Erzbischof Budzik zur polnisch-russischen Versöhnungserklärung

Streitpunkte außen vor

Die geplante Unterzeichnung einer Versöhnungserklärung von Polens katholischer Kirche und der russisch-orthodoxen Kirche wertet der Lubliner Erzbischof Stanislaw Budzik als ein "beispielloses Ereignis" in der Geschichte beider Kirchen und Völker. Außerdem spricht er über Polens Regierungspläne, eine freiwillige Kirchensteuer einzuführen.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, seit März verhandelt die katholische Kirche in Polen mit der Regierung über ein neues Finanzierungssystem. Der staatliche Rentenfonds für Geistliche soll abgeschafft werden. Als Ausgleich sollen die Bürger künftig die Möglichkeit haben, einen kleinen Teil ihrer Einkommensteuer einer Religionsgemeinschaft zukommen zu lassen. Wie laufen die Gespräche?

Budzik: Beim jüngsten Treffen haben wir uns gegenseitig ziemlich genau alle Bedenken erklärt. Und die Situation ist nun reif, um eine Entscheidung zu treffen. Nach der Sommerpause sollen die Gespräche fortgesetzt werden.



KNA: Die Regierung will den Kirchenfonds durch eine Art freiwillige Kirchensteuer von 0,3 Prozent ersetzen. Warum lehnt die Kirche das ab?

Budzik: Es geht in den Gesprächen um eine Reform, die garantiert, dass die Ziele des Kirchenfonds auch künftig verwirklicht werden.

Die kirchliche Seite ist überzeugt, dass das mit einem Kirchenbeitrag in dieser Höhe nicht möglich ist. Es stellt sich die Frage, ob die staatliche Seite die gesellschaftliche Rolle der Kirche würdigt, wie das in vielen Ländern Europas mit langer demokratischer Tradition der Fall ist.



KNA: Sehen Sie die Verhandlungen an einem toten Punkt? Ministerpräsident Donald Tusk hat erklärt, dass das Parlament diese Reform auch ohne Einigung mit der Kirche beschließen könne. Wenn das der Kirche nicht gefalle, könne sie dagegen vor dem Verfassungsgericht klagen.

Budzik: Seit den Systemveränderungen von 1989 war es Praxis, dass auf dem Weg eines Dialogs von Staat und Kirche eine Verständigung erzielt wurde. Das Resultat war das Konkordat, das die Beziehungen regelt und sehr zur Stabilisierung des Verhältnisses der Kirche zum Staat beigetragen hat. Ich kann nicht glauben, dass der Herr Ministerpräsident mit dieser guten Tradition brechen möchte.



KNA: Tusk will mit der Finanzreform nach eigenen Worten "das Gefühl des elementaren Anstands und der Transparenz im Interesse des Staates und der Kirche wiederherstellen".

Budzik: Das suggeriert, dass es in den Beziehungen bisher keinen elementaren Anstand und Transparenz gegeben habe. Ich kann einer solchen Einschätzung nicht zustimmen. Alles geschieht im Einklang mit dem Gesetz, an das wir uns alle als Bürger halten müssen. Ein Gesetzesverstoß zieht Konsequenzen nach sich. Es geht darum, dass man die bestehenden Gesetze verbessert - nach dem Vorbild der Lösungen, die in Europa bestehen und gut funktionieren.



KNA: Ein anderes Thema: Der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. und der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, werden Freitag im Warschauer Königsschloss eine gemeinsame Botschaft an Russen und Polen unterzeichnen. Ein Durchbruch in den Beziehungen der katholischen Kirche Polens und der orthodoxen Kirche Russlands?

Budzik: Die Unterzeichnung durch beide Kirchen ist ein beispielloses Ereignis in der langen Geschichte der Nachbarschaft unserer Kirchen und Völker, die in den Traditionen des östlichen und westlichen Christentums verwurzelt sind. Ich weiß nicht, ob das Ereignis ein Durchbruch wird. Ich hoffe, dass es der Anfang des Weges des Dialoges zwischen unseren Kirchen ist; dass sich dadurch unsere Völker annähern. Und dass es zum geistigen Fundament von Maßnahmen wird, die auf anderen Ebenen ergriffen werden.



KNA: Gibt es in dem Dokument ähnliche Worte wie den Satz "Wir vergeben und bitten um Vergebung", den die polnischen Bischöfe 1965 an ihre deutschen Amtsbrüder schrieben?

Budzik: Wir zitieren nicht genau diese Worte, sondern wir wenden uns mit einem Appell an Christen und Menschen guten Willens, den Weg des Dialogs, der Versöhnung und Vergebung zu beschreiten. Das muss in den Herzen der Menschen passieren, die mit Gott versöhnt sind - das lässt sich nicht von oben per Dekret anordnen.



KNA: Ist in den polnisch-russischen Beziehungen die Zeit noch nicht reif, um konkret zu sagen, wer sich wofür entschuldigt?

Budzik: Es gibt eine russisch-polnische Regierungskommission für schwierige Fragen, die geduldig versucht, die Bewertungen beider Seiten über schmerzliche Ereignisse unserer gemeinsamen Vergangenheit anzunähern. Die Kommission veröffentlicht umfangreiches Material, in dem viele verschiedene Sichtweisen untersucht werden. So kann man die Argumente der anderen Seite kennenlernen. In den bilateralen Verhandlungen der Kirchen haben wir beschlossen, dass wir in dem kurzen Dokument die Streitpunkte nicht berühren, sondern bei einem allgemeinen Aufruf zur Versöhnung und Vergebung bleiben. Das ist doch erst der Beginn des Weges.



KNA: Welche Bedeutung hat das polnisch-russische Dokument für den gesamten katholisch-orthodoxen Dialog?

Budzik: Der Dialog, den wir aufnehmen, ist kein offizieller Dialog zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche. Wir tasten nicht die Kompetenz des Apostolischen Stuhls an, obgleich der Heilige Vater von dieser Initiative weiß und sie unterstützt. Wichtig ist allerdings, dass der auf höchster Ebene geführte Dialog durch lokale Initiativen ergänzt wird, um gegenseitige Vorurteile zu beseitigen und Brücken der Verständigung zu bauen.



Das Interview führte Oliver Hinz (kna)