Als Kustos der Franziskaner, die seit über 800 Jahren im Auftrag des Papstes die Hüter der Heiligen Stätten im Heiligen Land sind, hatte Francesco Patton (61) zwar nicht den Rang eines Bischofs oder gar eines Kardinals. Aber er war - neben dem Lateinischen Patriarchen - neun Jahre lang einflussreicher Leiter der zweiten Kirchenstruktur in der Region, der Kustodie von Jerusalem. Im Juni ist Pattons Amtszeit abgelaufen.
Er verlässt die Heilige Stadt, bleibt aber im Heiligen Land und wechselt an eine andere symbolträchtige Stätte der Religionsgeschichte: auf den Berg Nebo in Jordanien. An einen Ort, der für Christen, Juden und Muslime heilig ist.
Der "Glaubensrichtungen vereint und zu einem Ort der Begegnung und Hoffnung werden kann", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Und der zeige, wo interreligiöser Dialog und Koexistenz möglich sind.
Blick auf Totes Meer und Jordangraben
Vom Berg Nebo aus, steil über dem Jordangraben, hatte Moses laut Bibel nach dem Auszug aus Ägypten und 40 Jahren Wüstenwanderung auf das gelobte Land geschaut, es aber nicht betreten dürfen, und war dort gestorben. Nicht von ungefähr haben alle vier Päpste, die das Heilige Land besuchten, ihre Pilgerfahrt an dieser Moses-Stätte begonnen: 1.100 Meter über Totem Meer und Jordangraben, mit Blick auf das gerade 50 Kilometer entfernte Jerusalem, reflektierten sie über die Anfänge der Heilsgeschichte und die Bundeszusagen Gottes.
Francesco Patton, im norditalienischen Trient geboren, hat die Jerusalemer Kustodie mit ihren rund 250 Ordensleuten und mit Einrichtungen in Israel, den palästinensischen Gebieten, dem Libanon, Syrien, Jordanien, Zypern und Rhodos durch eine schwierige Zeit manövriert. Da waren der Krieg in Syrien 2015, die Corona-Pandemie und schließlich der 7. Oktober 2023 und die folgenden Konflikte im Gazastreifen, im Libanon und der Machtwechsel in der syrischen Hauptstadt Damaskus.
In einem Rückblick der Kustodie äußerte er sich tief bewegt von der Treue der beiden Mönche, die ohne Rücksicht auf ihr Leben im Orontes-Tal blieben, als der Islamische Staat und Al-Qaida die Region überrannt hatten.
Bildung als Investition in die Zukunft
Aber Patton war auch beeindruckt, wie wichtig die heiligen Stätten für Christen sind, die sie vielleicht nur einmal im Leben besuchen können. Er erinnerte an einen Brasilianer, der 15 Jahre lang Geld sparte, nur um Nazareth, Bethlehem und das Heilige Grab zu besuchen. Oder an einen Christen aus Syrien, der das Grab besuchte und vor Rührung in Tränen ausbrach. Hohe Bedeutung hätten für ihn auch die Schulen, die sein Orden in der Region unterhält, betonte der ehemalige Kustos. Ihre Offenheit sei "ein kleines Zeichen für eine mögliche Zukunft", weil dort Menschen zum Zusammenleben zwischen verschiedenen Ethnien, Kulturen und Religionen erzogen würden.
Mit seiner neuen Aufgabe bleibt Patto dem Heiligen Land verbunden, ist aber durch die Grenze zu Jordanien von der Zentrale getrennt. "Für mich ist der Umzug von Jerusalem an diesen Ort ein Übergang vom Herzen des Heiligen Landes, wo das Evangelium begann, zu einem Ort, der das Ende einer langen Reise und die Vision von Gottes Verheißung darstellt", betonte er gegenüber der KNA. "Es ist ein Wechsel, der eine neue Dimension des Gebets, der Besinnung und des Dienstes mit sich bringt."
Hoffnung auf Frieden
Künftig will Pater Francesco als einfacher Mönch mit den Brüdern der kleinen Franziskanergemeinschaft auf dem Nebo bei der Verwaltung des Heiligtums und der archäologischen Stätte zusammenarbeiten. Dazu gehöre die Aufnahme von Pilgern und Besuchern, die Feier der Liturgie, die Bewahrung des archäologischen Erbes und die Förderung der Stätte als Ort der Spiritualität.
Außerhalb des Klosters will der ehemalige Kustos im Moment keine Aufgabe etwa in der Kirche Jordaniens übernehmen. Aber er werde sich selbstverständlich weiterhin für Frieden und Versöhnung in der Region einsetzen. "Unsere franziskanische Arbeit ist, wo immer wir sind, untrennbar mit der Mission des Friedens und des Dialogs verbunden. Insbesondere der Berg Nebo ist ein Ort, der Glaubensrichtungen vereint". Aus dieser Perspektive wolle er weiterhin dazu beitragen, "eine Botschaft des Friedens zu verbreiten, die im Nahen Osten notwendiger ist denn je".