Das Inkrafttreten des Grundvertrags zwischen dem Heiligen Stuhl und der Tschechischen Republik stößt auf unerwarteten Widerstand: Staatspräsident Petr Pavel weigert sich, das Ratifizierungsdokument für den bereits von beiden Parlamentskammern gebilligten Vertrag zu unterzeichnen. Pavel folgt damit den Bedenken einer kleinen Gruppe von Abgeordneten, die sich im März an den Verfassungsgerichtshof gewendet hatten, um die Verfassungsmäßigkeit des Vertrags zu überprüfen.
Der Grundlagenvertrag soll die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Tschechischen Republik sowie die Stellung der katholischen Kirche im Land regeln. Tschechien ist eines der letzten Länder Ostmitteleuropas, in denen zwar Verträge über einzelne Ressorts geschlossen wurden, eine Zusammenfassung aber auch 36 Jahre nach der Samtenen Revolution von 1989 aussteht.
"Privilegierte Stellung"
Als Begründung für seinen Einspruch führte der Präsident in seiner Stellungnahme an das Verfassungsgericht an, der Vertrag leugne "als ganzer die grundlegenden Verfassungsprinzipien (die Charakteristika der Verfassung) unseres Staates als souveräner, säkularer und republikanischer Staat". Er schaffe eine "privilegierte Stellung der katholischen Kirche und der von ihr errichteten Rechtspersönlichkeiten in unserem Staat".
Pavels Sprecherin Karolina Blinkova erläuterte der Tageszeitung "Denik N", die Pavels Einspruch am 7. Mai als erste gemeldet hatte, der Präsident sei gesetzlich zur Mitwirkung am Überprüfungsverfahren völkerrechtlicher Verträge verpflichtet. Es gehe ihm darum, mögliche Bedenken über die Verfassungsmäßigkeit des Vertrages auszuräumen. Zur Leistung seiner Unterschrift sei Pavel an keine in der Verfassung vorgesehene Frist gebunden, er warte jetzt die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ab.
Parlamentsbeschluss mit Teil-Bedenken
Sowohl das Abgeordnetenhaus als auch der Senat des Parlaments haben die Ratifizierung des Vertrags trotz Einwänden gegenüber einzelnen Passagen über das Beichtgeheimnis beschlossen. Der Vertrag führt an, dass Tschechien das Beichtgeheimnis anerkennt, zugleich aber auch, dass alle Seelsorger über ein dem Beichtgeheimnis gleichendes Recht "unter den vom Gesetz vorgelegten Bedingungen" verfügen.
Die Kritiker, unter ihnen insbesondere die "Piraten", die bis zum Vorjahr der Regierungskoalition angehört haben, stoßen sich vor allem daran, dass eine Pastoralarbeiterin oder ein Pastoralarbeiter jede Person sein könne, die von Kirchenvertretern als solche bezeichnet wird. Die Bezeichnung "Pastoralarbeiter" wurde laut Außenministerium in den Vertrag übernommen, weil der Vatikan den Begriff "Geistliche" nicht verwende. Der Terminus sei zudem für alle Kirchen anwendbar, um sich nicht nur auf Priester und Bischöfe zu beziehen.
Bedenken bezüglich der Passagen zum Beichtgeheimnis teilt auch Präsident Pavel. Der Vertrag schaffe "aus der Anerkennung des Beichtgeheimnisses den autonomen Begriff eines völkerrechtlichen Vertrags, dessen Inhalt und Umfang nicht von den Bedingungen abhängen, die von den tschechischen Rechtsvorschriften bestimmt werden", so Pavel in seiner Stellungnahme an das Verfassungsgericht.
Weiterer Zeitplan ungewiss
Die Anfrage an das oberste Gericht war von 17 Mitgliedern des Senats eingebracht worden; dies entspricht der Minimalzahl zur Einbringung eines solchen Antrags. Wie die Sprecherin des Gerichts erklärte, werde über den Antrag das Plenum entscheiden, also alle Verfassungsrichterinnen und -richter gemeinsam. Die Behandlung auf dieser Ebene dauere üblicherweise neun bis zehn Monate.
Das Plenum könne ein Thema jedoch einem anderen vorziehen. Ob dies geschieht, ist auch von politischer Bedeutung. Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass der Vertrag mit dem Heiligen Stuhl
verfassungswidrig ist, kann er erst in Kraft treten, wenn die Ablehnung aufgehoben ist. Das aber ist höchst ungewiss.
Kürzlich erst legte Präsident Pavel fest, dass das Parlament (Abgeordnetenkammer und ein Drittel des Senats) am 3. und 4. Oktober neu gewählt werden. Alle Prognosen gehen davon aus, dass die derzeitige Regierungskoalition abgewählt wird.
Für deren Ministerpräsidenten, den bekennenden Katholiken Petr Fiala, ist das Zustandekommen des Grundvertrags ein Herzensanliegen. Im vergangenen Oktober hatte Fiala auf Regierungsebene vor der Vorlage an das Parlament den Vertrag zusammen mit dem päpstlichen Chefdiplomaten Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in Prag unterzeichnet.
Bischöfe nehmen erneut Stellung
Die Tschechische Bischofskonferenz erklärt ein weiteres Mal, das Beichtgeheimnis biete "keine Gelegenheit zu einer institutionellen Vertuschung von Verbrechen, wie dies einige behaupten". Sie begrüßt die Überprüfung im Verfassungsgerichtshof "grundsätzlich, weil die Stimme des Gerichts effizienter als wiederholte Äußerungen kirchlicher Organe dazu beitragen wird, die Bedenken zu zerstreuen".
Abschließend fasst erklärte die Bischofskonferenz zusammenfassend: "Das Konkordat verankert, dass Tschechien in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung die volle Freiheit des Denkens, des Gewissens und des religiösen Bekenntnisses garantiert. Zugleich garantiert es das Recht auf Verweigerung des Wehrdienstes und von Diensten im Gesundheitsbereich aus Gewissensgründen oder wegen des Glaubensbekenntnisses unter den gesetzlichen Bedingungen.
Die in der katholischen Kirche geschlossenen Ehen haben nach dem Vertrag die gleiche Gültigkeit und die identischen Rechtsfolgen wie die bürgerlichen Eheschließungen. Auch beim Schutz und der Bewahrung des kulturellen Erbes haben Tschechien und die katholische Kirche zusammenzuwirken."