Riccardo trägt eine weiße Albe- und ein großes schlichtes Holzkreuz um den Hals – wie alle seine Chorkollegen auch. Mit Flavio, Luigi und Francesco nimmt er im Chorgestühl des Kölner Doms Aufstellung. Doch zunächst einmal eröffnet der Kathedral-Chor aus dem spanischen Granada das Mittagsgebet, das immer um 12 Uhr als Friedensgebet stattfindet und diesmal in den Binnenchor der Kathedrale verlagert wurde, damit die knapp 300 Sängerinnen und Sänger auch alle Platz finden. Aber das gehöre dazu, meint Riccardo: "Zuhören, wie die anderen singen und neugierig sein, welche Literatur sie vortragen, um sich davon auch ein Stück weit inspirieren zu lassen oder auch etwas wiederzuerkennen, was man selbst im Repertoire hat." Denn das mache den Kern dieses Treffens aus: "In Gemeinschaft zu singen und dabei möglichst viel Spaß zu haben", erklärt der 23-Jährige, der seit 15 Jahren bei den "Piccoli cantori di Torrespaccata", einem gemischten Chor in der römischen Pfarrgemeinde Santa Maria Regina mundi an der Peripherie Roms, mitsingt.
Flavio ergänzt: "Zusammen singen – das fördert den kulturellen Austausch zwischen den Nationen." Während Luigi über seine Liebe zur Musik spricht und betont, dass er diese Leidenschaft mit möglichst vielen teilen will. "München ist eine Gelegenheit dafür", freut er sich auf die Tage in der bayrischen Landeshauptstadt. Faszinierend findet es Francesco, dass sich alle in derselben universalen Sprache verständigen können. "Bei Pueri Cantores begegnen wir Menschen aus allen Teilen der Welt, die diese Passion für Musik teilen", unterstreicht der 16-Jährige. "Das ist einfach toll!" Außerdem wollten alle zusammen ein klangstarkes Zeichen für Zusammenhalt, Hoffnung und Frieden setzen. Nicht umsonst lautet das diesjährige Motto der Veranstaltung "Cantate Domino – Vielstimmig für den Frieden".
Austausch und Networking spielen große Rolle
Die Italiener sind mit einer Gruppe von insgesamt 22 Chormitgliedern zum ersten Mal in Köln. Aufgenommen wurden sie von Wuppertaler Gastfamilien. Denn auch ein Chor aus der dortigen Antonius-Gemeinde macht bei diesem Festival mit und versucht schon mal, beim Pre-Festival – so heißen die Tage der Einstimmung in den beteiligten deutschen Diözesen, die als Auftakt zum eigentlichen Festival gedacht sind – an den römischen Chor anzudocken. Denn natürlich spielen bei solchen Großereignissen wie überhaupt auch im Pueri Cantores-Verband Austausch und Networking eine große Rolle. Und Kontakte nach Rom, ins Herzen der katholischen Welt, sind nie von Nachteil.
"Es ist eine große Freude, Euch hier bei uns zu haben", betont Domkapitular Monsignore Markus Bosbach, der gleichzeitig Präsident des Allgemeinen Cäcilienverbandes für Deutschland e. V. ist, bei seiner Begrüßung. Er erklärt nicht nur den Chören aus dem Erzbistum Köln, was es mit Kölns Kathedrale und den kostbaren Reliquien der Heiligen Drei Könige auf sich hat, auch den jungen Gästen von weit her will er auf Englisch, Spanisch und Italienisch in Kürze das Wichtigste dieses gotischen Gotteshauses erschließen. Und so macht er anschaulich, dass eigens für die Gebeine der Heiligen Drei Könige ein einzigartiges goldenes Reliquiar geschaffen wurde und auf dem kleinen Turm des Domes ein goldener Stern leuchtet – wie der, dem die Könige damals gefolgt seien. Sie hätten nach einem großen König gesucht und ein Kind in einer Krippe gefunden. "Sie erinnern uns daran", erläutert Bosbach, "dass auch wir gerufen sind, immer Jesus Christus zu suchen. Wir finden ihn in der heiligen Eucharistie und im Nächsten, der uns begegnet." Von daher seien die Tage in Köln und München Tage in der Nachfolge dieser Heiligen Drei Könige.
Die Kölner Dommusik ist bereits seit dem vergangenen Wochenende Gastgeber, hat Chöre aus Spanien und dem Kongo empfangen und neben gemeinsamen Proben, Konzerten und Gottesdiensten ein buntes Begegnungsprogramm – samt Grillfest auf dem Gelände der Kölner Dommusik – für die Gäste zusammengestellt, bei dem es um gelebte Vielfalt, aber auch die Verbundenheit im Glauben geht. "In einer Zeit, in der viele Mauern hochgezogen werden, bauen unsere Chöre Brücken – mit Musik, Herz und Offenheit", heißt es dazu aus dem Kardinal-Höffner-Haus, dem Lindenthaler Chorzentrum.
Domkapellmeister Eberhard Metternich, Leiter der Kölner Dommusik, unterstreicht die besondere Rolle der Pre-Festivals: Sie seien "ein wunderbares Element zur Einstimmung auf das große internationale Pueri-Cantores-Festival in München" und "ermöglichen den Gastchören, schon vor dem zentralen Ereignis mit deutschen Chören und Gemeinden in Kontakt zu kommen". Die Chöre könnten sich so "musikalisch und spirituell austauschen und ein Stück der regionalen Kultur kennenlernen".
Elf Chöre aus dem Erzbistum sind in München mit dabei
Denn neben Begegnung und Gastfreundschaft gehe es vor allem auch um "ein gemeinsames Erleben des Glaubens über Sprachgrenzen hinweg". Noch in allerbester Erinnerung hat er in diesem Kontext das Jahr 2004, als das Kölner Erzbistum Ausrichter dieses Weltfestivals war. Bis heute gehört dieses Erlebnis – damals formten sich 6000 junge Sängerinnen und Sänger zu einem einzigen großen Chor auf dem Roncalliplatz – zu seinen persönlichen musikalischen Highlights, wie er immer wieder erzählt.
Diesmal werden aus dem Erzbistum insgesamt elf Chöre, darunter der Kölner Domchor und der Mädchenchor am Kölner Dom mit rund 300 Sängerinnen und Sängern, nach München reisen. Alle zwei Jahre findet dieses Internationale Chorfestival statt – diesmal zum 45. Mal. Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx und die Präsidentin des Bayerischen Landtags, Ilse Aigner, übernehmen gemeinsam die Schirmherrschaft.
Chöre ziehen unter Dreikönigenschrein her
Beim diesem Mittagsgebet im Kölner Dom, das als Aussendungsfeier gestaltet wird und einen Vorgeschmack auf das liefert, was in den kommenden Tagen als Intensiverfahrung auf alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer wartet, haben nach und nach alle Chöre ihren Einsatz. Besonders berührend wird der Vortrag der beiden Kölner Domchöre mit den Knaben-, Herren- und Mädchenstimmen unter der Leitung von Domkantor Oliver Sperling, als er "Verleih uns Frieden gnädiglich" von Mendelssohn-Bartholdy anstimmt und im Anschluss alle Chorsängerinnen und -sänger von Monsignore Bosbach eingeladen werden, unter dem Dreikönigenschrein herzuziehen. In einem geistlichen Impuls hatte er zuvor auf die großen Apostelstatuen an den Pfeilern des Binnenchors aufmerksam gemacht und darauf verwiesen, dass die mittelalterlichen Baumeister jedem von ihnen einen Engel mit einem Musikinstrument in der Hand zugeteilt haben. "Das will uns heute sagen", so Bosbach zum Abschluss, "auch unsere Musik ist ein Zeugnis für Jesus Christus. Und unser Gesang macht uns zu Aposteln für Jesus Christus."