EU spendiert Milliarden-Konjunkturpaket

Und die Umwelt?

200 Milliarden Euro will die Europäische Union die Wirtschaftskrise bekämpfen. Ein entsprechendes Konjunkturpaket beschlossen die 27 Staats- und Regierungschefs am Freitag in Brüssel. Die gestern formulierten Ziele in der Klimapolitik stoßen inzwischen auf Kritik von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen.

 (DR)

Die Führer Deutschlands, Italiens, Polens und Frankreich hätten die Profite ihrer verschmutzenden Industrie über die Interessen der Europäer, die Zukunft der Kinder und die Forderungen von Millionen Menschen in aller Welt gesetzt, erklärten die Organisationen am Freitag in Brüssel. Es fehle in den Ergebnissen des EU-Gipfels etwa an verbindlichen Zusagen, den Entwicklungsländern bei der Bewältigung des Klimawandels zu helfen.

Die Organisationen, darunter Greenpeace, Oxfam und WWF, riefen die EU auf, mit den Entwicklungsländern über Hilfen zur Bekämpfung des Klimawandels zu verhandeln und bis März Vorschläge zu machen. An das Europaparlament appellierten sie, die Ergebnisse des EU-Gipfels nachzubessern.

Konjunkturmaßnahmen
Neben einer "konzertierten Belebung" der Märkte sprach sich der EU-Gipfel für eine Regulierung der Finanzmärkte aus, die auch eine stärkere Kontrolle der Rating-Agenturen vorsieht. Zugleich appellierte der Gipfel an die Kreditinstitute, die Senkung der Leitzinsen an die Verbraucher weiterzugeben.

Für Konjunkturmaßnahmen sollen laut Beschluss 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Europäischen Union ausgegeben werden, was etwa 200 Milliarden Euro entspricht. Rund 170 Milliarden Euro sollen nationale Programme erbringen, die EU will über die Europäische Investitionsbank 30 Milliarden Euro für die Jahre 2009/2010 bereitstellen.

Die Gelder der EU sind vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, für den Ausbau der erneuerbaren Energien und - wie von mehreren EU-Mitgliedsländern gefordert - für "saubere Verkehrsmittel", insbesondere für die Automobilindustrie, vorgesehen. Zudem soll ein europäischer Fonds 2020 für Energie, Klimawandel und Infrastruktur ("Fonds Marguerite") geschaffen werden.

Steueranreize für ökologische Produkte und Dienstleistungen
Ferner wird der Weg freigemacht, dass national Steueranreize für ökologische Produkte und Dienstleistungen umgesetzt und je nach Mitgliedsland ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen eingeführt wird. Verstärkt werden sollen schließlich Investitionen zur Entwicklung des ländlichen Raumes, darunter die Versorgung der Bauern mit Breitband-Internet.

Um Großinvestitionen schneller umsetzen zu können, soll ein beschleunigtes Verfahren zum Zuge kommen, das unter anderem eine Reduzierung der Ausschreibungsfristen von 87 auf 30 Tage vorsieht. Für kleine und mittlere Unternehmen wird zudem ein auf zwei Jahre befristeter Freibetrag bei staatlichen Beihilfen von bis zu 500 000 Euro eingeführt. Das ist mehr als eine Verdoppelung der Schwelle, ab der Beihilfen der EU-Genehmigung bedürfen.

EU-Gipfel gibt Lissabon-Vertrag zweite Chance
Außerdem wurde am Freitag der Weg für ein zweites irisches Referendum zum Reformvertrag von Lissabon geebnet. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union einigten sich am Freitagvormittag auf weitreichende Zusagen für Irland, das nun voraussichtlich im Herbst kommenden Jahres erneut eine Volksabstimmung abhalten wird. Wegen des irischen Neins beim Referendum vom Sommer dieses Jahres liegt der Lissabon-Vertrag, der wesentliche Elemente der gescheiterten EU-Verfassung enthält, derzeit auf Eis.

Der Kompromiss ist möglich geworden, da der Gipfel dem irischen Wunsch nach einem ständigen Kommissar in Brüssel entsprach. Vorgesehen ist nun, die bereits vereinbarte Verringerung der Zahl der EU-Kommissionsmitglieder wieder rückgängig zu machen. Auch künftig soll jedes Land einen Kommissar stellen dürfen. Zudem erhält Irland rechtliche Garantien für seine Forderungen an Anerkennung seiner Neutralität, seiner Steuerpolitik sowie seiner rigiden Abtreibungspraxis.

Der Lissabon-Vertrag kann nur in Kraft treten, wenn er von allen 27 EU-Mitgliedsländern ratifiziert worden ist. Bislang haben 25 europäische Staaten bereits zugestimmt, lediglich in Tschechien und Irland steht dies noch aus.