Kolumbien wählt einen neuen Präsidenten

Ende einer Ära

Krieg oder Frieden, Sicherheit, Korruption und Menschenrechte - es steht viel auf dem Spiel bei der Präsidentenwahl in Kolumbien. Nach den Umfragen läuft am Sonntag alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Regierungskandidat Juan Manuel Santos und dem Grünenpolitiker Antanas Mockus hinaus.

Autor/in:
Gerhard Dilger
 (DR)

Krieg oder Frieden, Sicherheit, Korruption und Menschenrechte - es steht viel auf dem Spiel bei der Präsidentenwahl in Kolumbien. Nach den Umfragen läuft am Sonntag alles auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Regierungskandidaten Juan Manuel Santos und dem Grünenpolitiker Antanas Mockus hinaus. Die endgültige Entscheidung dürfte aber erst in einer Stichwahl am 20. Juni fallen.

Ex-Verteidigungsminister Santos gibt sich als Garant der Kontinuität. Die umstrittene Politik der "demokratischen Sicherheit" des Staatschefs Álvaro Uribe, einer harten Linie gegen die Guerilla und eines weniger dezidierten Kampfs gegen Todesschwadronen, will er fortsetzen. Bogotás Ex-Bürgermeister Mockus hingegen betont die Menschenrechte: Um rasche Erfolge im Kampf gegen die FARC-Rebellen zu erreichen, hätten Regierung, Großgrundbesitzer und Unternehmer immer wieder auf die rechtsextremen Paramilitärs gesetzt. Solche "Abkürzungen" dürfe es künftig nicht mehr geben, sagt Mockus. Er werde sich auf legale Mittel beschränken.

Seitdem das Verfassungsgericht im Februar einer dritten Amtszeit Uribes einen Riegel vorgeschoben hat, hat sich das politische Koordinatensystem des Bürgerkriegslandes schlagartig verschoben. Obwohl Uribe nach acht Jahren als Regierungschef Zustimmungswerte von über 70 Prozent genießt, zeigt der kometenhafte Aufstieg des Mathematikers und Philosophen Mockus, dass Millionen Kolumbianer der Gewalt von links und rechts, der Bespitzelungsskandale und der grassierenden Korruption der Uribe-Ära überdrüssig sind.

"Die Gewalt wieder auf dem Vormarsch"
"Es ist immer deutlicher geworden, dass Uribes Politik mit erheblichen Menschenrechtsverletzungen verbunden ist", sagt Stefan Ofterdinger vom katholischen Hilfswerk Misereor. "In allen Landesteilen ist die Gewalt wieder auf dem Vormarsch". Gegenüber den Paramilitärs etwa habe die Regierung Uribe die Straflosigkeit "regelrecht gefördert", betont der Menschenrechtsexperte.

Einem Bericht der "Washington Post" zufolge soll ein Bruder Uribes in den 90er Jahren sogar eine Todesschwadron angeführt haben. Minister wittern hinter den Aussagen eines früheren Militärs, denen der Bericht zugrunde liegt, eine venezolanische Verschwörung. Der Präsident selbst sagt: "Ich lese keine ausländischen Zeitungen." Die Stärkung des Rechtsstaates, wie sie Antanas Mockus propagiert, muss für ihn wie eine Drohung klingen.

Dennoch waren die Umfragewerte für den rechts-autoritären Staatschef während seiner Amtszeit konstant hoch. "Die Leute sind ihm dankbar für die größere Sicherheit", erläutert der Meinungsforscher Napoleón Franco. Allerdings zeigten viele Befragungen ein differenzierteres Bild, sagt Franco. In Bezug auf Korruption und Arbeitslosigkeit, ja selbst bei Themen wie Unsicherheit in den Großstädten erhalte Uribe schlechte Noten.

"Scheitern des neoliberalen Modells"
"Katastrophal" findet Gewerkschaftschef Fabio Arias die soziale Bilanz der Uribe-Regierung. Die im regionalen Vergleich hohe Arbeitslosenquote von zwölf Prozent sei ein Beweis für das "Scheitern des neoliberalen Modells", wie es Uribe verfolgt habe. Menschenrechte und Arbeiterrechte seien weiter ausgehöhlt worden.

Knapp die Hälfte der 44 Millionen Kolumbianer gelten als arm, über sieben Millionen Menschen leben im Elend. Linkskandidat Gustavo Petro, den die Umfragen für Sonntag auf einem abgeschlagenen dritten Platz sehen, weist immer wieder auf die sozialen Wurzeln des fast 50-jährigen Kriegs in Kolumbien hin. Mockus sieht vor allem die zentrale Rolle des Drogenhandels: Nach wie vor füllen die Einkünfte aus dem blühenden Geschäft mit Kokain und Heroin die Kassen von Paramilitärs, FARC-Rebellen und korrupten Politikern. Nach Álvaro Uribe soll das anders werden.