Der schwierige Weg zum Runden Tisch zu sexuellem Missbrauch

Aufarbeitung und Prävention

Der Weg ist frei, die regierungsinternen Querelen sind vorerst ausgeräumt - der Runde Tisch zum sexuellen Missbrauch kann seine Arbeit aufnehmen. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch eine entsprechende Vorlage und ernannte zugleich die frühere SPD-Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (70) als unabhängige Beauftragte für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Die Leitung des neuen Gremiums teilen sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU).

Autor/in:
Karin Wollschläger
 (DR)

Die drei demonstrierten bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz traute Einigkeit. Schavan und Schröder nahmen Leutheusser-Schnarrenberger freundschaftlich in ihre Mitte - bemüht darum, den zwischenzeitlichen Disput zwischen Schröder und Leutheusser-Schnarrenberger kleinzureden. Dabei war die hitzige Kontroverse um möglicherweise zwei Runde Tische erst nach Intervention des Bundeskanzleramts Anfang voriger Woche vom Tisch. Regierungschefin Angela Merkel (CDU) hatte darauf bestanden, die Aktivitäten zu bündeln und eine gemeinsame Plattform zu organisieren..

Nun soll es im Rahmen des Runden Tisches zwei Arbeitsgruppen geben. Die eine befasst sich - unter Leitung von Leutheusser-Schnarrenberger - mit der Aufklärung und Aufarbeitung vergangener Missbrauchsfälle. Auch die Fragen nach Verjährung und Entschädigung kommen hier auf den Tisch. «Wir suchen nach den allgemeinen Ursachen für Missbrauch in Institutionen», erklärte die Liberale, «und werden überlegen, wie sich die Zusammenarbeit mit den Strafbehörden noch weiter verbessern lässt.»

Die zweite Arbeitsgruppe nimmt - unter Leitung Schröders - den Bereich Prävention in den Blick. «Wir müssen schauen, wie wir Kinder, Eltern und Fachkräfte stärker für das Thema sensibilisieren», so die Ministerin. So will die Gruppe Interventions-Vorschläge erarbeiten, etwa in Form von Selbstverpflichtungen für pädagogische Einrichtungen. «Außerdem wollen wir überlegen, wie wir pädophil veranlagten Menschen helfen können, damit sie nicht zu Tätern werden», kündigte die CDU-Politikerin an.

Vor einer schwierigen Aufgabe steht Bergmann, die im ersten Kabinett von Gerhard Schröder 1998 bis 2002 das Familienressort leitete. Als unabhängige Beauftragte solle sie einerseits Gespräche mit Opfern führen. «Zum anderen soll sie allgemeine Vorschläge für materielle und immaterielle Hilfen erarbeiten», erläuterte Schröder. Die Einzelfallprüfung falle jedoch definitiv nicht in den Arbeitsbereich Bergmanns. Die auch bei den Kirchen geschätzte Sozialdemokratin engagiere sich bereits seit längerem im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern und habe als Ombudsfrau hilfreiche Erfahrungen als Vermittlerin gesammelt.

Besonders wichtig war Schavan der Hinweis darauf, dass der Runde Tisch sich nicht nur auf pädagogische Einrichtungen konzentriere - er solle auch beraten, wie sich generell Missbrauch besser verhindern oder aufdecken lasse. Sie erinnerte daran, dass die meisten Missbrauchsfälle im familiären Umfeld passierten. Entsprechend lautet denn auch der etwas sperrige, offizielle Titel des Runden Tisches: «Sexueller Missbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich». Ein besonderer Hinweis auf kirchliche Einrichtungen findet sich nicht.

Den Bundestag beschäftigt das Thema an diesem Freitag noch einmal in einer von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde. Dann steht bald nach der Osterpause am 23. April das erste Treffen des Runden Tisches im Familienministerium an. Rund 40 Teilnehmer sollen in dem Gremium mitwirken. Dazu zählen Vertreter der Opfer ebenso wie der katholischen Kirche. Ein Projekt mit ehrgeizigen Zielen - und einem mehr als ehrgeizigen Zeitplan: «Bis Ende des Jahres soll der Runde Tisch sein Arbeit abgeschlossen haben», kündigte Schröder an.