Dutzende Tote bei Angriff auf Silvesterfeier in Istanbul

Tränen und Trauer zu Jahresbeginn

In der Silvesternacht kommen in einem Club in Istanbul Hunderte Menschen zusammen, um das neue Jahr zu feiern. Dann dringt mindestens ein Angreifer ein - und richtet ein Blutbad an. Der Papst verurteilt den Anschlag in der Türkei.

Türkische Polizei sichert Tatort in Istanbul / © Halit Onur Sandal (dpa)
Türkische Polizei sichert Tatort in Istanbul / © Halit Onur Sandal ( dpa )

Zugleich rief Franziskus zur Bekämpfung von Terrorismus auf. "Leider hat die Gewalt auch in der Nacht der Glückwünsche und Hoffnungen zugeschlagen, mit einem schweren Attentat in Istanbul", sagte er am Neujahrstag beim Angelus-Gebet auf dem Petersplatz. Er rief alle Menschen guten Willens auf, gegen Terrorismus vorzugehen, der "alles mit Blut" beflecke. Er werde für die Toten und Verletzten sowie für ihre Angehörigen und das ganze türkische Volk beten.

Friede lasse sich nur schaffen, indem man mit Taten "Nein" zu Hass und zu Gewalt sage und "Ja" zu Brüderlichkeit und Versöhnung, sagte Franziskus vor 50.000 Zuhörern auf dem Petersplatz. Das neue Jahr werde in dem Maß gut sein, "in dem jeder von uns mit der Hilfe Gottes versucht, Tag für Tag Gutes zu tun".

Der Papst erinnerte daran, dass die katholische Kirche an diesem 1. Januar bereits zum 50. Mal ihren Weltfriedenstag begehe. Er dankte allen, die sich für Frieden einsetzten, und grüßte die anwesenden Teilnehmer von Friedensmärschen. Der katholische Weltfriedenstag steht 2017 unter dem Leitwort "Gewaltfreiheit: Stil einer Politik für den Frieden".

Merkel kondoliert Erdogan

Unterdessen hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel den blutigen Anschlag scharf verurteilt. In einem Schreiben an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sprach sie ihr Mitgefühl aus. "Wieder haben Terroristen in Ihrem Land zugeschlagen", erklärte Merkel am Sonntag. "In Istanbul haben sie einen menschenverachtenden, hinterhältigen Anschlag auf Menschen verübt, die gemeinsam den Jahreswechsel feiern wollten."

Am Morgen drückte bereits das Auswärtige Amt seine Erschütterung über den Anschlag aus.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich entsetzt. "Wieder sind in der Türkei unschuldige, junge Menschen Opfer eines grausamen und feigen Anschlags geworden, die einfach nur wie Millionen andere überall auf der Welt zum Jahreswechsel eine gute und unbeschwerte Zeit miteinander verbringen wollten", erklärte der Außenminister. Die Tat und jede Form des Terroristmus seien in aller Schärfe zu verurteilen.

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, zeigten sich erschüttert: "Wir trauern mit den Menschen in der Türkei. Der fürchterliche Anschlag von Istanbul macht uns fassungslos."

Angreifer auf der Flucht

In der Silvesternacht war die türkische Millionenstadt Istanbul erneut Ziel eines Anschlags mit Dutzenden Toten geworden. Mindestens ein bewaffneter Angreifer drang in den bekannten Club "Reina" ein, schoss um sich und richtete ein Blutbad unter den Feiernden an. Mindestens 39 Menschen wurden laut Innenministerium getötet, darunter mindestens 15 Ausländer. Deren Nationalität blieb zunächst unklar.

Dem Angreifer oder den Angreifern gelang die Flucht. Zunächst bekannte sich niemand zu der Bluttat, die international scharf verurteilt wurde. Istanbuls Gouverneur Vasip Sahin sagte: "Das ist ein Terrorangriff." Schon 2016 hatte das Land eine ganze Reihe verheerender Anschläge verkraften müssen.

Gesundheitsminister Recep Akdag sagte am Morgen, 65 Verletzte würden in Krankenhäusern behandelt. Auch darunter seien zahlreiche Ausländer. Nach ersten Informationen des französischen Außenministers Jean-Marc Ayrault wurden auch drei Franzosen verletzt. Innenminister Süleyman Soylu sagte, 20 Todesopfer seien identifiziert worden. Bei ihnen handele es sich um 15 Ausländer und 5 Türken.

Über mögliche deutsche Opfer war zunächst nichts bekannt. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man stehe mit den zuständigen Behörden in Kontakt. Das israelische Außenministerium teilte mit, unter den Verletzten sei auch eine israelische Frau. Eine weitere Israelin werde vermisst.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte an, weiter entschlossen gegen den Terrorismus zu kämpfen. Die Türkei werde alles tun, um "die Sicherheit und den Frieden ihrer Bürger zu gewährleisten". Ziel der Angreifer sei, "Chaos" zu stiften.

Auch Stunden nach dem Angriff war der Verbleib des Angreifers oder der Angreifer unklar. Die Suche dauere an, sagte Soylu am Morgen. Ermittlungen der Sicherheitskräfte deuteten darauf hin, dass es sich nur um einen Schützen gehandelt habe.

Die Nachrichtenagentur DHA hatte dagegen gemeldet, zwei als Weihnachtsmänner verkleidete Terroristen seien in den Club eingedrungen und hätten das Feuer mit automatischen Waffen eröffnet. Auch eine Augenzeugin sprach von zwei Angreifern.

Rettungssprung in den Bosporus

Gouverneur Sahin sprach von einem Angreifer, der sich um 01.15 Uhr Zugang zum Club verschafft habe, indem er am Eingang einen Polizisten und einen Zivilisten erschossen habe. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, zum Zeitpunkt des Angriffs seien 700 bis 800 Menschen in dem Club gewesen. Einige seien in den Bosporus gesprungen, um dem Angriff zu entkommen, berichteten Augenzeugen. Sie seien von Polizisten gerettet worden.

Erst drei Wochen zuvor waren bei einem Doppelanschlag in Istanbul 45 Menschen getötet worden, die meisten davon Polizisten. Dazu hatte sich die TAK bekannt, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die TAK und die PKK greifen vorrangig Sicherheitskräfte an. Ebenfalls im Dezember war in Ankara der russische Botschafter Opfer eines Anschlags geworden. Der Attentäter war ein türkischer Polizist. Die Regierung verdächtigt die Gülen-Bewegung, hinter der Tat zu stecken.

Der Zeitung "Hürriyet" zufolge waren am Silvestertag acht Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Ankara festgenommen worden, die einen Anschlag in der Nacht geplant haben sollen. Türkische Truppen sind derzeit in Nordsyrien in heftige Gefechte mit dem IS verwickelt. Nach dem türkischen Einmarsch im August hatte IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi im November zu Anschlägen in der Türkei aufgerufen.

Zum Schutz vor Anschlägen waren in der Silvesternacht türkischen Medienberichten zufolge 17 000 Polizisten in Istanbul im Einsatz. An der zentralen Ausgehmeile Istiklal Caddesi kontrollierten Sicherheitskräfte die Zugänge und durchsuchten Taschen.

Die deutsche Botschaft hatte in einer Mitteilung an Deutsche angesichts der Terrorgefahr mitgeteilt: "Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen und Festlichkeiten an Silvester und Neujahr sollte verantwortungsvoll geprüft werden."


Papst Franziskus / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Papst Franziskus / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )
Quelle:
KNA , dpa , epd