Experte sieht Gegenpäpste nicht als historisches Problem

Warum es mehr als nur einen "Papst" gibt

Der selbsterklärte "Papst" Michael I. ist diesen Monat gestorben. Reiht er sich in die historische Linie der Gegenpäpste ein? Ulrich Nersinger sieht Unterschiede, warnt aber durchaus vor der Gefahr moderner Gegenpäpste - gerade jetzt.

Papst Franziskus mit Pileolus von hinten / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus mit Pileolus von hinten / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was genau ist eigentlich ein "Papst"? Der Begriff wird ja nicht nur vom Vatikan beziehungsweise der Katholischen Kirche genutzt.

Vatikanexperte Ulrich Nersinger (EWTN)
Vatikanexperte Ulrich Nersinger / ( EWTN )

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Der Begriff "Papa" oder "Papst" kommt aus dem Altgriechischen und besagt eigentlich nichts anderes als "Vater". In Rom finden wir ihn ungefähr im vierten Jahrhundert, da taucht er zum ersten Mal auf. Als offizielle Bezeichnung wird er erst unter Gregor I., 590 bis 604, mehr oder weniger amtlich.

"Päpste" treffen wir natürlich auch in anderen Regionen. Vor allen Dingen bei den Kopten in Ägypten. Auch da findet sich diese Bezeichnung. Ich glaube sogar früher als in Rom. Aber da ist es nicht so als Amtstitel definiert, wie wir in der Katholischen Kirche den Papst sehen.

DOMRADIO.DE: Wie hat man denn das Oberhaupt der Katholischen Kirche vor dem Begriff "Papst" genannt?

Nersinger: Man hat ihn als Episkopus, als Bischof, und relativ früh auch als Nachfolger des Heiligen Petrus bezeichnet. Von daher haben wir die Bezeichnung "Bischof von Rom". Dann kommen später auch andere Bezeichnungen hinzu, wie "Pontifex Maximus", oberster Brückenbauer oder "Summus Pontifex", höchster Pontifex.

Es gibt auch eine ganze Reihe von anderen, teilweise offiziellen Bezeichnungen und solchen, in denen der Papst sein Dienstamt ausdrücken wollte, zum Beispiel "Servus Servorum Dei", Diener der Diener Gottes.

DOMRADIO.DE: Dabei war es in der Geschichte nicht immer eindeutig, wer Papst ist. Stichwort: Gegenpäpste. Was steckt dahinter?

Nersinger: Wir finden das schon in der Frühzeit, denken wir an Hippolyt von Rom im dritten Jahrhundert. Aber wenn wir uns die Liste genau anschauen, sehen wir bestimmte Zeiten, wo das sehr stark war, und manche Jahrhunderte, wo das fast gar nicht auftaucht. Und wir sehen als Motivationen meistens politische Gründe oder familiäre Gründe. Im alten Rom gab es Familien, die um den Papst-Thron kämpften. Aber vor allen Dingen sind es politische Sachen. Einmal haben die Langobarden versucht, einen Gegenpapst einzusetzen.

Dann haben wir die Zeit von 1238 bis 1449. Da haben wir einen Höhepunkt der Gegenpäpste. Die sind in erster Linie politisch motiviert. Als die Päpste sich wieder von Avignon trennten, gab es eine Reihe von Kardinälen, die gesagt haben: "Wir wollen das Papsttum in Avignon belassen". Bis 1449 haben wir also als Hauptmotivation politische Gründe.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn keine finale Instanz, die entscheidet, wer Papst ist?

Nersinger: Natürlich. Das Kuriose ist, dass der Papst das selber ist. Er ist derjenige, der festsetzt, wer der legitime Papst ist oder die legitimen Päpste der Vergangenheit waren. Da haben wir auch immer wieder Änderungen. Teilweise fehlen auch Päpste durch geschichtliche Quellen, die mal als legitim und mal als nicht legitim anerkannt sind. Da liegt die Deutungshoheit beim Heiligen Stuhl selber.

DOMRADIO.DE: Jüngst ging die Meldung vom Tod des selbsternannten "Papstes" Michael I. durch die Medien gegangen. Wie ist denn so jemand einzuordnen? Bei den historischen Gegenpäpsten oder eher als Kuriosum?

Nersinger: Ich würde dazu neigen, es als eine Kuriosität zu bezeichnen. Wenn wir historisch, theologisch und kirchenrechtlich korrekt denken, dann ist das Gegenpapsttum 1449 mit Felix V. abgeschlossen. Seitdem haben wir eigentlich keine richtigen Gegenpäpste mehr. Das, was wir nach dem Zweiten Vatikanum erlebt haben, sind Menschen, die sich aus verschiedensten Gründen selber zu Päpsten ernannt haben oder sich zum Beispiel von Familienmitgliedern oder auch in jüngster Zeit durch E-Mails wählen ließen.

Die kann man eigentlich nicht als Gegenpäpste bezeichnen. Zunächst einmal, weil sie nicht durch eine Kardinalsversammlung gewählt worden sind. 1238 bis 1449 waren es Kardinäle, die die Gegenpäpste gewählt haben. Das haben wir jetzt nicht. Wir haben keine echten Kardinäle, die sich von der römischen Kirche abgespalten haben.

Es gibt pseudo-theologische Gründe, dass man mit dem Zweiten Vatikanum nicht zurecht kam, dass man sagt, der letztgültige Papst sei Pius XII. gewesen. Wenn man sich dann einmal diese Päpste anschaut, sieht man, dass deren Anhängerschaft von zwei, drei Dutzend bis manchmal knapp unter Tausend reicht. Das lässt sich wirklich von der Zahl her begrenzen. Wenn man sich dann die Schriften oder deren Dokumente anschaut, dann ist man geneigt, eher zu schmunzeln. Genauso, wenn man sich die Fotos dieser "Päpste" anschaut. Das hat alles nichts mit der Realität zu tun.

DOMRADIO.DE: Trotzdem gibt es im Vatikan im Moment zwei Würdenträger, die als Papst bezeichnet werden, wenn man den emeritierten Papst Benedikt XVI. mit einschließt. Im Moment wird auch wieder über die Frage eines Papstrücktritts debattiert. Könnte ein zurückgetretener Papst gegen seinen Willen nicht auch zum Gegenpapst stilisiert werden?

Nersinger: Das ist das große Dilemma, das wir zurzeit haben, worin ich auch eine große Gefahr sehe. Unabhängig davon, ob der jeweilige zurückgetretene Papst das möchte, denke ich, wollen die das nicht. Ich denke, ein Benedikt XVI. möchte das nicht. Und auch falls Franziskus mal zurücktreten sollte, will er das nicht.

Aber natürlich gibt es Kräfte, die das wollen und ausnutzen. Es gibt durchaus eine Gefahr, dass das eskaliert. Wenn man gewisse Internetportale verfolgt, gibt es eine ganze Reihe von Leuten, die Franziskus vorwerfen, ein Gegenpapst zu sein. Das sehe ich immer mehr. Durch die sozialen Medien kann man nicht genau abschätzen, wie groß die Anzahl ist. Aber das ist immer stärker zu beobachten und das ist natürlich eine Gefahr.

Ich denke, wenn wir jetzt noch mal einen Rücktritt erleben, ist auch durch neue theologische Entwicklungen oder Entwicklungen in der Kirche die Gefahr da, dass sich dann unter Umständen nicht nur irgendein Verrückter zum Gegenpapst ernennt, sondern wir auch eine Gruppe von Kardinälen haben, die sagen: Nein, die Wahl wollen wir nicht anerkennen, wir wählen einen anderen.

Da sehe ich schon eine nicht ganz fiktive Gefahr drin. Wie man das verhindern kann, ist schwierig. Aber da muss man jetzt ein Augenmerk drauf legen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

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Ein Pileolus für den Papst / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Pileolus für den Papst / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR