Der Vatikan-Vertreter Renato Volante zum Welternährungsgipfel

"Jeder Mensch hat ein Recht auf Nahrung"

Mit einer gemeinsamen Erklärung ist am Donnerstag der Welternährungsgipfel in Rom zu Ende gegangen. Bei dem dreitägigen Treffen berieten 3.500 Regierungsbeamte, 40 Regierungschefs, 80 Minister und zahlreiche Abgeordnete und Industrievertreter über Ursachen und Konsequenzen der globalen Nahrungsmittelknappheit. Für den Vatikan nahm der Ständige Beobachter bei der Welternährungsorganisation FAO, Monsignore Renato Volante, an dem Treffen teil. Er sprach mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Rom über die Einschätzung der Krise durch den Heiligen Stuhl.

 (DR)

KNA: Monsignore Volante, mit welchen Erwartungen haben Sie als Vatikan-Vertreter an dem Treffen teilgenommen?
Volante: Wir erwarten in erster Linie eine Sensibilisierung der Weltgesellschaft. Jetzt treten die Probleme klar hervor, die sich schon seit langer Zeit angekündigt haben. Wir hoffen, dass die Teilnehmer dieses Gipfels - internationale und nationale Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen - eine konkrete Antwort geben, um diese schwerwiegende Krise zu überwinden. Dass sie helfen, kooperieren und den Menschen Beistand leisten, die direkt von der Krise betroffen sind. Wir müssen Bedingungen schaffen, um die Krise an der Wurzel zu bekämpfen und zu verhindern, dass sie sich in Zukunft wiederholt.

KNA: Ist die Situation tatsächlich so dramatisch, dass ein Ernährungsgipfel auf dieser Ebene nötig war?
Volante: Ja. In den am meisten entwickelten Ländern hat sie sich durch eine enorme Preisexplosion klar bemerkbar gemacht. Auch bei uns wird es für manche Familien langsam schwierig, Lebensmittel zu bezahlen. In den ökonomisch weniger entwickelten Ländern ist die Krise noch schlimmer - dort fehlen schlicht Grundnahrungsmittel.

Rund eine Milliarde Menschen sind unterernährt. Diese Zahl hätte man bereits vor sechs oder sieben Jahren radikal mindern müssen. Das Gegenteil ist geschehen. Für viele Menschen ist die Situation noch dramatischer geworden. Das damals gesetzte Ziel, die Zahl der Hungernden zu halbieren oder innerhalb einer bestimmten Frist zu verringern, ist nicht erreicht worden. Jetzt scheint es unerreichbar.

KNA: Welche Antworten auf die Krise hat der Vatikan?
Volante: Der Vatikan engagiert sich auf unterschiedlichen Ebenen in internationalen Organisationen. Außerdem unterstützt er sehr viele Nichtregierungsorganisationen, die eine enorme, weltweit anerkannte Arbeit leisten. Millionen Geistliche, Ordensleute und Laien bieten den Bedürftigen ihre Hilfe an - freiwillig. Gerade erleben wir eine sehr diffuse Notsituation. Der Heilige Stuhl legt sein Augenmerk auf die Bildung. Wir möchten verhindern, dass sich solche Krisen in Zukunft wiederholen - insbesondere von Menschen verursachte. Auch der Klimawandel ist zum großen Teil die Folge von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen. Der Heilige Stuhl bietet seine Zusammenarbeit an, um Leid zu lindern und für die Schwächsten auf der Welt Sorge zu tragen.

KNA: Die Preisexplosion für Lebensmittel hat viele Gründe - neben dem Klimawandel wird die Produktion von Biotreibstoff mitverantwortlich gemacht. Welche Position vertritt der Vatikan bei diesem Thema?
Volante: Es gibt unterschiedliche Ansätze. Wir sind uns einig, dass Lebensmittel zuerst der Ernährung dienen müssen. Jeder Mensch hat ein Recht auf Nahrung. Nur das was übrigbleibt, kann für andere Zwecke verwendet werden. Solange man für Biodiesel letztlich Getreide benötigt, muss erst sichergestellt sein, dass jeder Mensch genügend zu essen hat.

Interview: Silke Schmitt (KNA)