Entwicklungsorganisationen unzufrieden mit Ergebnissen des Ernährungsgipfels

Vertane Chance?

Zum Abschluss des Welternährungsgipfels in Rom ziehen deutsche Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen eine ernüchternde Bilanz. "Brot für die Welt", der Evangelische Entwicklungsdienst (eed) und FIAN sprachen am Donnerstag in Rom von "einer weiteren vertanen Chance". Sie kritisierten, dass UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeitgleich zur Konferenz die Vorschläge der Vereinten Nationen zum Umgang mit der Ernährungskrise vorgelegt habe, diese aber beim Gipfel nicht diskutiert wurden.

 (DR)

Bei dem dreitägigen Treffen von 3.500 Regierungsbeamten, 40 Regierungschefs, 80 Ministern und zahlreichen Abgeordneten und Industrievertretern sei «nicht mehr herausgekommen als eine kurze Erklärung, die angesichts des ungelösten Hungerproblems in skandalöser Weise hinter den Erfordernissen zurückbleibt», beklagen die Organisationen.

Die Vorschläge der neuen UN-Arbeitsgruppe zur Hungerkrise, die Ban beim Gipfel der Öffentlichkeit vorstellte, rückten zwar «erfreulicherweise» die Förderung benachteiligter ländlicher Produzenten ins Zentrum. Zugleich enthielten sie aber auch alte Rezepte, die nicht hilfreich seien, um den Hunger zu reduzieren. Als Beispiele nennen eed, Brot für die Welt und FIAN eine Öffnung der Märkte des Südens, die Subventionierung von Importen durch Entwicklungsgelder oder die Privatisierung von Getreidespeichern.

«An der Uneinigkeit der Staaten gescheitert»
Dass der UN-Plan nicht öffentlich diskutiert wurde, nannte Armin Paasch von FIAN unverständlich. Damit drohe «eine gefährliche Entdemokratisierung der internationalen Agrarpolitik». Thomas Hirsch von Brot für die Welt beklagte, das ursprüngliche Ziel der Konferenz, Klimawandel und Agrarkraftstoffe in ihrer Auswirkung auf die Welternährung anzugehen, sei an der Uneinigkeit der Staaten gescheitert. Die Welternährungsorganisation FAO habe nicht beantworten können, was zu tun ist, «damit Klimawandel und Agrarkraftstoffe die Hungerkrise nicht noch weiter verschärfen».

Hirsch weiter: «Anstatt den angereisten Kleinbauern, Fischern und Hirten zuzuhören, was sie zu diesem Thema zu sagen haben, hat man sie und ihre Expertise während der Konferenz weitgehend ignoriert und stattdessen der Agrarindustrie breiten Raum geboten.»

Vatikan beklagt verpasste Chancen in der Entwicklungspolitik
Der Vatikan erhofft sich vom UN-Ernährungsgipfel in Rom eine Sensibilisierung der Weltgesellschaft. Die aktuelle Nahrungsmittelkrise dürfe sich nicht wiederholen, sagte Vatikandiplomat Monsignore Renato Volante am Donnerstag im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei der Welternährungsorganisation FAO beklagte verpasste Chancen in der Entwicklungspolitik.

Die Zahl der Hungernden hätte man «bereits vor sechs oder sieben Jahren radikal mindern» müssen, um die Millenniumsziele einhalten zu können. Das damals gesetzte Ziel, die Zahl der Hungernden zu halbieren oder innerhalb einer bestimmten Frist zu verringern, sei nicht erreicht worden, so Volante. «Jetzt scheint es unerreichbar.» Auf dem dreitägigen Gipfel am Hauptsitz der FAO hatten Vertreter der Staatengemeinschaft bis Donnerstag über Ursachen und Konsequenzen der Nahrungsmittelknappheit beraten.

Den Klimawandel nannte Volante «zum großen Teil die Folge von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen». Der Vatikan setze auf mehr Bildung, um von Menschen verursachte Katastrophen zu vermeiden. Mit Blick auf das Thema Biotreibstoff unterstrich der Vatikandiplomat den Vorrang der Nahrungserzeugung vor der Energiegewinnung. Lebensmittel müssten zuerst der Ernährung dienen. «Jeder Mensch hat ein Recht auf Nahrung», sagte Volante.

Biosprit am Pranger
Einig waren sich alle Teilnehmer des Welternährungsgipfels, dass die weltweite Lebensmittelkrise umgehend ein gemeinsames Handeln der internationalen Gemeinschaft erfordert. Streit herrschte jedoch über die Fragen nach den Ursachen der Krise. Besonders weit gingen die Positionen bei der Einschätzung auseinander, wie weit die wachsende Produktion von Biotreibstoffen für den rasanten Preisanstieg der vergangenen Jahre verantwortlich ist.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva warb dafür, die Herstellung von Bioäthanol aus Zuckerrohr als Mittel im Kampf gegen den Hunger einzusetzen. Die internationale Hilfsorganisation Oxfam macht die Produktion von Biotreibstoffen dagegen für 30 Prozent der jüngsten drastischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln verantwortlich.

Die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) beziffert die Auswirkung von Äthanol- und Biodieselherstellung an der Teuerungsrate dagegen auf fünf Prozent. «Die Nachfrage nach Bioenergie hat einen zu vernachlässigenden Effekt auf steigende Lebensmittel- und Getreidepreise und dadurch auf Fleischpreise», versicherte auch Fred Stephens, der Präsident der Internationalen Föderation der Futterindustrie in Rom.

Die FAO, Gastgeberin des Welternährungsgipfels, will Biotreibstoff als Chance für die Entwicklung ländlicher Gebiete verstanden wissen. Wichtig sei es, nachhaltige Methoden im Umgang mit den neuartigen Treibstoffen zu finden, fordern Experten der UN-Organisation.

Trotz Uneinigkeit in Einzelfragen kristallisierte sich bei den Beratungen der Delegierten aus rund 180 Staaten heraus, dass ein enger Zusammenhang zwischen Hungerkrise, Biotreibstoffen und Klimawandel besteht. So sagte die Exekutiv-Direktorin des Welternährungsprogramms (WFP), Josette Sheeran: «Unsere größte Herausforderung besteht darin, ausreichenden Zugang zu Lebensmitteln und Treibstoff für alle zu garantieren.» Unerschwingliche Dieselpreise führten etwa in Kenia zu einer drastisch gesunkenen Lebensmittelproduktion und heizten daher die Teuerung bei Getreide an.

Eine radikale Kehrtwende forderten nichtstaatliche Organisationen. Reiche Länder müssten verpflichtende Ziele zum Einsatz von Biotreibstoffen dringend revidieren, forderte der Oxfam-Experte Alexander Woolcombe. Nur so könne der Einfluss des Biosprits auf die Teuerung gestoppt werden. In Deutschland wurde kürzlich die geplante Erhöhung der Biosprit-Beimischungspflicht zurückgenommen. Die Agrotreibstoffe hätten jüngsten Forschungen zufolge zudem negative Konsequenzen für den Klimawandel, warnte Oxfam.

Selbst bislang wenig bekannte Energiepflanzen wie Steinklee oder Sudangras, die anstelle von Mais, Raps oder anderen Lebensmitteln zu Biosprit verarbeitet werden könnten, würden unweigerlich Ackerland für Getreide beanspruchen, sagte die Aktivistin Pat Mooney. Das sei moralisch inakzeptabel.