Erzbistum Köln: Flüchtlingsschicksale nicht vergessen

Ein Flüchtlingsboot als mahnendes Zeichen

"Wir dürfen das Sterben im Mittelmeer nicht vergessen", sagt der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Ein Flüchtlingsboot aus dem Mittelmeer soll dafür als Mahnmal dienen und zu Fronleichnam auf dem Kölner Roncalliplatz stehen.

Flüchtlingsboot (Erzbistum Köln)

domradio.de: Wie kam es zu dieser Aktion, ein Flüchtlingsboot nach Köln zu holen?

Ansgar Mayer (Direktor für Medien und Kommunikation im Erzbistum Köln): Wir hatten in der Tat den Eindruck, dass das Thema ein bisschen in Vergessenheit gerät. Vordergründig gibt es meist immer nur eine Meldungslage, die darauf hindeutet: "Naja, so schlimm ist das jetzt alles nicht mehr." Durch die verschiedenen "Abschreckungsmaßnahmen" ist der klassische Fluchtweg durch die Ägäis tatsächlich weniger genutzt worden. Damit schien auch das Problem so ein bisschen gelöst. Dem ist aber nicht so. Das zeigen auch die entsprechenden Zahlen. Die Routen haben sich einfach verlagert. Darum war es uns wichtig, das nochmal ins Gedächtnis zu rufen und auch haptisch klar zu machen. Ich glaube, dass so ein Boot helfen kann, das Thema wieder hierher zurückzutragen.

domradio.de: Also auch anknüpfend an die Aktion "23.000 Glockenschläge" für die ertrunkenen Flüchtlinge im Juni vergangenen Jahres? 

Mayer: Genau, der Zusammenhang ist uns wichtig. Dem Kardinal ist es auch ein wichtiges Anliegen, die Glocken weiter klingen zu lassen.

domradio.de: Was ist das für ein Boot, das das Erzbistum nach Köln holt? Wo kommt es her?

Mayer: Das ist ein Boot, das wir aus Malta hierher transportieren werden. Es ist ein Holzboot, das sieben Meter lang und 800 Kilogramm schwer ist. Wenn man sich vorstellt, dass da Familienschicksale durch die Wellen geschippert sind, dann wird einem auch wieder ganz schön Angst und Bange. Nach unseren Recherchen ist es ein Boot, das die maltesische Armee vor zwei Jahren von Schleusern beschlagnahmt hat. Es ist dann damals auf Malta versteigert worden und von einem "Schiffsliebhaber" erworben worden. Von ihm haben wir das Boot übernommen.

domradio.de: Das Boot kostet also auch Geld?

Mayer: Das Boot kostet einen sehr kleinen überschaubaren Betrag, der es uns an dieser Stelle auch wert war. Das Boot geht jetzt in den Besitz des Erzbistums über, weil wir es auch hier als Mahnmal behalten wollen.

domradio.de: Bei den "23.000 Glockenschlägen" war ja die Flüchtlingsorganisation MOAS beteiligt. Ist die jetzt wieder dabei?

Mayer: Die ist hier federführend an Bord. Sie hat uns auch in den Kontakten vor Ort geholfen. Sie wird auch hier wieder eingebunden werden. Wir werden auch an Fronleichnam MOAS wieder die Kollekte zur Verfügung stellen. MOAS selber nimmt das zum Anlass, um auf die Situation im zentralen Mittelmeer aufmerksam zu machen und geht dort auch in diesen Tagen wieder mit einem Boot auf Patrouille.

domradio.de: Wie viel Geld ist denn damals bei den "23.000 Glockenschlägen" zusammengekommen?

Mayer: Das war ein toller Betrag - insgesamt etwa eine Viertelmillion Euro. Ob wir jetzt mit den Aktionen, die wir rund um das Boot planen, wieder in die Nähe kommen, weiß ich nicht. Aber es ist auf jeden Fall nochmal eine schöne Herausforderung.

domradio.de: Wo wird das Boot denn zu sehen sein und wie lange?

Mayer: Wir stricken da mit heißer Nadel. Ich war quasi noch vor einigen Stunden telefonisch damit beschäftigt, den richtigen Bootstrailer zu organisieren, um das Boot auch hierherfahren lassen zu können. Deswegen sind wir da auch in ganz dankbarer und sehr offener Abstimmung mit dem Domkapitel. Wir haben nämlich die Vorstellung, dass wir, ähnlich wie es Papst Franziskus auch schon gemacht hat, aus dem Boot ein Altar formen, um auch da nochmal die Verbindung klar zu machen, dass auch Jesus mit in diesem Boot sitzt. Die Fronleichnamsprozession finden wir in diesem Zusammenhang einen guten Aufhänger. Denn darum ging es auch mal im Grundgedanken von Fronleichnam; das Allerheiligste, den Glauben nach außen zu tragen und ihn im Leben wieder sichtbar zu machen. Das ist eine schöne Verbindung und jeder kann das Boot, das auch hier bleiben wird, an Fronleichnam in Köln sehen.

domradio.de: Gibt es da schon Ideen, was danach mit dem Boot passiert?

Mayer: Es gibt ein paar Ideen. Wir stehen auch kurz davor, einen kleinen Aufruf zu starten, bei dem wir Ideen einsammeln wollen. Gerne können sich auch die Leute an domradio.de wenden. Wir werden die Aktion auch auf Facebook begleiten. Wir werden den Transport des Boots begleiten. Wir wollen es auf jeden Fall sichtbar machen. Es sind ja leider auch immer eine paar Sicherheitsaspekte damit verbunden, aber das Boot wird noch ins Gespräch kommen, da bin ich mir sicher.

domradio.de: Und die, die das Boot holen, sind schon unterwegs?

Mayer: Die entsprechenden Leute aus Süddeutschland sind schon auf dem Weg. Sie müssen jetzt noch ein paar Sicherheitsvorschriften für die Fähren beachten. Die Fahrt werden wir ebenfalls begleiten und ich bin sehr gespannt, ob das Boot auch heil herkommt. Wir rechnen damit, dass es schon am Dienstag in Köln sein wird.

domradio.de: Diese Aktion ist doch sicher auch eingebunden in die Willkommensprojekte mit dem Titel "Neue Nachbarn" des Erzbistums, oder?

Mayer: Auf jeden Fall. Auch da schauen wir, wie wir die Dinge miteinander verbinden können. So wichtig uns dieses Zeichen ist, so sehr stehen doch letztlich die Projekte im Vordergrund, bei denen es wirklich darum geht, konkrete Hilfe zu leisten. Es ist ein Ausrufezeichen, das wir setzen. Wir wollen es aber auch einbinden in eine sehr substanzielle Aktion und sind auch da gerade mit den Teams rund um die Aktion "Neue Nachbarn" im Gespräch, wie wir auch hier dafür sorgen können, dass eine Verbindung hergestellt wird.

Das Gespräch führte Johannes Schröer.

 

MOAS: 

Die Abkürzung steht für "Migrant Offshore Aid Station". MOAS ist eine registrierte gemeinnützige Stiftung in Malta mit der Aufgabe Flüchtlinge in Seenot zu retten. MOAS verfügt mit der Phoenix über ein 40 Meter langes Schiff, zwei ferngesteuerte Flugzeuge und zwei Schlauchboote. Ein Team von Rettern und Notärzten versucht Schiffe in Seenot auszumachen und den Menschen an Bord der seeuntüchtigen Boote zu helfen. Das Projekt wird von dem früheren maltesischen Verteidigungsminister Martin Xureb geleitet.

Die Idee dazu hatten Regina und Christopher Catambrone, ein italienisch-amerikanisches Unternehmerpaar, das seit mehreren Jahren auf Malta lebt. Inspiriert von einer Rede von Papst Franziskus gaben sie das Startkapital in der Überzeugung, dass so Desaster auf See gemildert werden können. In den Jahren 2014 bis 2015 rettete MOAS im Mittelmeer nach eigenen Angaben mehr als 16.600 Leben und ist derzeit dabei, seinen Wirkungsbereich auf Südostasien auszudehnen. Der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, ruft zu Spenden für MOAS auf. (dr/dpa)


Ansgar Mayer (KNA)
Ansgar Mayer / ( KNA )
Quelle:
DR