"Ich hoffe, es wird eine sehr fromme, sehr kluge Ordensschwester Päpstin", antwortete die evangelische Bischöfin Petra Bahr auf die Frage, welchen Papst die Welt braucht. Mit dieser Hoffnung endete ein langer, spannender Tag in der Kölner Karl Rahner Akademie, ein Tag, an dem sich die "Champions League" der deutschen Theologie und Wissenschaft traf, um in einem Symposium über das Papsttum nachzudenken.
Und der Vergleich mit der Champions League, den der Leiter der Akademie, Norbert Bauer, in seiner Begrüßung wählte, war durchaus berechtigt. Denn mit Michael Seewald, Ursula Nothelle-Wildfeuer, Johanna Rahner und Thomas Söding waren prominente Theologieprofessorinnen und Professoren aus ganz Deutschland angereist. Professor Claus Leggewie und Professorin Tine Stein vertraten als Politikwissenschaftler die weltliche Sichtweise auf die Bedeutung des Papstes. Unterstützt wurde die Tagung von der Uni Göttingen. Dazu kamen am Abend in der Veranstaltungsreihe "frank&frei" die evangelische Bischöfin Petra Bahr und der Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in die Karl Rahner Akademie.
Anlass des gemeinsamen Nachdenkens über das Papstamt war das Buch "Papst und Zeit" des renommierten Politologen Otto Kallscheuer, der aus oft originellen Blickwinkeln fragt, was das Papstamt über all die Jahrhunderte so beständig gemacht hat. Die Wandlungs- und Reformfähigkeit, so könnte man seine Antwort zusammenfassen und die radikale Zweiweltlichkeit, "denn hier kommen die irdische und die himmlische Welt zusammen", sagte er.
Kallscheuer, der von seinem Wohnort Sardinien nach Köln angereist war, schwärmte von der Fähigkeit des Papsttums, sich in größten Existenzkrisen neu zu erfinden. Das sei nach dem Investiturstreit so gewesen, nach der Reformation und auch nachdem Napoleon die Kirche politisch entmachtet habe. "Die Gestalt der Kirche, wie sie heute existiert, ist das Ergebnis ihres Umgangs mit Krisen", betonte er.
Das Papstamt hat all die Krisen überlebt. Zum Beispiel indem der Vatikan nach der Entmachtung des Episkopats durch Napoleon Maria als Verbündete aktiviert hat. "Es begann ein Jahrhundert voller Marienerscheinungen und Marienwallfahrten", erklärte die Theologin Johanna Rahner und schilderte sehr anschaulich, wie plötzlich im 19. Jahrhundert Maria zum Markenzeichen des Papstes wurde.
Das Papstamt und die Kirche erfanden sich mit außerordentlich schöpferischer Phantasie neu, auch indem sie verweiblichte. Im 19. Jahrhundert brach ein Ordensfrühling weiblicher Kongregationen aus. "Was allerdings nicht bedeutete, dass diese Verweiblichung zu einer Emanzipation führte", sagte Rahner. Im Gegenteil, das Papstamt wurde zunehmend dogmatischer und starrer.

"Am Anfang des modernen Papsttums stand Napoleon", so begann Professor Michael Seewald seinen Vortrag. "Der dogmatische Machtanspruch des Papstes entsteht im Westen langsam". Ziel sei es gewesen, die Kirche aus den Fängen katholischer Herrscher in Europa zu befreien und als Glaubensgemeinschaft neu aufzustellen. So habe das Papsttum als analoge autoritäre und monopolistische Macht seine Universalkompetenz behalten. Aus einem übersteigerten Primatanspruch des Papstes haben sich dann aber Absurditäten wie das Dogma der Unfehlbarkeit entwickelt, fügte Otto Kallscheuer hinzu.
Aber wie mächtig ist der Papst heute? Bischof Franz-Josef Overbeck meinte, dass die innerkirchliche Autorität des Papstes überschätzt werde. "Es gibt viel mehr Autonomie einzelner Teile der Kirche, als es den Anschein hat", sagte der Ruhrbischof und Bischöfin Bahr pflichtete ihm bei. Oft sei sie in der katholischen Nachbarkirche in Hannover zum Predigen eingeladen. Kirchenrechtlich ist das verboten und wird doch gemacht. Für die katholische Weltkirche sei die einheitliche Liturgie und das Gebet entscheidend und identitätsstiftend, weil sie die Gemeinschaft der Gläubigen zusammenhalten – nicht in erster Linie der Papst, sagte Overbeck.
Vom Papstamt zeigte sich die evangelische Bischöfin fasziniert, manchmal auch abgestoßen: "Doch dann holt mich die Faszination wieder ein". Einig war man sich, dass die Papstperformance nicht ins Folkloristische abgleiten darf und der Papst mehr sein muss als eine Medienikone. "Das Christentum braucht nicht nur "Feeling" sondern auch intellektuelle Durchdringung, nicht nur einen warmen anderen Raum. Das werde dem Anspruch des Christentums nicht gerecht, meinte Bahr und dann sagte sie: "In den USA hat eine Frau, die Bischöfin Mariann Edgar Budde, als sie Trump die Leviten gelesen hat, geredet wie ein Papst". Overbeck fügte schmunzelnd hinzu: "Da können sie sehen, wie integrierend ein Papst sein kann, wenn eine Frau redet wie ein Papst".

Als Oberhaupt von 1,4 Milliarden Christen ist der Papst der Sprecher der weltweit größten Religionsgemeinschaft. Einig waren sich die Teilnehmer des Symposiums darüber, dass im Papstamt große Chancen liegen. Kritisch sehen sie aber, wie der aktuelle Papst Franziskus vermeidet, zum Überfall auf die Ukraine Stellung zu beziehen. Schließlich sei das ein Krieg von Christen gegen Christen – mit Kyrill als Verbündeter des Aggressors Putin. Da bleibe Franziskus unter seinen Möglichkeiten, sagte Overbeck und Kallscheuer ergänzte: "Ein kreatives Pontifikat muss auch Formeln der Verkündigung finden, die politisch klarer sind".
Braucht die Welt einen Papst? "Ja! Die Existenz der Kirche und des Papstamtes ist als transnationale Institution ein gesellschaftliches Gut. Dass es diese Institution seit 2000 Jahren gibt, ist ein Wunder", sagt Otto Kallscheuer. "Die Institution Kirche und Papstamt ist ein Wert, den man auch als Ungläubiger akzeptieren sollte." Und die wichtigste Aufgabe des Papstes sei, die Einheit der katholischen Kirche zu verkörpern und aufrecht zu erhalten. "Mit den bisherigen Mitteln des Diktats von oben wird sich das nicht mehr aufrechterhalten lassen", zeigte sich Kallscheuer überzeugt: "Von der Möglichkeit einer glaubwürdigen Antwort, wie die Einheit der Kirche mit der Pluralität ihrer Seelen zu vereinen ist, wird die Zukunft der Kirche abhängen".