Friedensimpuls von Abt Nikodemus

Trost vom Jerusalemer Zionsberg

Aktuell ist in Jerusalem viel von Stärke die Rede – ein Aufstehen gegen Angst und Bedrohung. Abt Nikodemus fragt sich, was mit den Menschen ist, die müde sind und keine Kraft mehr haben? Ist es vor Gott erlaubt, schwach zu sein?

 © Abt Nikodemus Schnabel (DR)
© Abt Nikodemus Schnabel ( DR )

Grüß Gott vom Benedikts-Altar vom Jerusalemer Zionsberg!

Wir sind gerade in den Tagen zwischen dem jüdischen Neujahr und dem Versöhnungstag. Das ist eine Zeit, in der Juden noch mal ihr Gebetsleben intensivieren. Man merkt: Seit dem Krieg ist das fast ein partyähnliches Feiern. Eine Art Protest nach dem Motto: "Ihr bekommt uns nicht klein. Wir sind stark mit unserem Gott. Wir hauen jetzt noch mal ordentlich auf die Pauke." Das ist sicher eine legitime Möglichkeit. 

Ich gebe zu: Ich erwische mich selbst immer mehr dabei, müde und erschöpft zu sein, weil ich glaube, auf beiden Seiten gibt es genau dieses "Sei stark! Jetzt aufstehen, sich nicht kleinmachen lassen." Ich denke, wie viele Menschen hören das in Gaza? Wie viele Menschen hören das in Israel? Wie viele Menschen der Westbank? Ich glaube, wahrscheinlich die am häufigsten gesagte Parole derzeit ist: "Stark sein. Aufstehen." 

Und dann denke ich: Was ist mit den Menschen, die einfach erschöpft, müde und schwach sind? Denjenigen, denen die Energie zum Kampf fehlt, die einfach Geborgenheit und Frieden suchen? Denjenigen, die einfach schwach sind vor Gott? Und ich kann Ihnen sagen, mir ist in diesen letzten Monaten so wichtig geworden, dass ich gerade auch in meiner Funktion als Abt schwach sein darf. Und das genau in dieser Kirche, die auf unserem Eingangsmosaik die Arche Noah zeigt – diesen Schutzkasten. 

Dankbar, müde sein zu dürfen

Ich erlebe Jerusalem wie einen Ozean von Leid, einen Ozean von Lautstärke und Schmerz. Ich bin dankbar für diesen Ort, wo ich im Gebet in den Psalmen mit meinen Brüdern schwach, erschöpft und müde sein darf vor meinem Gott, der mich aufrichtet. Bei dem ich keine Maske tragen muss und bei dem ich nicht stark sein muss.

Ich frage Sie: Erlauben Sie sich auch manchmal, schwach zu sein? Was sind Ihre Orte? Oder vielleicht Ihre Menschen, bei denen Sie schwach sein dürfen? 

Ich wünsche Ihnen viel Trost hier vom Jerusalemer Zionsberg,

Ihr Abt Nikodemus

Quelle:
DR

Die domradio- und Medienstiftung

Unterstützen Sie lebendigen katholischen Journalismus!

Mit Ihrer Spende können wir christlichen Werten eine Stimme geben, damit sie auch in einer säkulareren Gesellschaft gehört werden können. Neben journalistischen Projekten fördern wir Gottesdienstübertragungen und bauen über unsere Kanäle eine christliche Community auf. Unterstützen Sie DOMRADIO.DE und helfen Sie uns, hochwertigen und lebendigen katholischen Journalismus für alle zugänglich zu machen!

Hier geht es zur Stiftung!