Gericht entscheidet über umstrittene Rettungsaktion von Cap Anamur

Schleuser oder Lebensretter?

Das Hilfswerk Cap Anamur wurde vor 30 Jahren von Rupert Neudeck gegründet, um Bootsflüchtlinge aus Vietnam zu retten. Auch andere humanitäre Einsätze trugen der Organisation viel Lob ein. Doch 2004 trübte eine medienwirksame Aktion, über die heute ein Gericht in Italien enscheidet, den Ruf.

Autor/in:
Bettina Gabbe
 (DR)

Die Rettung von 37 Bootsflüchtlingen im Mittelmeer brachte die Helfer in Italien sogar vor Gericht. Der damalige Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel und zwei Mitangeklagte müssen sich wegen Begünstigung illegaler Einwanderung verantworten. Mit einem Urteil in Agrigent wird für Mittwoch gerechnet.

Die "Cap Anamur II" war im Juni 2004 mit Hilfslieferungen beladen auf dem Weg in den Irak, als die Mannschaft in internationalen Gewässern zwischen Libyen und der italienischen Insel Lampedusa eine Gruppe Bootsflüchtlinge entdeckte. Das Schiff nahm die 37 in Seenot geratenen Afrikaner an Bord. Der Kapitän steuerte die sizilianische Küstenstadt Porto Empedocle an, weil der Hafen von Lampedusa zu klein schien.

Die italienischen Behörden erlaubten dem Schiff aber wochenlang nicht, sich der Küste zu nähern. Die Begründung lautete, die Flüchtlinge seien in maltesischen Gewässern gerettet worden. Erst nach dreiwöchigem Hin und Her ließen die Behörden die "Cap Anamur II" in den Hafen von Porto Empedocle einlaufen.

Vorwurf: Verdacht der Schlepperei
Der damalige Leiter der Hilfsorganisation, Bierdel, Kapitän Stefan Schmidt und der Erste Offizier wurden unter dem Verdacht der Schlepperei verhaftet. Als erschwerenden Umstand sah die Staatsanwaltschaft an, dass die Rettungsaktion als Medienspektakel inszeniert worden sei.

"Die Besatzung der Cap Anamur hat mit einer Reihe von Lügen versucht, den maximalen Werbeeffekt zu erreichen", erklärte Italiens damaliger Innenminister Giuseppe Pisanu. Bierdel habe versucht, "das internationale Einwanderungsrecht zu brechen". Er habe einen Präzedenzfall schaffen wollen, "der den Transport illegaler Einwanderer nach Europa erleichtert".

Bierdel weist sämtliche Vorwürfe des im November 2006 begonnenen Verfahrens zurück: "Die italienische Staatsanwaltschaft versucht, uns nachzuweisen, bewusst im eigenen Interesse gehandelt zu haben. Als hätten wir an der Rettung verdient. Das ist absurd."

Heftige Debatten
Auch in der deutschen Öffentlichkeit hatte es heftige Debatten über Bierdels Auftreten auf dem Schiff mit den Flüchtlingen gegeben.Die Afrikaner waren schließlich medienwirksam mit Cap-Anamur-T-Shirts bekleidet in Porto Empedocle von Bord gegangen.

Bis auf einen Flüchtling, der bei seiner Ankunft in Italien noch minderjährig war, schoben die italienischen Behörden sämtliche bei der umstrittenen Hilfsaktion geretteten Afrikaner einen Monat später nach Ghana ab. Ihre Asylanträge waren in erster Instanz abgelehnt worden. Am selben Tag erklärte Italiens Oberstes Gericht den Passus im neuen Einwanderungsgesetz, der die Abschiebung vor dem Ende des Berufungsverfahrens genehmigt, für verfassungswidrig.

Nachdem die "Cap Anamur II" mehrere Jahre beschlagnahmt im Hafen von Porto Empedocle gelegen hatte, verkaufte die Hilfsorganisation sie mit Gewinn. Zuvor hatte selbst der Cap-Anamur-Gründer Neudeck das Verhalten seines Nachfolgers an der Spitze der Hilfsorganisation offen kritisiert. Unter dem Eindruck der umstrittenen Aktion von 2004 trennte sich Cap Anamur von Bierdel.