Evangelischer Theologe über muslimischen Feiertag in Deutschland

Chancen und Risiken

Innenminister de Maiziere brachte kürzlich die Idee ins Spiel, in Deutschland einen muslimischen Feiertag einzuführen. Im Zweifel gehe dies aber zu Lasten christlicher Feiertage, befürchtet ein ehemaliger deutscher Seelsorger in der Türkei.

Muslime feiern Ramadan / © Mohammed Saber (dpa)
Muslime feiern Ramadan / © Mohammed Saber ( dpa )

domradio.de: Was halten Sie von der Idee, einen muslimischen Feiertag in Deutschland einzuführen?

Gerhard Duncker (Ehemaliger Kirchenrat der evangelischen Kirche in Westfalen und bis 2003 Seelsorger der deutschsprachigen Gemeinde in der Türkei): Wenn ein muslimischer Feiertag eingeführt wird, bin ich dafür, aus Respekt vor dem Judentum auch einen jüdischen Feiertag einzuführen. Es stellt sich die grundlegende Frage: Was bedeuten uns eigentlich die Feiertage und was stiftet Identität?

domradio.de: Sie meinen, dass ein muslimischer Feiertag keine Identität stiftet?

Duncker: Man muss sehen, dass sich die islamischen Feiertage durchs ganze Jahr ziehen. Die Frage wäre, ob man das Opferfest - zu dem real Tiere dargebracht werden - in Deutschland haben möchte. Ich finde es gut, wenn die Bevölkerung weiß, dass es einen islamischen Feiertag bei uns gibt. Ich finde es gut, wenn die Menschen wissen, was das Opferfest bedeutet. Ich finde es aber auch gut, wenn die Menschen wissen, was an Allerheiligen gefeiert wird.

domradio.de: Wie würde es denn bei den christlichen Gemeinden in der Türkei ankommen, wenn ein solcher Feiertag in Deutschland eingeführt wird? Sie haben ja bis 2003 dort gelebt.

Duncker: Die Christen in der Türkei machen nur 0,2 Prozent der Bevölkerung aus. Sie sind innerhalb von 100 Jahren im Osmanischen Reich von 20 Prozent auf unter ein Prozent zurückgegangen. Es würde in der Türkei niemand bemerken, wenn es einen Feiertag gebe und es würde für die Christen in der Türkei nichts bedeuten.

domradio.de: Welche Probleme sehen Sie, wenn man tatsächlich einen muslimischen Feiertag in Deutschland einführen würde?

Duncker: Ich glaube, dass das Judentum als dritte große monotheistische Religion benachteiilgt ist, wenn wir einen muslimischen Feiertag als offiziellen Feiertag aufnehmen. Ich glaube, es ginge auch nur, wenn man an den anderen Feiertagen kürzen würde. Wir haben das bereits am Buß- und Bettag gesehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Regierung mit dem Hinweis darauf, dass die Leute sowieso zu 80 Prozent nicht mehr wissen, was der Feiertag bedeutet, christliche Feiertage streichen. Ich glaube, es geht auf Kosten der christlichen Feiertage. Das kann man machen, aber man sollte darüber nachdenken, ob eigentlich alles in unserer Tradition zur Disposition steht?

domradio.de: Könnte ein solcher Feiertag auch eine Chance für das christlich-muslimische Miteinander sein?

Duncker: Es gibt jedes Jahr hunderte Chancen, die man nutzen kann. Man kann in der Nachbarschaft einladen; wir haben den Tag der offenen Moschee; wir haben sehr viele Gelegenheiten. Wenn man diese alle nutzen würde, hätte man ein sehr gutes Miteinander. Es geht hier ja eher um die symbolische Aussage, die Muslime in unserem Land zu respektieren. Ob das jetzt ausgerechnet durch das Opferfest oder das Zuckerfest seinen Ausdruck findet, das auch sehr stark als Familienfest gefeiert wird, wage ich zu bezweifeln.

domradio.de: Gibt es in ihren Augen eine Alternative?

Duncker: Die Alternative ist, dass in der Presse, in Rundfunk und Fernsehen auf die hohen, islamischen Feste hingewiesen wird, damit die Menschen wissen, warum ihre Nachbarn so schick angezogen sind und warum sie so besonders eifrig in die Moschee gehen; dass man voneinander weiß und bei der Gelegenheit auch darüber informiert, was die eigenen Feiertage bedeuten. Das wäre ein großer Beitrag zur Integration aller Beteiligten.

Das Gespräch führte Milena Furman.


Quelle:
DR