Ex-Ministerin Bergmann wird Missbrauchs-Beauftragte - Bischöfe begrüßen Entscheidungen

Runder Tisch beschlossen

Die Bundesregierung hat den Weg für einen Runden Tisch zu sexuellem Missbrauch frei gemacht. Die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann wird zudem als unabhängige Missbrauchs-Beauftragte eingesetzt. Das beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin. Die Deutsche Bischofskonferenz begrüßte die Berufung Bergmanns.

 (DR)

Das Kabinett billigte am Mittwoch die Bildung des Gremiums mit dem Titel «Sexueller Missbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich». Den Vorsitz teilen sich die Ministerinnen Kristina Schröder (Familie, CDU), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Justiz, FDP) und Annette Schavan (Bildung, CDU).

Die frühere SPD-Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (70) soll als unabhängige Beauftragte für die Aufarbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs fungieren. Sie solle mit Opfern sprechen und materielle oder immaterielle Hilfen vorschlagen, erläuterte Schröder. Die erste Zusammenkunft des Runden Tisches mit rund 40 Experten ist für den 23. April geplant. Laut Schröder soll das Gremium seine Arbeit bereits bis Ende des Jahres abschließen.

Kirchen begrüßen Ernennung
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hat die Berufung von Christine Bergmann zur Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung begrüßt. In einem Glückwunschschreiben an die SPD-Politikerin dankte der Vorsitzende der Bischöfe, Erzbischof Robert Zollitsch, am Mittwoch zugleich für die Einrichtung eines Runden Tisches, die das Kabinett ebenfalls am Mittwoch beschloss. Selbstverständlich sei die Bischofskonferenz beim Runden Tisch dabei.

«Die katholische Kirche wird alles tun, um eine lückenlose Aufklärung der Fälle sexuellen Missbrauchs in der Vergangenheit in den eigenen Reihen voranzutreiben», bekräftigte Zollitsch. Die Kirche habe «ein hohes Interesse und bereits gute Erfahrungen, das Thema der Prävention offensiv anzugehen». Es sei ein gutes Zeichen für Deutschland, wenn das Thema sexueller Missbrauch von allen gesellschaftlich relevanten Gruppen angegangen werde, fügte Zollitsch hinzu. «Von uns allen ist eine schonungslose Aufklärung und absolute Transparenz notwendig».

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge sagte zur Ernennung von Bergmann, sie bringe als ehemaliges Kirchenleitungsmitglied und Gleichstellungsbeauftragte der Landeskirche die notwendigen Erfahrungen für die neue Aufgabe mit. Er hoffe, so Dröge weiter, dass sie zur vorbehaltslosen Aufklärung der Missbrauchsfälle beitragen werde.

Zwei Arbeitsgruppen
Die Familienministerin kündigte an, im Rahmen des Tisches werde es zwei Arbeitsgruppen geben. Dabei gehe es zum einen unter ihrer Leitung um Prävention und die stärkere Sensibilisierung von Kindern, Eltern und Pädagogen. Zum anderen solle sich eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Justizministerin mit Aufklärung und Aufarbeitung der geschehenen Missbrauchsfälle befassen. «Wir suchen hier etwa nach den Ursachen für Missbrauch in Institutionen», erklärte Leutheusser-Schnarrenberger.

Zudem solle die Zusammenarbeit zwischen Institutionen und Strafbehörden weiter verbessert werden. Deshalb will die Ministerin Vertreter aus dem Bereich der Rechtspflege an den Runden Tisch einladen. «Es geht aber auch darum, wie wir dem Leid der Opfer Anerkennung verschaffen können», so die Ministerin.

Vorbeugen und aufdecken
Schavan betonte, der Runde Tisch werde sich nicht nur auf pädagogische Einrichtungen konzentrieren, sondern auch beraten, wie sich generell Missbrauch besser verhindern oder aufdecken lasse. Sie erinnerte daran, dass die meisten Missbrauchsfälle im familiären Umfeld passierten. Die Bundesregierung unterstütze alles, was zur Aufdeckung, Aufklärung und Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch an Kindern beitrage.

Zuvor hatte die SPD davor gewarnt, den Runden Tisch auf Vorfälle in kirchlichen Einrichtungen zu verengen. Zu Missbrauch komme es zumeist in der Familie, sagte Fraktions-Geschäftsführer Thomas Oppermann.

Grüne kritisieren Merkel
Derweil bekräftigten die Grünen ihre Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim Umgang mit dem Thema Missbrauch. Merkel habe sich «nicht getraut, scharfe und wirklich klare Worte zu sprechen», als es anfangs nur um zurückliegende Vorfälle in Einrichtungen der katholischen Kirche gegangen sei, sagte Fraktionschefin Renate Künast im ZDF-Morgenmagazin. Ein Runder Tisch werde nun nur folgenlos reden.

Voraussichtlich an diesem Donnerstag wird sich das Parlament in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der Grünen mit dem Thema Sexueller Missbrauch befassen. Dabei will auch Ministerin Schröder das Wort ergreifen. Bereits bei den Haushaltsberatungen in der Vorwoche kam das Thema im Plenum wiederholt zur Sprache.

Vertreter eines amerikanischen Opferverbandes boten derweil deutschen Betroffenen ihre Hilfe an und überreichten ein Schreiben an Leutheusser-Schnarrenberger. Darin drängten sie auf eine unabhängige staatliche Aufklärung der Missbrauchsfälle, an der keine Kirchenvertreter beteiligt sein dürften.