Mehr Impfstoff an Entwicklungsländer abgeben?

Diskussion um Impfstoff

Angesichts des schleppenden Impftempos in Deutschland hat Entwicklungsminister Gerd Müller dazu aufgerufen, mehr Impfstoff an Entwicklungsländer abzugeben. Einige Länder hätten sich bis zu acht Impfdosen pro Kopf gesichert, kritisierte der Minister.

Polen, Krakau: Eine Krankenschwester füllt eine Spritze mit einem Corona-Impfstoff / © Lukasz Gagulski (dpa)
Polen, Krakau: Eine Krankenschwester füllt eine Spritze mit einem Corona-Impfstoff / © Lukasz Gagulski ( dpa )

"Die Abgabe von überschüssigen Impfdosen ist der schnellste Weg, die weltweite Impfkampagne voranzubringen", sagte der Minister den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Müller erinnerte an die Zusage der Bundesregierung, ärmeren Ländern bis Ende des Jahres mindestens 30 Millionen Impfstoffdosen zur Verfügung zu stellen. "Diese Menge sollten wir schrittweise weiter aufstocken, weil inzwischen in Deutschland ausreichend Impfstoff verfügbar ist", forderte er. "Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn bei uns Impfdosen verfallen, die in anderen Ländern dringend gebraucht werden."

Einige Länder könnten ohne Probleme einen Teil davon abgeben, so dass alle Entwicklungsländern Zugang zu Impfstoffen haben, so der Minister.

Eine Welt

Müller warnte: "Die Welt darf nicht gespalten werden in Länder, die sich mit hohen Impfraten schnell wirtschaftlich erholen können und solche, die dem Virus schutzlos ausgeliefert bleiben."

In Afrika seien bislang weniger als zwei Prozent der Menschen vollständig gegen Covid-19 geimpft, führte Müller aus. "Hier ist jede zusätzliche Impfdose wichtig." Drängend sei die Lage auch in Lateinamerika und in asiatischen Ländern. "Nur eine weltweite Impfkampagne ist der Weg aus der Krise", so der Minister

Forderungen nach mehr Anreizen fürs Impfen 

Politiker und Forscher fordern mehr Werbung und positive Anreize, um Skeptiker für eine Corona-Impfung zu gewinnen. Die bisherige Kampagne der Bundesregierung reiche nicht aus, sagte der Fraktionsgeschäftsführer der Linkspartei im Deutschen Bundestag, Jan Korte, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Samstag). "Die Bundesregierung hat zu wenig getan, um das Impfen gegen COVID-19 zu einer Selbstverständlichkeit zu machen", heißt es in einem Konzeptpapier Kortes für einen "Impfsommer 2021", das dem RedaktionsNetzwerk (RND) vorliegt.

Der Linken-Politiker fordert darin die Regierung auf, gesellschaftliche Akteure wie Gewerkschaften, Sportverbände und Glaubensgemeinschaften, aber auch Clubs und Kultureinrichtungen in eine gemeinsame Impfkampagne mit einzubeziehen. "Es muss darum gehen,
die Leute für eine Impfung zu gewinnen, die sich nicht ausreichend informiert fühlen und Ängste haben, die man ihnen nehmen kann."

Impfen an der Moschee

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland unterstrich, zwei Drittel der Moscheegemeinden in Deutschland böten vor allem an Wochenenden Impfaktionen an. So findet in der Ditib-Moschee in Köln seit Samstag eine große Impfaktion statt. Bis Sonntag können sich Bürgerinnen und Bürger dort ohne Voranmeldung mit den Impfstoffen von Biontech oder Astrazeneca impfen lassen. Bei einer ersten Impfaktion an der Moschee earen vor zwei Monaten rund 3.200 Menschen geimpft worden.

"Die Resonanz, auch in der nichtmuslimischen Nachbarschaft der Gotteshäuser, ist hoch", sagte der Vorsitzende des Tentralrates, Aiman A. Mazyek, dem RND. Zugleich rief er die Muslime auf, sich impfen zu lassen. 

Impf-Werbunng und Impf-Parties

Der Göttinger Angstforscher Borwin Bandelow hält eine gezielte Werbung für sinnvoll, um Unentschlossene für eine Corona-Impfung zu gewinnen. "Jetzt muss - wie in der Fernsehwerbung - das Belohnungssystem der Menschen angesprochen werden", sagte er der
"Bild"-Zeitung (Samstag). "Warum keine Impf-Partys veranstalten, bei denen eine tolle Band spielt, wo es vielleicht eine Lotterie und Grillwürstchen gibt?"

Die Karlsruher Wirtschaftswissenschaftlerin Nora Szech plädiert dagegen für eine finanzielle Zahlung an Geimpfte. Sie glaube nicht, dass niedrigschwellige Impfangebote und Informationskampagnen ausreichen, um mehr Menschen zum Impfen zu motivieren, sagte die
Ökonomin des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) dem RND. "Das hat in keinem Land ausgereicht."

 Szech fordert stattdessen, dass Menschen Geld für die Impfung bekommen sollten. "In unseren Studien steigt die Impfbereitschaft von knapp 70 Prozent ohne Impfbonus Richtung 80 Prozent, wenn 100 Euro gezahlt werden. Für 500 Euro geht die Impfbereitschaft sogar Richtung 90 Prozent."

Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, rief eindringlich zum Impfen auf. "In der Tat sind wir momentan in einem Wettlauf zwischen Impfdurchdringung und neuen Virusvarianten. Es ist ja nicht gesagt, dass Delta die
letzte ist», sagte Russwurm im Interview der Woche im Deutschlandfunk (Sonntag): "Und der einzige Weg, der für mich plausibel erscheint - und ich habe auch noch keinen anderen Vorschlag von Wissenschaftlern gehört - ist: impfen, impfen, impfen." Er sei allerdings kein Fan vom Schlagwort Impfpflicht, fügte Russwurm hinzu.


Quelle:
KNA , epd