Erzbischof Salazar über den neuen kolumbianischen Präsidenten

"Ein Mann des Dialogs"

Neuer Präsident von Kolumbien wird der ehemalige Verteidigungsminister Juan Manuel Santos. Der Präsident der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Ruben Salazar Gomez, über den Wahlausgang und Santos politische Linie.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, mit knapp 70 Prozent Zustimmung hat Juan Manuel Santos die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Bedeutet das faktisch eine Fortsetzung der umstrittenen Politik seines Vorgängers Uribe?
Salazar: Uribe genoss bis zuletzt immer noch fast 75 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung. Das ist schon ungewöhnlich. Santos ist damit angetreten, die harte Politik Uribes gegen die Guerilla fortzuführen. Dennoch glaube ich, ist das keine hundertprozentige Fortsetzung. Santos ist eine andere Persönlichkeit und eher ein Mann des Dialogs. Er ist sich der großen sozialen und humanitären Probleme des Landes bewusst und will hier neue Akzente setzen.

KNA: Aber Santos trug als Verteidigungsminister die Verantwortung für die Ermordung Hunderter unschuldiger Zivilisten, die vom Militär anschließend als angebliche Rebellen ausgegeben wurden.
Salazar: Er war dafür nicht direkt verantwortlich. Und er hat als Minister gut reagiert: Er hat diese Menschenrechtsverletzungen durch die Militärs zur Anklage gebracht.

KNA: Bislang jedoch ohne Ergebnis, ohne strafrechtliche Folgen. Was macht Sie dennoch sicher, dass Santos ein Mann des Dialogs ist?
Salazar: Ich hatte ein dreistündiges Gespräch mit ihm und bin mir sicher, dass er es ernst meint. Er hat erkannt, dass sich die Konflikte mit den linken FARC-Rebellen nicht allein militärisch lösen lassen, sondern nur im Dialog. An erster Stelle steht bei alledem die Lösung der sozialen Probleme, denn davon nährt sich die Macht der Guerilla. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Hinzu kommen im Zuge der Ansiedlung von Mega-Industrieprojekten vier Millionen Vertriebene.

KNA: Hat Santos schon Vorschläge gemacht, wie er die Probleme in den Griff kriegen will?
Salazar: Er hat einen Dialog mit der Zivilgesellschaft angekündigt, zudem einen nationalen Menschenrechtsplan. Ich gehe davon aus, dass er auch die Rechte der Arbeiter stärken wird. Denn die ersten beiden Punkte auf Santos Regierungsprogramm sind die Schaffung von Arbeitsplätzen - und die Verbesserung der Arbeitsqualität. Die Regierung Santos muss auf jeden Fall die Verantwortung der Unternehmen einfordern. Es darf keine weiteren Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen geben, nur damit die Wirtschaft um jeden Preis expandieren kann.

KNA: Was bedeutet der Wahlausgang für das Kirche-Staat-Verhältnis?
Salazar: Sowohl Santos als auch sein designierter Vize sind sehr kirchennah. Der zukünftige Präsident schätzt die Kirche, nicht zuletzt weil er weiß, dass sie ein wichtiger Faktor bei der Bekämpfung sozialer Probleme ist. Beim Aufbau eines neuen Landes, wie es sich Santos vorstellt, ist die Kirche eine zentrale Säule.

Das Gespräch führte Karin Wollschläger.