Familienbund kritisiert geplante Kindergelderhöhung als "realitätsfern"

"Betrug an Familien"

Der Bundestag hat erstmals über eine Erhöhung des Kindergeldes und weitere Entlastungen für Familien beraten. Für die ersten beiden Kinder soll der Betrag ab 2009 um 10 Euro auf je 164 Euro im Monat steigen. Familienministerin von der Leyen nannte die Anhebung des Kindergelds und den höheren Kinderfreibetrag dringend notwendig. Die Opposition bezeichnete die vorgesehene Erhöhung als zu gering. Der Familienbund der Katholiken spricht vom Betrug an Familien.

 (DR)

Nach eigenen Berechnungen des Familienbundes sind die Mindestkosten für den Lebensunterhalt eines Kindes seit der letzten Anhebung des Steuerfreibetrages im Jahr 2002 um rund 18 Prozent gestiegen. Der Familienbund fordert daher, den Kinderfreibetrag auf 6.829 Euro jährlich und das Kindergeld um 28 Euro auf 182 Euro monatlich für erste bis dritte Kinder sowie um 32 Euro auf 211 Euro für weitere Kinder zu erhöhen.

Die Präsidentin des Familienbundes forderte im domradio-Interview eine Erhöhung des Kindergeldes um mindestens 18 Prozent. Der Landesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken in Thüringen, Dr. Kurt Herzberg, klagt: "Unserer schlimmsten Befürchtungen sind übertroffen worden. Das Bundesfinanzministerium hat das Existenzminimum von Kindern künstlich niedrig gerechnet. Die Steuerfreistellung der Kinderkosten ist aber das verfassungsmäßige Recht der Eltern und kein Geschenk der Bundesregierung. Familien werden betrogen."

Die Vorschläge der Bundesregierung, die heute als Familienleistungsgesetz im Bundestag beraten wurden, bezeichnete Herzberg als "realitätsfern und ein Schlag ins Gesicht der Familien. Die geplanten Erhöhungen des Kinderfreibetrages um 200 EUR und des Kindergeldes um 10 bzw. 16 Euro sind viel zu gering, um das Existenzminimum von Kindern wirklich steuerfrei zu stellen. Der Beschluss kommt deshalb einer verdeckten Steuererhöhung für Familien gleich."

Er warnte den Finanzminister davor, Eltern die ihnen zustehende finanzielle Entlastung weiterhin zu verweigern und forderte ein entschiedenes Votum der Bundesfamilienministerin gegen den Bericht. Frau von der Leyen müsse doch am besten wissen: Wer an den Familien spart, der spart an unserer Zukunft.

Von der Leyern verteidigt Erhöhung und Staffelung von Kindergeld
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die geplante Erhöhung und Staffelung des Kindergeldes gegen Vorwürfe verteidigt. Bei der ersten Lesung des «Familienleistungsgesetzes» sagte die Ministerin am Donnerstag im Bundestag, das Kindergeld schaffe «Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich» und solle gezielt kinderreiche Familien fördern. Die Opposition beklagte, dass die Erhöhung um zehn Euro den Mehrbelastungen seit der letzten Erhöhung
2002 nicht gerecht werde. Grüne und Linke kritisierten zudem eine soziale Unausgeglichenheit. Das Gesetz wurde an die Ausschüsse verwiesen. Federführend ist der Familienausschuss.

Das Familienleistungsgesetz sieht eine Erhöhung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind um jeweils 10 Euro auf 164 Euro vor. Für das dritte Kind soll die Leistung um 16 Euro auf 170 Euro und für vierte und weitere Kinder um je 16 Euro auf 195 Euro monatlich angehoben werden. Der Kinderfreibetrag wird um 192 Euro erhöht. Die kinderbezogenen Freibeträge erreichen damit eine Höhe von insgesamt
6.024 Euro im Jahr.

Darüber hinaus ist vorgesehen, die steuerliche Absetzbarkeit der Beschäftigung von Haushaltshilfen, für die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, sowie für haushaltsnahe Dienstleistungen einschließlich Pflege und Betreuung zu verbessern. Absetzbar sollen einheitlich 20 Prozent der Aufwendungen von bis zu 20.000 Euro sein, höchstens aber 4.000 Euro pro Jahr. Zudem sollen Schüler aus Elternhäusern, die Sozialhilfe beziehen, bis zum zehnten Schuljahr ein Schulgeld von 100 Euro erhalten. Das Gesetz ist mit jährlichen Mehrausgaben von 2,24 Milliarden Euro verbunden.

Von der Leyen sprach beim Kindergeld von «Ausgleichzahlung an Familien, die Kinder erziehen». Die Eltern investierteten in die Zukunft des Landes. Deshalb müssten sie weniger besteuert werden und weniger begüterte Familien Unterstützung erhalten. Kinderreichtum dürfe nicht zur Kinderarmut führen. Ohne die Leistung wären 1,7 Millionen Menschen mehr von Armut betroffen. Die CDU-Familienpolitikerin Ingrid Fischbach (CDU) wies die Kritik der Opposition zurück. Soviel wie in den vergangenen drei Jahren sei in den vergangenen Jahrzehnten nicht für die Familien getan worden.

Lydia Westrich (SPD) begrüßte das Gesetz. Sie kritisierte aber die zeitliche Befristung des Schulgeldes. Das treffe gerade bedürftige Familien, die ihren Kindern eine höhere Bildung ermöglichen wollten. Sie verwies auf die hohe Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in Deutschland.

Die FDP-Familienpolitikerin Ina Lenke warf der große Koalition vor, sie ziehe den Familien weiter das Geld aus der Tasche. Das gelte besonders für die Mehrwertsteuererhöhung. Carl-Ludwig Thiele (FDP) forderte einen Kinderfreibetrag von 8.000 Euro und eine Kindergelderhöhung um 16 Euro.

Barbara Höll (Die Linke) beklagte, dass nur für 17 Prozent der Kinder der Steuerfreibetrag tatsächlich ausgeschöpft werde. Kinder müssten dem Staat gleich viel wert sein. Zudem entspreche das zugrundegelegte Existenzminimum in keiner Weise dem tatsächlichen Bedarf. Sie forderte eine Existenzsicherung für die unteren Einkommensgruppen.

Die Familienpolitikerin der Grünen, Ekin Deligöz, warf der Regierung Symbolpolitik vor. Die Kindergelderhöhung gleiche bei weitem nicht Mehrbelastungen durch Mehrwertsteuererhöhung, Preissteigerungen, Kaufkraftverlust und höhere Energiekosten aus. Deligöz forderte eigene Kinderregelsätze. Sie dürften sich nicht am Erwachsenenbedarf ausrichten.