Domkapitular Dominik Meiering greift in seiner Predigt zum siebenunszwanzigsten Sonntag im Jahreskreis das Evangelium auf, in dem die Jünger Jesus bitten: "Herr, stärke unseren Glauben." Besonders auffällig sei, dass diese Bitte nicht am Anfang ihrer Jüngerschaft komme, sondern nach vielen Erfahrungen mit Jesus. Die Jünger hätten schon Heilungen, Wunder und Predigten erlebt und dennoch spüren sie, dass ihr Glaube nicht ausreicht. Ihr Leben ist komplizierter geworden, ihre Kräfte schwinden.
Meiering überträgt diese Erfahrung auf die heutige Glaubenssituationen. Auch heute werde es vielen schwerfallen, angesichts zunehmender Ablehnung und Unsicherheit im Glauben standzuhalten. Doch Jesus antworte nicht mit einem Vorwurf, sondern mit einem Bild. Ein Glaube so klein wie ein Senfkorn reiche aus, weil er eine Sprengkraft in sich trage.
Nicht Vollkommenheit, sondern Offenheit
Der Glaube, so Meiering, sei keine Frage des Willens oder der Disziplin. Nicht die eigene Anstrengung zähle, sondern das Vertrauen auf eine Kraft, die trägt. Paulus formuliere das im Brief an Timotheus, der heutigen Lesung, ähnlich. Auch er sei müde geworden, entmutigt. Paulus fordere ihn auf, "die Gnade Gottes neu zu entfachen" - das in ihm angelegte Gut des Glaubens, das durch den Heiligen Geist bewahrt werde.
Glaube sei kein Besitz, kein Abzeichen, keine Leistung. Glaube sei Vertrauen – manchmal klein, manchmal brüchig, aber getragen von Gott. Meiering unterstreicht das mit einer jüdischen Erzählung vom Wirt, der am Versöhnungstag keine Gebete findet und Gott stattdessen die Buchstaben des Alphabets übergibt, damit er daraus Gebete mache. Der Rabbi antwortet dem Wirt: "Seit zehn Jahren ist kein Gebet so rein zum Himmel gestiegen wie deines."
Diese Geschichte macht Meierings zentrale Botschaft deutlich. Der Mensch bringt Bruchstücke, Gott macht daraus etwas Ganzes. So sei der Glaube zu verstehen – nicht als Vollkommenheit, sondern als Offenheit. In einer lauten, skeptischen und oft zynischen Welt sei es entscheidend, das "anvertraute kostbare Gut" zu bewahren. Nicht mit Perfektion, sondern mit Ehrlichkeit und Vertrauen.
DOMRADIO.de hat das Kapitelsamt aus dem Kölner Dom am siebenunszwanzigsten Sonntag im Jahreskreis mit Domkapitular Dominik Meiering übertragen. Der Mädchenchor am Kölner Dom sang unter der Leitung von Oliver Sperling die "Messe pour deux voix égales" von Cécilie Chaminade. An der Orgel war Winfried Bönig.
An diesem Tag war der Erntedanksonntag. In vielen Gemeinden wurden die Gaben der Natur an den Altar gelegt und gesegnet. Im Evangelium an diesem Sonntag geht es um echten und lebendigen Glauben. Die Jünger äußern eine besondere Bitte an Jesus.
Evangelium nach Lukas 17,5-10 am 27. Sonntag im Jahreskreis
In jener Zeit baten die Apostel den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen. Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. (Lk 17,5-10)
Auslegung des Sonntagsevangelium von Peter Köster SJ
Die Bitte der Apostel, Jesus möge ihren Glauben vermehren, kann durch seine Warnung vor dem Ärgernisgeben (V. 1 f.) und seine Aufforderung zu unbegrenzter Vergebungsbereitschaft (V. 3) veranlasst sein. Ohne einen starken Glauben fühlen sie sich nicht imstande, seine Weisungen zu befolgen. Jesus antwortet in bildhafter Sprache und will ihnen damit veranschaulichen, dass es beim Glauben nicht auf ein mehr oder weniger ankommt, sondern darauf, dass er echt und lebendig ist. Ein solcher Glaube kann Unmögliches möglich machen, weil die Jünger sich damit dem göttlichen Bereich öffnen.
Peter Köster SJ (Theologe, geistlicher Lehrer, * 1936), aus: Ders., Das Lukas-Evangelium – Orientierung am Weg Jesu. Eine geistliche Auslegung auf fachexegetischer Grundlage, 202, © EOS Verlag, St. Ottilien 2004