet kritisiert. Die haben sich ja beide schon gegen die WM in Katar ausgesprochen, aber auch gesagt, am Ende entscheide das nicht die Politik, sondern die FIFA. Oder könnte das vielleicht noch jemand verhindern?

Schneider: Es entscheiden die vielen Geldgeber, Sponsoren und das viele Geld aus Katar, das ja im Fußball eine entscheidende Rolle spielt, wie man beim Fußballklub Paris Saint-Germain sehen kann. Eigentlich ist zu beklagen, dass der Fußball derart geldabhängig geworden ist und auf Geld in dieser Weise fast durchgehend korrupt reagiert. Insofern ist eine Verhinderung der WM so gut wie ausgeschlossen. Das wird nach Katar gehen. Das muss man einfach ganz nüchtern so sehen, weil der Fußball am Ende aufs Geld reagiert.

Was mich viel mehr erschüttert hat, waren die wohl ernsthaften Überlegungen des DFB, Qatar Airways als Sponsor zu gewinnen. Das geht gar nicht.

DOMRADIO.DE: Da kann man als Zuschauer oder Zuschauerin ja eigentlich gar nicht die WM entspannt gucken. Oder wollen wir alle nur Fußball gucken und es ist uns egal, was in Katar passiert?

Schneider: Ich finde, es kann uns nicht egal sein und es kann den Verantwortlichen im Fußball auch nicht egal sein. Man hat auch eine Verantwortung dafür, einen Menschen, also auch Geldgeber auszusuchen, deren Geld man guten Gewissens annehmen kann. Kann man denn nach dem Motto gehen: Hauptsache es fließt Geld? Da hat der Fußball eine große Verantwortung. Wir alle haben als Einzelne auch eine Verantwortung. Für mich persönlich bedeutet das etwa, auch wenn ich ein ganz engagierter Fußballfan bin, dass ich diese WM mir nicht angucken werde.

DOMRADIO.DE: Das sollte dann jeder für sich selbst entscheiden, ob er sich das noch angucken kann, wenn er all das nicht unterstützen will?

Schneider: Ganz genau, das soll jeder für sich entscheiden. Ich will auch keinen moralisierenden Druck machen. Ich will nur sagen, ich für mich habe das so entschieden, und man muss respektieren, wenn andere anders entscheiden. Aber diese Frage sollte sich auf jeden Fall jeder Fußballfan in Deutschland stellen.

Das Interview führte Florian Helbig.


Nikolaus Schneider / © Norbert Neetz (epd)
Nikolaus Schneider / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
DR