Elke Heidenreich blickt dem Altern positiv entgegen

"Ich habe keine Angst vor dem Tod"

Wenige Tage nach Erscheinen stand Elke Heidenreichs Buch "Altern" auf Platz Eins der Spiegel-Bestsellerliste. Sie erzählt, warum es so schön ist, alt zu sein. Und sie verrät, warum sie auf keinen Fall eine Beerdigung haben möchte.

Autor/in:
Johannes Schröer
Elke Heidenreich / © Johannes Schröer (DR)
Elke Heidenreich / © Johannes Schröer ( DR )

"Mein Gott, habt doch keine Angst vor dem Alter", schwärmt Elke Heidenreich: "Es ist doch eine schöne Zeit. Sitzt nicht in der Ecke in Gesundheitsschuhen und denkt, 'Es ist vorbei' und wartet auf den Tod. Geht raus! Esst Eis! Haut euer Geld raus! Gönnt euch im Lokal den besten Wein, den ihr kriegen könnt! Geht ins Kino! Engagiert euch sozial! Es gibt so viele Möglichkeiten. Die Obdachlosen, die Tafeln, all die Ausländer, die nicht zurechtkommen mit Behörden. Macht irgendwas, dann hat euer Leben einen Sinn." 

Elke Heidenreich kann begeistern. Wenn sie loslegt, dann ist sie kaum zu stoppen – besonders wenn sie für eine Sache brennt. So kennt man die Literaturexpertin aus den Medien. 

Wie schön es ist, alt zu sein

Als ihr Buchverlag sie anrief und fragte, ob sie in einer geplanten Essayreihe über Themen des Lebens ein Buch über das Altern schreiben könne, lehnte sie zunächst ab. Nein, über das Altsein habe sie noch nie nachgedacht, damit habe sie sich noch nicht beschäftig. 

Dann aber, als sie abends im Bett lag und grübelte, wurde der 81-Jährigen Heidenreich bewusst: Wer, wenn nicht ich? Also setzte sie sich an den Schreibtisch und schrieb in drei Wochen das Buch. Ein Riesenspaß sei das gewesen, sagt sie, weil ihr beim Nachdenken über das Alter bewusst wurde, wie schön sie es findet, alt zu werden und alt zu sein.

Tiefe Dankbarkeit

Dankbarkeit sei ihr Grundgefühl, erzählt Heidenreich: "Immer habe ich gedacht: aus dieser Situation bin ich rausgekommen, diese Krankheit habe ich überstanden, diese Krise habe ich bewältigt - wie dankbar ich doch sein kann." Weil Elke Heidenreich von sich sagt, sie glaube nicht an Gott, liegt es für DOMRADIO.DE nahe, nachzufragen, wem gegenüber sie dankbar sei? 

Ja, gesteht sie, als Kind falte man die Hände und sage "Danke, lieber Gott", wenn man in der Schule versetzt worden sei. Aber der Kinderglaube sei ihr abhandengekommen. Dank? "To whom it may concern", irgendjemand werde ihre Dankbarkeit im All auffangen, vermutet sie. 

Ein "Schutzschäfchen" im Dom 

Mit Elke Heidenreich kann man gut über Glauben und Unglauben diskutieren, schließlich ist sie in einem Pfarrhaus bei Pflegeeltern aufgewachsen. Und jetzt ungläubig? So ganz einfach ist das nicht, denn sie gibt zu, dass sie im Kölner Dom ein "Schutzschäfchen" hat – ein Bild in der Kathedrale, das sie immer wieder aufsucht und anschaut und auch eine Kerze anzündet, wenn es nötig ist. Ihr Lieblingsplatz im Dom ist ein Sitzplatz gegenüber dem bunten und lebensfrohen Fenster von Gerhard Richter. 

Richter-Fenster (DR)
Richter-Fenster / ( DR )

Und wenn Gott sie nicht tröstet, wer oder was dann? Die Natur, die Schönheit, wenn im Frühling die Blumen sprießen, das sei für sie alles göttlich. Und die Bibel natürlich Weltliteratur. Tolle Geschichten seien das, die zehn Gebote versuche sie auch einzuhalten.

Auf gar keinen Fall eine Beerdigung

Und die Angst vor Tod und Dunkelheit? Natürlich liege sie in manchen Nächten wach im Bett und grüble über dies und das, auch über ihre Todesstunde. Aber dann, am Morgen, denke sie, "jetzt muss ich mit dem Hund raus." Tätig zu werden, helfe gegen die Ängste, die sie so auch zulassen könne. 

Und ihre Beerdigung? Ob sie da einen Wunsch habe? Auf gar keinen Fall wolle sie eine Beerdigung, auf gar keinen Fall eine Trauerfeier. "Keine Predigt, keine Orgel, keine Tränen, keinen Streuselkuchen, kein Grab, keinen Grabstein." Verbrannt wolle sie werden und dann, drei Tage später, eine kurze Mitteilung in der Zeitung: Elke ist gestorben.

Genießt das Leben

Aber bis dahin hat die 81-jährige noch viel vor. Sie sprüht vor Energie. In ihrem Buch zitiert sie Astrid Lindgren: "Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern." Ihr Essay "Altern" ist ein heiteres Buch, ein Buch, das Lust darauf macht, alt zu werden und alt zu sein. 

Man werde doch nicht ein anderer Mensch, nur weil man alt werde, sagt sie. Die Gesellschaft schreibt einem eine Rolle zu, eine Seniorenrolle, der Elke Heidenreich sich verweigert, diesen Prozess der Enteignung werde sie nicht mitmachen. "Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wie ich zu sein habe, nur weil ich alt bin." Also! Es gilt Elke Heidenreichs Rat zu beherzigen, egal wie alt man ist: "Genießt das Leben." 

Tipps für ein gutes Leben im Alter

Was kann man von Ordensleuten im Hinblick auf ein erfülltes und hoffentlich gesundes Leben im Alter lernen?

Sich auf den Alterungsprozess einlassen: Die Altersforscherin Anna Corwin sagt, die wichtigste Lektion, die man von Nonnen lernen könne, sei, sich ganz auf den Alterungsprozess einzulassen und diesen positiv anzunehmen. Angestrengt dagegen anzukämpfen, führe zu Stress und einem reduzierten Wohlbefinden.

Ordensfrauen des Schervier-Ordens schmieren Butterbrote und verpacken sie in Papiertüten / © Theodor Barth (KNA)
Ordensfrauen des Schervier-Ordens schmieren Butterbrote und verpacken sie in Papiertüten / © Theodor Barth ( KNA )
Quelle:
DR