Flüchtlingsorganisationen begrüßen Freispruch der Hilfsorganisation

Cap Anamur im Glück

Drei Jahre lang stand die Hilfsorganisation Cap Anamur in Italien vor Gericht. Ihr wurde vorgeworfen, im Juli 2004 afrikanische Bootsflüchtlinge unerlaubt an Land gebracht zu haben. Am Mittwoch wurden im sizilianischen Agrigent die Angeklagten freigesprochen - die reagierten erleichtert.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

«Wir sind glücklich!» Dass der Cap-Anamur-Vorsitzenden Edith Fischnaller nach dem Freispruch für Elias Bierdel und Stefan Schmidt ein Stein vom Herzen fällt, lässt sich sogar über Telefon hören. Der drei Jahre dauernde Prozess im sizilianischen Agrigent war für die Bonner Ärztin und ihre kleine Crew bei Cap Anamur in Köln eine riesige Belastungsprobe. Beihilfe zur illegalen Einwanderung lautete der Vorwurf gegen Bierdel, ehemaliger Chef der Hilfsorganisation, und Cap-Anamur-Kapitän Schmidt. Der Frachter hatte 2004 im Mittelmeer 37 Flüchtlinge an Bord genommen und sie gegen den Willen der italienischen Behörden nach Italien gebracht.  Die Staatsanwaltschaft hatte eine vierjährige Haftstrafe und ein Bußgeld von 400.000 Euro gefordert.

Nach fünf Jahren Drama nun der Freispruch: «Jetzt können wir uns endlich wieder voll auf unsere Hilfsprojekte konzentrieren», sagt Fischnaller. Und: «Das Gericht hat klar gestellt, dass Leben retten kein Verbrechen ist.» Selbst der Staatsanwalt habe in seinem Plädoyer anerkennen müssen, dass die 37 Menschen ohne das schnelle und beherzte Eingreifen der Crew ertrunken wären.

In elf Ländern sind die «Deutschen Notärzte», wie Cap Anamur im Untertitel heißt, derzeit tätig. Hebammenschulung in Afghanistan, Aufbau der einzigen psychiatrischen Klinik in Liberia, Wiederaufbau von Gesundheitsposten im Kongo. Cap Anamur konzentriert sich seit den Vorfällen in Italien darauf, Fluchtursachen zu beseitigen und den Menschen in den Ländern der Dritten Welt zu helfen.

Für die vom Ertrinken bedrohten Flüchtlinge auf dem Mittelmeer kann Cap Anamur, seit Ende der 70er Jahre bekannt für die Rettung von mehr als 10.000 vietnamesischen Flüchtlingen aus dem chinesischen Meer, sich nicht mehr engagieren, wie Fischnaller erklärt. Nach dem Vorfall 2004 wurde die Cap Anamur II von den italienischen Behörden beschlagnahmt. Vorwürfe von Kritikern, Bierdel habe mit seiner Aktion ein Medienspektakel inszeniert, führten zu einem Spendeneinbruch. Cap Anamur musste das Schiff verkaufen.

Nach Ansicht der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl haben die italienischen Behörden deshalb trotz des Freispruchs einen Teil ihrer Ziele erreicht. Bereits von dem quälend langen Verfahren sei eine verheerende Signalwirkung ausgegangen, analysiert die Initiative. Kapitän Schmidt erklärte, der «politisch gewollte Prozess» sei absichtlich in die Länge gezogen worden, um der Seeschifffahrt Angst zu machen."

Auch Bierdel berichtete am Mittwoch im Deutschlandfunk, dass Schiffe in den Gewässern zwischen Libyen, Malta und Italien zunehmend an seeuntüchtigen Flüchtlingsbooten vorbeifahren, ohne zu helfen. «Die Saat der Inhumanität, ausgebracht vom früheren Innenminister Schily und seinem italienischen Amtskollegen Pisanu, geht damit auf», erklärte Pro Asyl. «Sie wollten mit einem harten Vorgehen gegen die Cap Anamur humanitäre Hilfe kriminalisieren und Nachahmer abschrecken.»

Bierdel, der im Herbst 2004 unter erheblichem Druck vom Cap-Anamur-Vorsitz zurückgetreten war, erklärte, er bereue die Aktion nicht. Es sei obzön, dass Menschen in großer Zahl an der EU-Außengrenze ertränken, verdursteten und von europäischen Grenztruppen abgewehrt würden. Der Ex-Chef von Cap Anamur wandte sich zugleich dagegen, Länder wie Griechenland oder Italien allein für die verheerende Situation verantwortlich zu machen. Er forderte die Bundesregierung auf, bei den Flüchtlingsdramen auf See stärker Verantwortung zu übernehmen. Die Flüchtlinge müssten gerecht auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Dort könne man ihr Asylansuchen prüfen, und - wenn notwendig - sie auch in einem geordneten Verfahren zurückführen.

Für Rupert Neudeck, den Cap-Anamur-Gründer, hat die Aufregung um den Prozess dennoch eine gute Seite: Der Konflikt habe die Europäer aufmerksamer werden lassen für die Dramen, die sich an den EU-Außengrenzen abspielten. Den meisten Europäern sei aber nach wie vor nicht klar, dass das Schicksal des Nachbarkontinents Afrika und die Themen Migration und Flucht die Politik der kommenden Jahre massiv mitbestimmen würden.