David Bawden war über drei Jahrzehnte ein "Möchtegern-Papst"

Ein Pileolus für den Papst / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Pileolus für den Papst / © Harald Oppitz ( KNA )

Von Christiane Laudage

Wenn der Papst stirbt, verbreitet sich die Nachricht innerhalb von Sekunden um die ganze Welt. Alle anderen Themen sind dann schlagartig nachrangig. Als nun "Papst" Michael am 2. August starb, dauerte es tatsächlich fast zwei Wochen, bis die Nachricht jenseits seiner Kreise bekannt wurde.

Der US-Amerikaner David Bawden vertrat seit dem 16. Juli 1990 den Anspruch, der einzig wahre Papst zu sein und betrieb einen Internetauftritt unter dem Titel "Vatikan im Exil". Diese Website ist nicht nur weiter im Exil, sie ist jetzt auch ohne Oberhaupt. Ob seine Gemeinschaft einen "Nachfolger" wählt, ist noch nicht bekannt. Sie spricht jedenfalls davon, dass der Stuhl Petri unbesetzt sei.

Der Möchtegern-Papst Michael war jedenfalls kein Einzelfall. Während des Pontifikats von Johannes Paul II. (1978-2005) existierten noch weltweit weitere "Päpste", es war eine Anzahl im niedrigen zweistelligen Bereich. In letzter Zeit wurde es noch stiller um sie, als es vorher schon war.

Während man einige als schlicht verrückt abtun mochte, andere als Oberhaupt einer obskuren Sekte, so gab es verschiedene Gruppierungen, die den Stuhl Petri seit dem Tod Pius XII. im Jahr 1958 als vakant betrachteten, weil sie das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) komplett ablehnten. In diesen Bereich ist auch David Bawden alias "Papst Michael I." einzuordnen.

Geboren 1959 in Oklahoma City in eine Familie traditioneller Katholiken, die das Konzil ablehnte, suchten sie die Nähe zur Priesterbruderschaft Pius X.. Bawden trat 1977 in das Priesterseminar der Bruderschaft im schweizerischen Econe ein, weil er seit seiner Kindheit eine Berufung zum Priester spürte, blieb dort aber nicht lange und ging zurück in die USA.

Wie und warum er auf die Idee gekommen ist, sich zum "Papst" wählen zu lassen, ist nicht bekannt. Allerdings war er nicht ohne Selbstbewusstsein. In einem Interview erklärte er, er habe schon 1982 Papst Johannes Paul II. für exkommuniziert erklärt und eine entsprechende Nachricht in den Vatikan geschickt. Man darf vermuten, dass das dort mit einer gewissen Heiterkeit aufgenommen worden ist.

Am 16. Juli 1990 fand also das "Konklave" in einem kleinen Raum im Haus seiner Eltern in Belvue (US-Bundesstaat Kansas) statt. Seine Eltern und sechs weitere Personen wählten ihn zum "Papst". Fortan trug er die weiße Soutane mit einem Pileolus, wie sie das universal bekannte Kennzeichen des Papstes ist. Seinen "Papstnamen" Michael wählte er wegen des gleichnamigen Erzengels.

2009 behauptete er, 30 feste Anhänger zu haben. 2011 ließ er sich weihen - er war bis dahin weder Priester noch Bischof. Die Weihe nahm ein Bischof vor, der nicht von der katholischen Kirche anerkannt war. "Papst Michael" lebte von Spenden und unterhielt einen Verlag, in dem er religiöse Literatur neu auflegte.

Aus einem ähnlichen Background wie der Möchtegern-Papst Michael kam auch "Papst Pius XIII." - Lucian Pulvermacher (1918-2009). Ursprünglich dem Kapuzinerorden angehörig, driftete er nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in traditionalistische Kreise ab, verließ sie und gründete eine "wahre" katholische Kirche. Sein Konklave am 24. Oktober 1998 war ein "Phone-in" - seine abwesenden Unterstützer wählten ihn als einzigen Kandidaten per Telefon oder Email zum Papst. "Pius XIII." veröffentlichte anschließend Bilder von einem Kamin, aus dem weißer Rauch stieg. Er starb 2009 und erhielt einen menschlich warmen Nachruf aus seinem früheren Orden.

Der französische Herz-Jesu-Priester Michel Collin (1905-1974) wurde noch vom Vatikan exkommuniziert, als er sich nach dem Tod von Johannes XIII. im Jahr 1963 zum "Papst" mit dem Namen "Clemens XV." erklärte. Er galt als Ärgernis, das zu unterbinden war. Gegen ihn ermittelte im Herbst 1964 sogar die Staatsanwaltschaft, nachdem er in weißer Soutane in einem schwarzen Citroen mit Papstwappen und -flagge durch die Pfalz reiste.

"Michael I.", "Pius XIII." oder auch andere wurden immer wieder als Gegenpapst bezeichnet, aber das war eigentlich zu viel der Ehre. Die katholische Kirche hat sie mit Nichtbeachtung bestraft, sie nicht ernst genommen und keinesfalls als Konkurrenz betrachtet. Die einst durchaus wirkmächtige Rolle von Gegenpäpsten spielten sie nie.

Gegenpäpste waren ein Phänomen der Spätantike und vor allem des Mittelalters, wenn besonders anlässlich von umstrittenen Wahlen eine Kirchenspaltung (Schisma) ausbrach. Der letzte offizielle Gegenpapst war Herzog Amadeus VIII. von Savoyen, der von 1439-1449 unter dem Namen Felix V. versuchte, seinen Anspruch durchzusetzen. (KNA/20.8.22)