In Frankfurt beginnt die 60. Buchmesse

Zum Auftakt Türkei-Kritik

Zum Auftakt der 60. Frankfurter Buchmesse haben Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk mangelnde Meinungsfreiheit in der Türkei beklagt. Bei der Eröffnung am Dienstag forderte Steinmeier Gesetzesänderungen und einen Mentalitätswechsel in der Türkei.

 (DR)

Die Stärkung der Meinungsfreiheit sei ein Kriterium für den Beitritt des Landes zur EU. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül erklärte, die Türkei habe diese Anforderung fast schon erfüllt.

Die Türkei ist in diesem Jahr Gastland der Buchmesse. Bis Sonntag präsentieren in Frankfurt rund 7.400 Aussteller aus 100 Ländern etwa 400.000 Titel. Aus dem Gastland sind 150 Verlagen vertraten, 400 Veranstaltungen zur Türkei finden statt.

Steinmeier sagte, auf dem Weg in die EU habe die Türkei «noch ein Stück des Weges vor sich». «Entscheidend ist, dass wir die Türkei dabei unterstützen.» Zugleich betonte er, das Land entwickele sich derzeit zu einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft.

Literaturnobelpreisträger Pamuk kritisierte, dass der türkische Staat weiterhin Bücher verbiete und Schriftsteller bestrafe.
«Aufgrund des Paragraphen 301 des türkischen Strafrechts, mit dem man Schriftsteller wie mich einzuschüchtern versucht, werden Hunderte von Schriftstellern und Journalisten gerichtlich belangt und verurteilt», sagte der türkische Autor. Aus politischen Gründen würden Menschen in der Türkei der Zugang zu der Video-Website YouTube sowie zu Hunderten anderen in- und ausländischen Webseiten verwehrt.

Der türkische Staatspräsident Gül erklärte dagegen, sein Land habe entscheidende Reformen auf den Weg gebracht. Die Gedanken- und Meinungsfreiheit entsprächen inzwischen fast den Anforderungen der Europäischen Union. Wenn auch noch keine vollständigen Erfolge zu verbuchen seien und viel zu tun bleibe, habe doch eine positive Entwicklung stattgefunden. In den vergangenen Jahrzehnten seien Schriftsteller dem Terrorismus zum Opfer gefallen. Heute dagegen hätten die Einschränkungen für Autoren abgenommen.

Zur 60. internationalen Buchmesse nach dem Zweiten Weltkrieg werden bis Sonntag rund 280.000 Besucher erwartet. Ein Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf digitalisierten Büchern. Die Digitalisierung erreiche mit der neuen Generation von «E-Readern» erstmals auch die Publikumsverlage, sagte Buchmessen-Direktor Juergen Boos. Von den insgesamt 400 Veranstaltungen befassten sich mehr als die Hälfte mit diesem Thema.

Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, nannte die digitale Entwicklung des Buchmarktes eine «große Chance». Mit den E-Books erhalte «das Prinzip Buch» eine neue Dimension.

Der brasilianische Bestsellerautor Paulo Coelho warnte davor, das Internet als «Unglück» und «Feind» anzusehen. Er habe vielmehr die Erfahrung gemacht, dass die kostenlose Verbreitung seiner Bücher im Internet «verkaufsfördernd» sei. So sei etwa durch eine digitale Raubkopie seines Werkes «Der Alchimist» der Absatz seiner gedruckten Werke in Russland von 1.000 Exemplaren 1999 auf eine Million Bücher im Jahr 2001 in die Höhe geschossen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Buchmesse bildet das Thema Bildung. So findet am Mittwoch ein deutsch-türkisches Diskussionsforum «Bildung und Integration in Deutschland» statt; am Freitag und Samstag folgt der Kongress «Lernende Gesellschaft». Auch politische Themen beherrschen die Messe - vom Klimawandel über den europäischen Islam bis hin zur Zukunft Lateinamerikas.

Für Privatbesucher ist die Messe am Samstag von 9 bis 18.30 Uhr geöffnet und am Sonntag von 9 bis 17.30 Uhr. Eine Tageskarte einschließlich des Nahverkehrstickets kostet zwölf Euro, für Schüler sechs Euro.