Gott ist im Kolumba Museum zu Hause, davon ist Stefan Kraus überzeugt. Seit 18 Jahren leitet er das erzbischöfliche Kunstmuseum. Am Ende des Jahres geht er in Rente. “Von Anfang an ist es der Anspruch von Kolumba gewesen, ein Angebot zu stiften, das die Besucherin und den Besucher durchlässiger macht”, sagt er im DOMRADIO.DE-Interview. Denn der Glaube sei etwas Schönes, weil er nicht in die Enge führe, sondern in die Weite.
Mit ihm durch “sein” Museum zu streifen ist eine bereichernde Freude und auch ein Ausflug in die eigene Substanz des christlichen Glaubens. Kraus ist ein leidenschaftlicher Kunstvermittler. Im Raum 13, dem wahrscheinlich größten Raum des Museums, führt mich Kraus zu einem 53 cm großen romanischen Kreuz aus Elfenbein. Es gebe nur wenige Kreuze dieser Art weltweit, schwärmt er. Das Kreuz strahlt eine Sanftheit aus, die etwas von einem Schwebezustand zwischen Leben und Tod hat. Schläft Jesus nur? Ist er tot?, fragt man sich. Der Kunstvermittler Kraus hat häufig erlebt, wie Museumsbesucher vor diesem charismatischen Kreuz innehalten und still werden.
“Wo will ich da entscheiden, ob jemand dieses Kreuz ästhetisch genießend anschaut oder in einer Form von Andacht? Wo geht das ästhetische Erlebnis in eine spirituelle Erfahrung über?”, fragt Kraus in dem Wissen, dass es auf diese Frage keine Antwort gibt, weil die Grenzen zwischen der Wirkmacht von Religion und Kunst fließend sind.
Ist das Kolumba Museum ein Gotteshaus? Eine Kirche ist es nicht, obwohl es auf den Trümmern der im Krieg zerstörten Kirche St. Kolumba steht. Dessen sei man sich immer bewusst, sagt Kraus. Im Fundament trägt es also den Vermittlungsauftrag der Frohen Botschaft. Deshalb sieht Kraus das Museum auch als einen wichtigen Baustein im Gesamtkonzept des Erzbistums an, das seinen Schwerpunkt zunehmend auf die Neu-Evangelisierung in der säkularen Welt legt. Eine der Hauptsäulen der Evangelisierung ist hier die Bildung. Und genau da setze das Kolumba an, sagt Kraus. Das Museum sei ein Bildungsort, “wo wir durch die Vielfalt der Menschen, die wir erreichen, eine enorm wichtige Wertevermittlung betreiben und auch für Wege zum Glauben sensibilisieren”.
Ein praktisches Beispiel dafür gibt er uns vor einer großen goldenen Wand im Museum. Vor der Wand aus Blattgold steht an der Seite ein Garderobenständer mit einem Hut und einem Mantel. Soeben scheint noch jemand hier gewesen zu sein, jetzt ist er fort. “Tragedia Civil / zivile Tragödie” heißt dieses Kunstwerk von Jannis Kounellis.
Die goldene Wand reflektiere auf geheimnisvolle Weise unsere Welt, beschreibt Kraus die Szene. Man spüre, dass es um Verlust gehe. “Man hat das Gefühl, der Mensch, der hier fortgegangen ist, wird auch nicht wiederkommen. Eine Schülerin sagte mir mal, sie sei ganz nah an die Wand herangegangen und habe den Eindruck gehabt, dass das, was ihr da entgegengekommen sei, in diesem reflektierenden Gold, wirklicher war als sie selbst”. In solchen Erlebnissen mit Kunst sieht Kraus durchaus Parallelen zu Erfahrungen, die ein Christ in der Messfeier machen kann. Im Kolumba Museum kann Sakralität auf höchstem Niveau zeitgenössisch sein.
Begegnungen mit Schülerinnen und Schülern, mit Erwachsenengruppen, mit Menschen, mit denen er im Museum ins Gespräch kommt, zeigen ihm, wie aufschlussreich Kunst sein kann, ein Resonanzraum, der Türen auch zum Christsein öffnet. Diese Begegnungen und Gespräche mit Menschen im Kolumba Museum gehören für Kraus zu den Highlights der vergangenen Jahre.
Das Kolumba Museum gemeinsam mit seinem Team zu gestalten, hat Kraus immer als ein großes Privileg empfunden, ein Privileg, das er auch als eine Verantwortung gesehen hat. “Und ich bilde mir ein, das haben wir ganz gut hingekriegt”, sagt er nicht ohne Stolz.
Jetzt ist sein Nachfolger dran, sein bisheriger Stellvertreter Marc Steinmann. In diesen Tagen, so erzählt Kraus, räumt er sein Büro auf und aus. Er wolle kein Paar Schuhe im Kolumba zurücklassen, sagt er: “Unter der Leitung von Marc Steinmann bleibt die Kontinuität gewahrt. Frischen Wind wird es auch in Zukunft im Kolumba geben”, blickt Kraus ohne Sorge in die Zukunft. Kolumba sei sein halbes Leben gewesen, sagt er: "Jetzt ist es an der Zeit, dass ich der anderen Hälfte des Lebens etwas mehr Raum geben kann”.