Früherer DBK-Vorsitzender Robert Zollitsch wird 85

Versagen im Umgang mit Missbrauch überschattet sein Wirken

Die Aufarbeitung von Robert Zollitschs Verantwortung im Missbrauchsskandal kam spät, dafür aber mit voller Wucht. Seit dem Bericht geraten Verdienste des Alterzbischofs in den Hintergrund. Nun wird er 85 Jahre alt.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Robert Zollitsch, emeritierter Erzbischof von Freiburg / © Harald Oppitz (KNA)
Robert Zollitsch, emeritierter Erzbischof von Freiburg / © Harald Oppitz ( KNA )

Sein Porträt in der Bistumszentrale ist abgehängt, die staatlichen Orden hat der frühere Bischofskonferenz-Vorsitzend zurückgegeben, und als erster Freiburger Erzbischof seit Jahrzehnten wird Robert Zollitsch nicht im Münster beigesetzt werden.

Sein Lebenswerk, seine steile Kirchenkarriere und seine Verdienste als Vorsitzender der Bischofskonferenz sind zu seinem 85. Geburtstag am 9. August nur noch Randnotizen. Zu schwer wiegen sein Versagen im Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt durch Priester, seine Vertuschungsstrategien und der Schutz der Täter.

Freiburger Münster / © RossHelen (shutterstock)

Vielfacher Rechtsbruch

Im Detail offengelegt ist Zollitschs Handeln im Bericht zu Missbrauch und Vertuschung im Erzbistum Freiburg, den Experten nach jahrelangen Recherchen im Frühjahr veröffentlichten. Die Dokumentation wirft dem langjährigen Freiburger Erzbischof vielfachen Rechtsbruch vor. So habe er es bewusst unterlassen, kirchliche Strafprozesse gegen Täter einzuleiten.

Am schwersten wiegt der Vorwurf, dass Zollitsch weitere sexualisierte Gewalt und Missbrauch erst ermöglicht habe. Indem er Beschuldigte oder Überführte nicht stoppte. Und stattdessen stillschweigend in andere Kirchengemeinden versetzte, wo erneut Minderjährige zu Opfern wurden. Den Betroffenen hörte Zollitsch nicht zu, sie fanden bei ihm keine Hilfen oder Unterstützung.

Entschuldigung nach langem Schweigen

Nach langem Schweigen hatte sich Zollitsch Ende 2022 in einer Video-Erklärung an die Opfer gewandt. Er räumte schwere Fehler und moralische Schuld ein, ging aber nicht auf konkrete Fälle ein. Er habe das Ausmaß von Missbrauch und Leid unterschätzt. Daher bat er um Verzeihung – und fügte an, dass er wisse, keine Annahme dieser Entschuldigung erwarten zu können.

Eigentlich waren das klare Worte. Aber der Schluss des Videos verhinderte, dass die Öffentlichkeit das Schuldeingeständnis würdigte. Denn darin beschreibt sich Zollitsch als Aufklärer, der auch gegen Widerstände die Aufarbeitung voran gebracht habe – auch im Kontakt mit dem Vatikan. Der Missbrauchsbericht dokumentiert aber, dass er als Bischofskonferenz-Vorsitzender Regeln ignorierte – und beispielsweise dem Vatikan fast keine Täter meldete.

Zurückgezogenes Leben

Nach der Emeritierung als Erzbischof 2014 lebte Zollitsch zurückgezogen in seiner Wohnung hinter dem Münster. Offizielle Termine nahm er nicht mehr wahr. Vor wenigen Monaten zog Zollitsch dann in ein betreutes Wohnen nach Mannheim, in die Stadt, in der er einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte.

Robert Zollitsch, emeritierter Erzbischof von Freiburg / © Harald Oppitz (KNA)
Robert Zollitsch, emeritierter Erzbischof von Freiburg / © Harald Oppitz ( KNA )

Geboren am 9. August 1938 in Filipovo im ehemaligen Jugoslawien, musste Zollitsch als Kind zusehen, wie Tito-Partisanen im November 1944 seinen Bruder und 200 weitere Dorfbewohner ermordeten. "Ich habe die schlimmen Erfahrungen von Krieg, Flucht und Vertreibung machen müssen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn bewaffnete Soldaten Mütter mit ihren Kindern zwingen wollen, auf einen Lastwagen zu steigen, um ins Lager deportiert zu werden. Und ich weiß auch, was es bedeutet, sich in fremder Umgebung eine neue Existenz aufbauen zu müssen", berichtete er einmal.

Sinnvolles Leben im Glauben 

Mit seinen Eltern floh Zollitsch nach Mannheim und dachte nach dem Abitur zunächst über ein Literatur- oder Geschichtsstudium nach. Die Berufung zum Priester war aber stärker. "Ich wollte anderen Menschen helfen, im Glauben ein sinnvolles Leben zu führen", sagte er rückblickend. Seiner Liebe zur Literatur, etwa zu Heinrich Böll und Günther Grass, blieb Zollitsch treu.

20 Jahre lang war Zollitsch Personalchef des Erzbistums Freiburg. Effizient organisierte er die Seelsorge. 2003, mit 64, wurde erüberraschend zum Bischof ernannt. Auch als Chef des Erzbistums erarbeitete er sich rasch einen guten Ruf als Organisator, der über die Bistumsgrenzen hinaus wirkte: Zollitsch übernahm den Posten des Finanzchefs im Verband der Diözesen (VDD), der bundesweit die gemeinsamen Gelder der Diözesen verwaltet.

Papst Benedikt XVI. und Erzbischof Robert Zollitsch (KNA)
Papst Benedikt XVI. und Erzbischof Robert Zollitsch / ( KNA )

Große Ausstrahlungskraft

2008 wählten ihn die Bischöfe zum Vorsitzenden ihrer Konferenz, nachdem Kardinal Karl Lehmann – auch er zuletzt wegen Vertuschung von Missbrauch scharf kritisiert – aus gesundheitlichen Gründen von dem Amt zurückgetreten war. Eine Rolle mit großer öffentlicher Ausstrahlungskraft.

Zollitsch kämpfte darum, christliche Werte als Grundlage gesellschaftspolitischer Entscheidungen zu wahren. "Christen dürfen sich nicht verstecken, sondern müssen die Gesellschaft mitgestalten. Antworten geben auf drängende Fragen wie jene nach der Bewahrung der Schöpfung oder der wachsenden sozialen Ungleichheit." Als Höhepunkt seiner kirchlichen Laufbahn beschrieb er den Besuch von Papst Benedikt XVI. 2011 in Freiburg.

Damals zeigte sich die Kirche noch einmal im strahlenden Licht – etwa beim Abschlussgottesdienst mit Zehntausenden. Seitdem haben sich Bild, Auftreten und Bedeutung der katholischen Kirche in Deutschland dramatisch verändert. So wie auch das öffentliche Bild Zollitschs.

Missbrauchsstudie im Erzbistum Freiburg

Die Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten im Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben: "Sie wurden allein gelassen."

Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )
Quelle:
KNA