Ehrenamtliche Sterbebegleiterin empfindet große Dankbarkeit

"Der letzte Atemzug ist geprägt von Frieden"

"Im Moment des Übergangs ist immer ein Frieden spürbar", sagt Christiane Reyer, die ehrenamtlich Sterbende begleitet. Im Interview erzählt sie, wieso es eine Ehre ist, dabei sein zu dürfen, wenn ein Mensch seinen letzten Atemzug macht.

Autor/in:
Verena Tröster
Hand einer Patientin auf einem Kissen in einem Hospiz / © Gordon Welters (KNA)
Hand einer Patientin auf einem Kissen in einem Hospiz / © Gordon Welters ( KNA )

Himmelklar: Sie haben schon einem Menschen die Hand gehalten, als er seinen letzten Atemzug gemacht hat. Aber das ist nicht die Regel, oder? 

Christiane Reyer  / © Verena Tröster (DR)
Christiane Reyer / © Verena Tröster ( DR )

Christiane Reyer (Ehrenamtliche Sterbebegleiterin): Nein, den Glücksfall gibt es nicht immer. Ich bezeichne das tatsächlich als Glücksfall, weil ich es als großes Geschenk empfinde, den letzten Atemzug eines Menschen zu begleiten. Wir sagen in der deutschen Sprache ja auch, jemand schenkt jemandem das Leben. Und so empfinde ich es als Geschenk, jemanden bei dem letzten Atemzug begleiten zu dürfen. 
Das ist ein sehr aufregender und gleichzeitig sehr beruhigender Moment. 

Himmelklar: Können Sie uns erzählen, wie sich das für Sie angefühlt hat? 

Reyer: Es ist in all seiner Unterschiedlichkeit am Ende dann doch gleich, dass man von außen einige Zeichen wahrnimmt, dass es die letzten Minuten sind. Die Atmung verändert sich. Der Blick, so denn die Augen noch geöffnet sind, verändert sich und man spürt, dass der Mensch sich auf einen Weg gemacht hat, dass er nicht mehr so ganz nahe ist und dass er irgendwie davongeht. 
Das führt bei mir als Begleiterin zu einer riesigen Aufregung und zu einem Adrenalinschub. So stelle ich mir einen Bungee-Sprung vor. Und dann ist es halt so ein Aushalten: Oh Gott, ist das jetzt der letzte Atemzug oder der nächste oder kommt noch einer? Das ist sehr aufregend. 

Für den Sterbenden ist es aber, glaube ich, eine relativ ruhige Sache. Ich habe das immer so erlebt, dass diese letzten Atemzüge von Ruhe und von Frieden geprägt waren, von einem Loslassen, vielleicht auch davon, irgendwie woanders anzukommen. 
Es ist auf jeden Fall ein ganz großes und großartiges Gefühl. Und das begleiten zu dürfen, ist schon der Wahnsinn. 

Himmelklar: Es ist ein existenzieller Moment. Da ist es schon eine Ehre, dabei sein zu dürfen. 

Reyer: Ganz genau, ich fühle mich dann tatsächlich auch immer sehr geehrt. Wenn mein Gefühl es dann zulässt und ich mal wieder durchgeatmet habe und wieder bei mir angekommen bin, dann bedanke ich mich auch oft bei den Menschen, dass sie mich haben dabei sein lassen. Ich habe nämlich den Eindruck, dass es ein bisschen auch eine Entscheidung ist, die auch ein Sterbender noch fällen kann, wer dabei sein soll und wann dann genau der Augenblick für den letzten Atemzug sein soll.

Himmelklar: Sie arbeiten als Lehrerin und stehen voll im Leben. Sie haben vier Kinder. Ist die Sterbebegleitung auch volles Leben für Sie oder ist das ein Ausgleich? 

Reyer: Das ist für mich mein Ausgleich. Die Sterbebegleitung ist mein Hobby. Das ist meine Zeit. Die Sterbebegleitung ist auch Zeit für mich, weil ich mich da gerade nicht um Job, Familie und Haushalt kümmern muss, sondern da darf ich meinen Interessen nachgehen. Und mein Interesse ist eben, Menschen zu begleiten, die in solchen schwierigen Phasen sind. 

Ich bekomme das ganz gut vereint. Ich glaube, genauso gut wie jemand, der ein anderes zeitintensives Hobby hat. Wobei ich mir ja auch selber aussuchen kann, wie zeitintensiv ich das gestalte. Ich bin da sehr offen für die Verabredung von Terminen und Zeiten zur Begleitung. 

Himmelklar: Was bringt Ihnen diese Tätigkeit für Ihr eigenes Leben? 

Reyer: Mir bringt das eine ganz große Dankbarkeit für dieses Leben. Es bringt mich auch dazu, immer zu sehen, was ich so alles habe und alles Positive in meinem Leben zu sehen. Dafür bin ich sehr dankbar. 

Manchmal denke ich: Darf ich so viel Gutes von so etwas Schrecklichem mitnehmen? Aber ich bin froh, dass ich da immer etwas Positives darin sehen kann, weil es mich so auch in meinem Leben begleitet und weiterbringt und glücklicher und zufriedener macht.

Das Interview führte Verena Tröster.

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Himmelklar (DR)
Himmelklar / ( DR )
Quelle:
DR

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