Ich bin dankbar, dass wir in unserem Atrium einen Brunnen haben und einen Ölbaum, der wieder ausschlägt. Es ist ein kleines Paradies. Wer von Ihnen schon mal als Pilgerin oder Pilger in Tabgha war, kennt diesen Atriumsbereich. Leider ist er vor 10 Jahren ganz anders gewesen.
Es war ein unfassbar starker Qualmgeruch und alles hier, der Laden und die Pforte, alles ist abgebrannt. Wie durch ein Wunder hat unsere Kirche keine Flammen gefangen. Ein Teil unseres Kloster war ein Brandinferno. Den 18. Juni 2015 werden wir als Gemeinschaft alle nicht vergessen. Wir haben sogar einen Gedenkstein, der daran erinnert: Inmitten des Feuers bekennen wir das Licht.
Es waren damals nationalreligiöse jüdische Extremisten, die diesen Brandanschlag verübt haben. In den Tagen danach kamen sehr viele Menschen, religiöse Menschen, vor allem auch Menschen jüdischen Glaubens, die gesagt haben: Nein, unsere Religion lehrt etwas anderes. Sie haben mit uns gebetet. Aus dieser Zeit sind ganz viele tragfähige Freundschaften bis heute entstanden – mit gläubigen Menschen: Juden, Muslime, Christen, Drusen. Es war ein einschneidendes Datum.
Wenn Sie bei uns über das Kloster schauen, liegt dort der Berg der Seligpreisungen. Dort soll Jesus gesagt haben: "Liebt eure Feinde, betet für die, die euch verfolgen." (Mt 5,44).
Wir standen damals vor zehn Jahren vor der Frage, wie wir auf diese unfassbare Hass-Attacke gegen uns reagieren. Eines war klar, sicher nicht mit Vergeltung, Gegenhass, mit Verhärtung, sondern wir wollen versuchen, soweit uns das menschlich möglich ist, ernst zu nehmen, was Jesus von Nazareth hier ein paar Meter von uns verkündet hat.
Deswegen frage ich Sie: Was bedeutet Glaube und Religion für Sie? Gruppenzugehörigkeit? Gemeinschaftsgefühl? Das zu sagen, was man halt so sagt? Oder haben sie auch Mut, Jesus von Nazareth ernst zu nehmen mit seiner Botschaft, die auch heute gilt? Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen. Ich wünsche Ihnen Mut dazu.
Ihr Abt Nikodemus aus Tabgha