Aurelia will etwas bewegen. "Ich trete an, um gewählt zu werden." Das hat sie für sich ganz klar. Alles andere wäre eine Enttäuschung. Mit ihren Anliegen gehört werden, mitmischen und eine Stimme haben - das will sie. Und wenn nötig, dafür eben in der ersten Reihe stehen. Davor macht sie sich nicht bang. Und vor Verantwortung auch nicht. "Anpacken, Ideen entwickeln, Projekte umsetzen, kreativ sein – das ist ganz meins", erklärt die 17-Jährige voller Tatendrang, die zum ersten Mal für den Pfarrgemeinderat der Kölner Innenstadtgemeinde St. Agnes kandidiert. Immer kippe die Jugend in einer Gemeinde hintenüber, stellt sie fest.
Aurelia engagiert sich in St. Agnes
Natürlich auch, weil diese inzwischen ein eher schwieriges Verhältnis zur Institution Kirche habe, aber eben auch weil die Jungen aufgrund ihres Alters oft von den Erwachsenen nicht ernst genommen würden. "Dabei sind doch gerade wir ein wichtiges Thema in der Kirche", argumentiert der Teenager selbstbewusst.
Seit zwei Jahren ist Aurelia bei der Leiterrunde der Katholischen Jugend von St. Agnes mit dabei. "Wir unterstützen überall da, wo Hilfe gebraucht wird." Und da kommt einiges zusammen: Sommerlager, Adventsbasar, Krippenspiel, Messdieneraufnahme und vieles mehr. "Ich engagiere mich, weil es mir Spaß macht." Immer – zuletzt verstärkt bei den anstehenden Pfarrgemeinderat-Wahlen – werde in der Gemeinde nach jungen Gesichtern gerufen, sagt sie. "Daher war ich auch sofort dabei, als ich gefragt wurde, ob ich nicht in diesem Gremium mitmachen will."
Und ob Aurelia will. Sie sieht ihr mögliches Mandat als große Chance, dass die Jüngeren in der Kirche mehr gesehen werden. Daher hat sie gleich auch noch Mitstreiter Clemens geworben. Im Duo lassen sich die Aufgaben leichter wuppen, meint sie. Jedenfalls wollen sich beide Jugendvertreter umhören, was genau ihre Altersklasse von der Kirche erwartet, sich dafür dann stark machen "und frischen Wind reinbringen".
Dabei schwebt der Schülerin des Ursulinengymnasiums und langjährigen Sängerin des Mädchenchors am Kölner Dom vor, für ihre Generation vor allem mehr Spiele- und Spaß-Angebote zu entwickeln und damit die Kirche für die Jugend automatisch attraktiver zu machen. Auch mal eine Jugendmesse im Team Gleichaltriger zu gestalten traut sie sich zu.
Will Werbetrommel für Jugend rühren
"Wir haben schon tolle Angebote, aber wir müssen sie eben auch in unsere Gruppen tragen und dafür die Werbetrommel rühren. Die Haustiermesse zum Beispiel, die wir in St. Agnes feiern und zu der jeder sein Tier mitbringen kann – und wenn es nur das Kuscheltier ist - finde ich ziemlich cool", schwärmt Aurelia.
Gleichzeitig drückt sie sich auch nicht darum, das auszusprechen, womit sich andere Jugendliche in ihrem Alter doch eher schwer tun: "Der Glaube war immer schon ein Teil meines Lebens. Er gehört zu mir, so bin ich aufgewachsen, direkt neben der Kirche, daher will ich sie auch mitgestalten. Glaube und Gemeinschaft sind mir wichtig. Sie sind der Anker, an dem man sich festhalten kann, wenn vieles andere einem den Boden unter den Füßen wegzieht."
Natürlich spiele da als Motivationsfaktor auch ihre langjährige Dombeziehung als Sängerin im Mädchenchor mit hinein. "Schön, dass ich das erleben durfte", findet sie rückblickend. Dennoch habe sie die Entscheidung für die Pfarrgemeinderat-Kandidatur aus freien Stücken getroffen, auch unabhängig davon, dass Pfarrer Dominik Meiering, Koordinator der Kölner Innenstadtkirchen, ihr Onkel sei "und damit quasi mein Chef", wie sie lachend anmerkt.
"Projekte zu realisieren, alte vielleicht nochmals auf den Prüfstand zu stellen, um sie gegebenenfalls wiederzubeleben, zu schauen, was funktioniert – das wäre mein größter Wunsch. Und mit dieser Leidenschaft bin ich in meiner Gemeinde genau richtig."
Markus aus St. Severin in Köln
Auch für Markus Ammann, der sich in St. Severin erstmals zur Wahl stellt, geht es bei seinem ehrenamtlichen Engagement in der Kölner Kirchengemeinde um mehr als ein x-beliebiges Hobby. Denn auch er hat sich schon in jungen Jahren immer als aktiven Teil der kirchlichen Gemeinschaft verstanden und in Korschenbroich-Glehn, wo er aufgewachsen ist, diverse Ehrenämter ausgeübt. "Dabei habe ich früh gemerkt: Mit Engagement kann man viel verändern."
Und so liegt dem heute 48-Jährigen am Herzen, was er tut. Er war schon Firmkatechet, hat im Jugendchor mitgesungen, bei den Sternsingern geholfen und eigeninitiativ einen Pfarrbrief gestemmt, um möglichst viele zu erreichen.
Als er berufsbedingt nach Aachen ziehen musste, ist er auch da sofort an die Gemeinde angedockt. Seit 2009 lebt er nun in Köln. Hier arbeitet er heute hauptamtlich im Personalcontrolling und als Dozent für Wirtschaftspsychologie; in seinem Ehrenamt setzt er auf Vielseitigkeit. Jedenfalls ist Ammann immer ansprechbar, wenn in St. Severin eine helfende Hand gesucht wird. Regelmäßig anzutreffen ist er inzwischen beim Empfangsdienst der Innenstadtkirche, wo es tagsüber viel Publikumsverkehr gibt. Hier kommt er immer wieder ins Gespräch mit Menschen über Gott und die Welt und erlebt Begegnung vor allem als Bereicherung.
"Mehr als ein x-beliebiges Hobby"
"Ich will meinen Beitrag leisten und die Botschaft der Bibel leben: für und nicht gegen die Menschen arbeiten, nicht nur allein die Kirche, sondern mit meinem kirchlichen Engagement auch die Gesellschaft mitgestalten und angesichts der politischen Entwicklung in unserem Land positive Impulse setzen – vor allem gegen die Bedrohung von Rechts." Außerdem reizt ihn eine Mitarbeit in der Liturgiewerkstatt. Aber auch für andere Betätigungsfelder zeigt er sich offen.
In St. Severin stehen zwölf Kandidaten zur Wahl, zehn von ihnen werden gewählt. Ammann hofft, an diesem Sonntag genügend Stimmen zu bekommen, auch wenn ihm bewusst ist, dass die meisten seiner Mitbewerber als alteingesessene Gemeindemitglieder bekannter sind als er und damit die größeren Chancen haben. "Ein Mandat ist wichtig, um an Entscheidungen beteiligt zu sein", begründet er seine Motivation.
Doch selbst wenn es nicht für den neuen Pfarrgemeinderat reichen sollte, will er weiterhin in der Pfarrei mitmachen, in der er für sich persönlich, aber auch grundsätzlich viel Gestaltungsspielraum sieht. Das macht er an den "tollen Seelsorgern" fest, aber auch am Gemeindeteam, das hier Pionierarbeit leiste und in seiner Entscheidungskompetenz anerkannt sei. In Zeiten großer Veränderungen und Umbrüche bekomme es den Spagat zwischen Leitung und Mitbestimmung wunderbar hin, lobt er das reibungslose Funktionieren der Verantwortlichen.
"Gemeinschaftserlebnisse catchen die Leute"
Überhaupt profitiere die Gemeinde von einer beispielhaften Lebendigkeit. Jedenfalls verkomme hier das viel strapazierte Bild der "lebendigen Gemeinde" nicht zur leeren Formel. "Die Menschen identifizieren sich mit ihrer Kirche am Ort, haben eine enge Verbindung zu ihrem Gotteshaus, so dass diese Versammlungsstätte unbedingt erhalten bleiben muss", fordert Ammann mit Nachdruck. "Gemeinschaftserlebnisse catchen die Leute eben, und davon gibt es hier reichlich."
Auch die große Zahl an ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern imponiert ihm. "Viele sieht man gar nicht, weil sie ihre Arbeit im Hintergrund erledigen und nie im Rampenlicht stehen." Klar, in den 90er Jahren habe Kirche noch ganz anders ausgesehen. "Aber Nostalgie hilft nicht weiter. Im Moment geht es darum, die Zusammenlegungen zu großen Einheiten auch als Chance zu sehen. Am Ende kann unser Miteinander – ob in Kirche oder Gesellschaft – doch nur funktionieren, wenn wir uns zum Wohl aller einsetzen." Dann aber bekomme man immer auch viel zurück. "Wenn sich hier alle entspannt zurücklehnen würden, könnten wir als Kirche einpacken."
Marcella kandidiert im Severinsviertel
Als Marcella Antoni Metz vor zweieinhalb Jahren nach Köln zog und im Severinsviertel heimisch werden wollte, fühlte sie sich von der Gemeinde gleich mit offenen Armen empfangen, brachte aber auch ihrerseits die Bereitschaft mit, sich unmittelbar bei verschiedenen Diensten einspannen zu lassen: beim "Nachtcafé" für Obdachlose, bei der Firmvorbereitung, beim Pfarrbrief Austragen, beim Karneval, bei der "Weinlaube" oder bei Plakatgestaltungen wie aktuell wieder für den Weihnachtsbaumverkauf.
Sie fühlte sich gefragt und brachte den berühmten Blick von außen mit. "Manchmal ist man als Insider ja betriebsblind und sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr", weiß die Marketing-Managerin für Medizintechnik aus Erfahrung. Das bedeute nicht, alles umschmeißen und von Grund auf neu aufzurollen zu wollen, aber doch auch manche Diskussion ergebnisoffen zu führen – zumal sich die Kirche in einem großen Transformationsprozess befinde.
"Ich bin gerne kreativ", gesteht die 44-Jährige, die ebenfalls zum ersten Mal für den Pfarrgemeinderat kandidiert, "weil ich Kirche total gerne mag", wie sie ehrlich gesteht. Metz bedauert aber, dass die Messen nicht mehr voll sind, und will dabei mithelfen, "dass die Menschen an der Kirche wieder mehr Spaß haben".
"Wir müssen Kirche wieder neu denken"
Die Kirche - das ist für sie "viel, viel mehr als alte Gebäude, mehr als Skandale und anhaltende Missbrauchsdebatten". Die Pfarrgemeinderat-Kandidatin ist überzeugt: "Wir müssen Kirche wieder neu denken, sie zu einem Treffpunkt machen, wo sich Menschen begegnen, Hoffnung und Kraft schöpfen." Gott und Glaube - das seien für sie ganz existenzielle Pfeiler ihres Lebens. "Daher ist die aktive Mitgestaltung von Gemeindeleben auch mein Weg."
Umso mehr bedauere sie, dass der gesellschaftliche Trend genau in die andere Richtung gehe. Dabei müssten sich die Menschen doch eigentlich eingestehen, dass ihnen ohne Gott etwas Wesentliches fehle. "Der Mensch ist schließlich dazu gemacht zu glauben", erklärt Marcella Metz ohne Umschweife und fügt noch hinzu: "Ich liebe einfach diese Kirche."