1984, der sozialistischen Tschechoslowakei ging es wirtschaftlich schon so richtig schlecht, da tauchte im tschechoslowakischen Konsulat in Wien ein US-Bürger auf. Der Geschäftsmann Danny Douglas, damals 46 Jahre alt, schlug den Behörden einen kurios-dubiosen Deal vor: Für die Summe von 250.000 US-Dollar sollte er einen nicht näher genannten Kunstgegenstand aus der Tschechoslowakei ausführen dürfen; einen Gegenstand, den nach seinen Worten niemand suche und der auch niemandem fehle.
Die Behörden zeigten sich interessiert – an dem Geld, aber natürlich auch an dem geheimnisvollen Kunstgegenstand, der angeblich niemandem fehlte – der aber ins Ausland geschafft werden sollte. Im Hintergrund wurde eine Sonderkommission der Polizei auf die Suche geschickt: nach etwas, das niemand suchte. Wäre eine Ausfuhr nicht am Ende doch ein großer Verlust für die Tschechoslowakei?
Im Verlauf der weiteren Verhandlungen bemühte sich Douglas, möglichst keine weiteren Hinweise auf das Objekt der Begierde preiszugeben. In der Tschechoslowakei wurde er an eine staatliche Firma verwiesen, die mit Kunsthandel befasst war. Immer mit am Tisch saßen angeblich Kunsthistoriker oder Beamte des Finanzministeriums - tatsächlich Mitglieder der Soko. Die Tatsache, dass der US-Bürger so überhaupt keine weiteren Infos zu dem Gegenstand geben wollte, machte die Polizisten stutzig. Das musste etwas ganz Bedeutendes sein!
Fieberhaft suchen - aber was?
Und die Sache zog sich hin. Über 14 Monate suchten die verdeckten Ermittler fieberhaft etwas, von dem sie gar nicht wussten, was sie suchten. Allerdings: Es musste ja ein Vertrag aufgesetzt werden - und in den Verhandlungen musste Glücksritter Danny Douglas am Ende doch das ein oder andere Detail preisgeben; etwa, dass das Objekt am Ende des Zweiten Weltkriegs vergraben wurde - und dass niemand seither das Versteck angetastet hatte.
Für die Soko führte diese Spur hin zu Adelsgeschlechtern, die 1945 enteignet wurden und zu allermeist das Land verlassen hatten. Auch musste Douglas zusagen, den Gegenstand mit einheimischen Kunstexperten und Spezialwerkzeug zu bergen. Es war also "etwas Großes"... Die Ermittler tasteten sich nach und nach heran. Und dann kam ein weiteres Puzzleteil - das entscheidende. Es war Herbst geworden, Herbst 1985. Und irgendwo musste man sich ja zur Bergung verabreden. Douglas schlug einen Ort in der Nähe des Verstecks vor: Karlovy Vary, Karlsbad.
Ab jetzt wurde für die Polizei die Zeit knapp. Schon bald sollte die Hebung stattfinden. Aber wo? Enteignete Adelssitze nahe Karlsbad. Sie waren nah dran. Burg Becov vielleicht? Petschau, zuletzt im Besitz der K.u.K-Familie von Beaufort-Spontin, Nachfahren des Kammerherrn von Kaiser Franz II.? Die Ermittler suchten Hilfe bei einer Expertin, der erfahrenen Mediävistin und Kunsthistorikerin Dagmar Heydova (1920-2009). Sie tat schließlich den entscheidenden Griff: zum Verzeichnis der Kunstdenkmäler in Tschechien von 1932, einem dicken Schinken, noch auf Deutsch verfasst.
Es ist ein Maurus!
Heydova blätterte darin, wie sie später tschechischen Medien berichtete: "Und da sah ich ihn dann plötzlich, ich starrte darauf." Es war: der sogenannte Maurus-Schrein, eine goldene Reliquien-Truhe aus dem 13. Jahrhundert aus dem Rhein-Maas-Gebiet, 1838 erworben von Alfred de Beaufort-Spontin und aufbewahrt seit 1888 auf seiner Burg Becov. Seit einer kunstgewerblichen Ausstellung in Brüssel 1885 hatte den Schrein für 100 Jahre niemand mehr gesehen. Niemand außer der Familie, die ihn 1945 vor der Flucht aus Westböhmen vergrub.
Nun also gab es Polizeiarbeit anderer Art: Bewaffnet mit Schaufeln und Metalldetektoren machte sich die Spezialeinheit in Becov ans Graben. Und mitten in der Nacht des 5. November 1985, vor 40 Jahren, war es soweit: Unter dem Boden der gotischen Burgkapelle stießen die Goldgräber auf den Schrein des heiligen Maurus; nur knapp vor der vereinbarten Übergabe. Zu der kam es natürlich nicht. Der eh stark beschädigte Schrein wurde für sechs Jahre in einem Tresor der Tschechoslowakischen Nationalbank deponiert; aus konservatorischer Sicht eine bedenkliche Maßnahme.
"Sicherung vor den Kommunisten"
Woher der Abenteurer Danny Douglas seinen Auftrag oder seine Informationen hatte, hat er erst im Februar 2015 verraten - als er seine Geschichte an das englische Boulevardblatt "Daily Mail" verkaufte: Es war, sagt Douglas, der Kunsthistoriker Christian Beaufort-Spontin, heute 78 und der jüngere Bruder des 7. Herzogs und 5. Fürsten von Beaufort-Spontin, Friedrich Christian (81). Ihm sei es aber nicht um persönlichen Besitz gegangen, sondern um die Sicherung von Kulturgut vor den Kommunisten.
Christian Beaufort selbst wird mit den Worten zitiert, er sei wohl damals noch zu jung gewesen. Heute würde er eine so naiv-dumme Aktion nicht mehr starten. Der Maurus-Schrein wurde von 1991 bis 2002 aufwendig restauriert und seither in Burg Becov ausgestellt. Er ist das zweitwertvollste Kunstwerk der Tschechischen Republik - nach den Kronjuwelen des Königreichs Böhmen auf der Prager Burg.
Und immerhin: Danny Douglas, der Glücksritter aus dem Kalten Krieg, erhielt 2003 eine inoffizielle Belobigung des tschechischen Kulturministeriums - in Anerkennung seiner Verdienste bei der Wiederauffindung. Wenn das kein Happy End ist.