Domkapitular Thomas Weitz hat in seiner Predigt über drei Formen von Gastfreundschaft gesprochen: jene mit Hintergedanken, jene aus reiner Freude am Gegenüber und jene, die überraschend geschieht. Letztere verbindet er mit der biblischen Szene von Abraham, der unerwartet Besuch von drei Männern erhält – in denen die Gegenwart Gottes selbst sichtbar wurde.
Diese Perspektive führte Weitz hin zur Geschichte von Maria und Martha. Beide nahmen Jesus auf, doch während Maria ihm zuhörte, ist Martha von den vielen Aufgaben des Besuchs absorbiert. Weitz betonte, dass Jesus Marthas Dienst nicht kritisierte, sondern sie liebevoll mit ihrem Namen ansprach. In dieser doppelten Ansprache "Martha, Martha" liege kein Tadel, sondern ein Weckruf. Martha sei so sehr mit Tun und Helfen beschäftigt, dass sie Jesus – obwohl er da ist – aus dem Blick verliere. Das sei auch eine Erfahrung heutiger Menschen: sich allein fühlen inmitten von Beziehungen, sogar in der Nähe Gottes.
Den Fixpunkt nicht verlieren
Weitz deutet das Wort, das im griechischen Text für Marthas "Dienen" verwendet wird, als ein "Hin- und Hergezerrtsein". Es beschreibe die Erfahrung, innerlich zersplittert und von Aufgaben bestimmt zu sein. Wer so lebe, verliere leicht die eine entscheidende Wirklichkeit: dass Christus da ist, spricht, sieht – auch Überforderung und Selbstverstrickung. Die Hilfe, die Martha von ihrer Schwester forderte, sei in Wahrheit Christus selbst.
Der Kolosserbrief beschreibt Christus als "die Hoffnung auf Herrlichkeit". Weitz griff diesen Gedanken auf und warnte davor, diesen Fixpunkt zu verlieren. Wenn das geschehe, "hebt die Welt uns aus den Angeln". Dann werde der Mensch zu einem Getriebenen, ausgeliefert den vielen Stimmen und Anforderungen, die ihn überfordern.
Jesus als Geschenk
Demgegenüber ruft Weitz dazu auf, wie Maria bei Christus zu verweilen. Ihn zu kennen sei das größte Geschenk, ihm begegnet zu sein das Beste, was einem widerfahren könne – so zitiert er aus dem Aparecida-Dokument. Aufgabe der Kirche sei es daher nicht, wie ein aufgeregter Hühnerschwarm herumzulaufen, sondern in Christus zu ruhen und von ihm her zu leben. Er sei die Mitte. Wer das glaube, solle es auch leben.
DOMRADIO.DE hat am sechzehnten Sonntag im Jahreskreis das Pontifikalamt aus dem Kölner Dom mit Jacinto Furtado de Brito Sobrinho, emeritierter Erzbischof von Teresina in Brasilien, übertragen. Im Gottesdienst erklangen Lieder und Wechselgesänge aus dem Gotteslob, darunter eine Gloria-Vertonung von Heino Schubert und eine Vertonung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses von Karl Norbert Schmid. Kantor war Joachim Geibel. Die Orgel spielte Matthias Wand.
Evangelium zum 16. Sonntag im Jahreskreis im Lesejahr B: Lk 10,38-42
In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.
(© Ständige Kommission für die Herausgabe der gemeinsamen liturgischen Bücher im deutschen Sprachgebiet)
Impuls zum Evangelium von Dr. Katharina Wiefel-Jenner, Berlin
Wie verständlich ist Martas Wunsch. Sie allein sorgt dafür, dass es Jesus und all den anderen Gästen im Haus gut geht. Wer in ihrer Situation würde sich nicht Hilfe wünschen. So hätte sie auch die Chance zu hören, was Jesus sagt. Sie wünscht sich, dass Jesus für sie Partei ergreift. Aber Jesus verweigert sich.
Allerdings weist er Marta auch nicht zurück. Er kritisiert sie nicht einmal, obwohl man seine Bemerkung so verstehen könnte. Jesus beschreibt einfach das, was er wahrnimmt. Er sieht, wie sich Marta von Sorgen leiten lässt. Sie will alles für Jesus richtig machen, aber versäumt darüber, auf seine Worte zu achten. Für Marta steht das Handeln im Vordergrund und nicht Jesu Worte, obwohl sie vermutlich große Sehnsucht hat, ihm ungeteilt zuhören zu können. Sonst würde sie kaum um Hilfe bitten.
Mit seiner Reaktion stellt Jesus die Haltung der beiden Schwestern in einen größeren Zusammenhang. Der Dienst an ihm, wie der von Marta, braucht auch die Aufmerksamkeit für seine Worte. Konzentriertes Lernen und Hören auf Jesus ist für das Handeln unverzichtbar. Es gibt kein Handeln oder Hören, sondern Handeln und Hören gehören zusammen. Das ist die neue Lehre Jesu. Sie macht das Hören neu und auch das Handeln.