Ich melde mich heute aus unserem Schutzraum in Tabgha am See Genezareth. Momentan, ganz ehrlich, beschäftigen uns Christen im Heiligen Land natürlich sehr stark Gaza und unsere Glaubensgeschwister dort. Aber ich möchte mit Ihnen mal einen Monat zurückgehen. Da war dieser Raum für uns ganz wichtig: im iranisch-israelischen Krieg. Wir haben unseren großen Schutzraum für sehr viele Menschen geöffnet, die hier in Tabgha vorbeigekommen sind. Wir sind hier gut ausgestattet und haben wirklich genügend Platz.
Es gibt einen Namen. Ich weiß nicht, ob er ihnen etwas sagt: Leah Mosquera. Wahrscheinlich nicht. Ihr Spitzname ist "Ate Leah". Sie ist eine Glaubensschwester, eine Philippina, eine Katholikin, die mit 49 Jahren jetzt ihren Verletzungen erlegen ist. Leah Mosquera ist eine dieser Personen, die unter dem Radar laufen, der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Durch den iranisch-israelischen Krieg gab es Tote im Iran wie in Israel. Und eine der 30 Getöteten ist eben Leah Mosquera. Sie wurde am 15. Juni durch eine Rakete getroffen, ins Krankenhaus eingeliefert und ist dann schließlich am 13. Juli ihren Verletzungen erlegen.
Es sind diese Schicksale, die mich so berühren, weil wir sehen, dass es Menschen sind, die hier leiden und sterben. Ich mache mir auch nichts vor: Wenn meinen Mitbrüdern oder mir etwas passieren würde, das wäre in allen Nachrichten. Und dann gibt es die Menschen, wo keiner Notiz von nimmt, die ohne die Augen der Öffentlichkeit getötet werden, sterben.
Deswegen bitte ich Sie jetzt um Ihre Aufmerksamkeit. Schauen Sie immer dorthin, wo der öffentliche Fokus hingeht oder auch auf die Biografien der Menschen, die scheinbar unwichtig sind? Die, die im öffentlichen Raum saubermachen, die die Hotelbetten machen, die in den Restaurants an der Spülmaschine stehen, die sich um Alte und Kranke kümmern. Ich lade Sie ein, neu unsere Mitmenschen zu entdecken.
Ihr Abt Nikodemus aus Tabgha.